Wirkungsvolles Krisenmanagement nimmt mit Dauer der Corona-Pandemie ab

Menschen fühlen sich immer weniger gehört, Chancendenken geht signifikant zurück, österreichische Führungskräfte fühlen sich persönlich belastet. Diese und weitere weitreichende Erkenntnisse gehen aus der neuesten Studie von Great Place to Work hervor. [...]

Insgesamt zeigen sich Österreichs Arbeitnehmende stark verunsichert. (c) Ethan Sykes – Unsplash
Insgesamt zeigen sich Österreichs Arbeitnehmende stark verunsichert. (c) Ethan Sykes – Unsplash

Leadership und Vertrauenskultur waren schon immer wesentliche Kulturbestandteile erfolgreicher Unternehmen – in Corona-Zeiten ganz besonders. Die Anforderungen an eine Perspektiven gebende Führung waren noch nie so hoch. Professionelles Krisenmanagement und positive Zukunftsaussichten sind gefragt.

Die Studie „Österreichs Unternehmen im Corona-Griff“ von Great Place to Work stimmt nachdenklich: Die andauernde Krisensituation hat mittlerweile folgenschwere Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Verunsicherung und Orientierungslosigkeit ziehen eine immer breiter werdende Schneise durch Österreichs Unternehmen. 

Wie geht’s den Führungskräften?

Als Kapitäne oder Leuchttürme der Unternehmen ist das Top-Management heute mehr denn je gefordert. Menschen brauchen in unsicheren Zeiten Orientierung und ein gewisses Maß an Sicherheit. Dies erwarten sich Mitarbeitende von ihren Führungskräften. Doch auch diese sind Corona ausgeliefert, unvermittelt und ohne vorgefertigte Handlungsanweisungen.

„Wer in den letzten Jahren seine Kultur-Aufgaben gemacht hat, kann auch in der Krise auf dem stabilen Fundament des Vertrauens aufbauen. Wenn alle im Unternehmen ans selbe glauben, lässt sich auch eine unvorhersehbare Zukunft gestalten“, so Doris Palz, Managing Director von Great Place to Work.

Die persönliche Belastung ist laut Studie bei Top-Führungskräften und mittlerem Management am stärksten ausgeprägt. 67 Prozent der First-Level-Führungskräfte sowie 52 Prozent des mittleren Managements fühlen sich von der Krise persönlich belastet. Diese persönliche Belastung geht bei einem Viertel der Führungskräfte des mittleren Managements Hand in Hand mit der Sorge um Arbeitsplatzverlust. Ähnlich verbreitet ist mit 27 Prozent die Angst vor Jobverlust nur bei Menschen, die weniger als zwei Jahre in ihrem Unternehmen tätig sind.

Die Unsicherheit der Führung zieht Verunsicherung bei Mitarbeitenden nach sich: Im Vergleich zur Great Place to Work-Trendstudie vom Juni 2020, wo noch 57 Prozent der Befragten bestätigten, dass die Führungskräfte auch für ihre Ängste und Sorgen ein offenes Ohr haben, empfinden dies in der November-Erhebung nur noch 41 Prozent der Befragten so. Mit den eigenen Sorgen und Nöten bei den Führungskräften Gehör zu finden, ist Basis für gegenseitiges Vertrauen und Zuversicht. Dass dieser Wert innerhalb von nur fünf Monaten um 16 Prozent gesunken ist, zeigt auf, dass die Belastungsgrenze vieler Führungskräfte erreicht oder bereits überschritten ist.

Menschen suchen Orientierung

Im Juni zeigten sich die Befragten gut informiert, was die Corona-Maßnahmen in ihrer Organisation betrifft. Knapp drei Viertel gaben demzufolge an, das Gefühl zu haben, stets auf dem Laufenden zu sein. Die aktuellen November-Werte zeigen ein anderes Bild. Nur noch 57 Prozent der Befragten geben an, über die Maßnahmen der eigenen Organisation im Zusammenhang mit der Corona-Thematik gut informiert zu sein. Nicht verwunderlich daher, dass sich die Befragten mehr und transparentere Kommunikation wünschen sowie mehr Empathie von ihren Führungskräften erwarten.

Befragt nach der Vorbildwirkung der Führungskräfte, gaben im Juni 2020 immerhin 37 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Führungskräfte als vorbildhaft wahrnehmen. Die aktuelle Studie stimmt auch diesbezüglich nachdenklich: Lediglich 28 Prozent – also etwas mehr als ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmenden – stimmen der Aussage „Die oberen Führungskräfte leben die besten Eigenschaften unserer Organisation vor“ zu.

Chancendenken weicht Verunsicherung

Insgesamt zeigen sich Österreichs Arbeitnehmende stark verunsichert. Waren im Juni 2020 noch 42 Prozent davon überzeugt, dass sich aus der Corona-Krise für ihr Unternehmen neue Chancen und Möglichkeiten ergeben und sie daher gestärkt aus der Krise gehen werden, sind es jetzt im Novembervergleich nur mehr 33 Prozent, die sich optimistisch zeigen: Ein alarmierender Rückgang um beinahe 10 Prozent.

Homeoffice – gekommen, um zu bleiben? Nicht immer.

Homeoffice hat sich vor wenigen Monaten in vielen Unternehmen als Rettungsanker während des ersten Lockdowns erwiesen und wird auch nach neun Monaten noch als stärkste Veränderung im Arbeitsleben wahrgenommen. 30 Prozent der Befragten mit Homeoffice-Erfahrung geben an, schon vor Corona im Homeoffice gearbeitet zu haben – für 70 Prozent sind die Erfahrungen neu und zudem positiv. 

Enttäuscht zeigen sich jene 21 Prozent der Befragten, die durch den ersten Lockdown ins Homeoffice gewechselt sind und gute Erfahrungen gemacht haben, nun aber wieder vollständig im Office arbeiten müssen. Von dieser Gruppe geben auch lediglich 10 Prozent an, dass sich die Zusammenarbeit während der Corona-Krise verbessert hat. Die Gruppe, die erstmals Homeoffice-Erfahrung gemacht hat und dies auch weiter praktizieren kann, stimmt der Aussage „Durch die Corona-Krise hat sich die Art und Weise unseres Zusammenarbeitens deutlich verbessert“ mit 31 Prozent zu.

Corona-bedingte Veränderungen

Wenngleich knapp 50 Prozent der Befragten noch nie im Homeoffice gearbeitet haben, geben 28 Prozent der Teilnehmenden an, dass die größten Veränderungen für sie selbst Homeoffice und Digitalisierung darstellen.

Ein weiteres interessantes Detail aus der Studie: Obwohl im aktuellen Lockdown 100 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher von der Einführung von Mund-Nasen-Schutz, Hygienevorschriften und physischem Distanzhalten betroffen sind, geben lediglich 19 Prozent der Befragten dies als Veränderung in ihrem Arbeitsleben an. Das lässt die Vermutung zu, dass diese grundlegenden Sicherheitsvorkehrungen bereits seit Längerem Teil des Arbeitsalltag sind.

Was soll sich aus Sicht der Mitarbeitenden ändern?

Auf die Frage nach drei Dingen, die sich im Unternehmen ändern sollen, haben 85 Prozent der Befragten geantwortet. Hier die Top 3 der geäußerten Wünsche:

  • Mit 16 Prozent aller Nennungen reihen die Befragten den Wunsch nach klarer, kompetenter und empathischer Führung auf Platz 1.
  • An zweiter Stelle nennen die Befragten den Wunsch nach einer von Vertrauen geprägten Unternehmenskultur, in der gegenseitige Wertschätzung und Respekt gelebter Alltag sind (14 Prozent), der gleiche Anteil entfällt ex aequo auf Themen, die eine finanzielle Entschädigung betreffen. 
  • Das Homeoffice und seine entsprechende Ausstattung, gepaart mit dem Wunsch, auch weiterhin teilweise von zu Hause aus arbeiten zu können, rangieren mit 11 Prozent auf Platz 3.

Vertrauen lässt die Wirtschaft wachsen

„Seit vielen Jahren wissen wir – und weisen dies regelmäßig nach –, dass Unternehmen mit solidem Vertrauensfundament Krisen schneller und besser bewältigen. Sie erweisen sich auch wirtschaftlich als robuster und erholen sich nach Krisen unvergleichlich schneller. Schade, dass dieses Potenzial in Österreichs Betrieben nach wie vor vernachlässigt wird. Das schadet nicht nur den Unternehmen, sondern schwächt auch den Wirtschaftsstandort“, fasst Doris Palz zusammen.
 
Der Vergleich der nationalen Durchschnittsdaten mit Daten von Great Place to Work-Kunden (befragt von März bis November 2020) veranschaulicht das Ausmaß der Potenziale, die in Österreichs Unternehmen noch entwickelt werden können. In Krisen bewährt sich vor allem eine Strategie: Vertrauen, Offenheit und Mut.


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