Work-Life-Balance im Home Office ist wichtig

Die COVID-19-Pandemie ändert unseren Arbeitsalltag radikal. Arbeitswissenschaftlerin Martina Hartner-Tiefenthaler präsentiert eine App, die helfen kann, einige Probleme dabei zu lösen. [...]

Die Abgrenzung zwischen Home und Office, also zwischen Beruf und Privat im Home Office ist eine Herausforderung, aber wichtig.
Die Abgrenzung zwischen Home und Office, also zwischen Beruf und Privat im Home Office ist eine Herausforderung, aber wichtig. (c) TU Wien

Home-Office ist kein neues Phänomen. Die Psychologin und Arbeitswissenschaftlerin Martina Hartner-Tiefenthaler vom Institut für Managementwissenschaften der TU Wien beschäftigt sich seit Jahren mit Fragen rund um die Abgrenzung von privatem und beruflichem Leben.

Die Home-OfficeArbeit, die nun aufgrund von COVID-19 vielen Menschen verordnet wurde, ist eine ganz andere Art von Heimarbeit als man sie bisher kannte – daher treten auch neue Probleme auf. Gemeinsam mit der Forschungsgruppe Industrial Software der TU Wien und mit Unterstützung der AK Niederösterreich im Rahmen des Projektfonds Arbeit 4.0 entwickelte Hartner-Tiefenthaler und ihr Team die Handy-App smartWorkLife mit psychologisch durchdachten Übungen. Diese Übungen wurden bereits mit Angestellten des Flughafen Wiens getestet und sollen für Entspannung sorgen und die Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit unterstützen.

Die App (Android und iOS), die mit speziellen Übungen zur Work-Life-Balance beitragen will, kann hier heruntergeladen werden.

Für Hartner-Tiefenthaler geht es beim Arbeiten im Home Office immer auch um die Abgrenzung zwischen Privatem und Beruflichem. „Wir alle müssen für uns selbst herausfinden, wie wichtig das für uns ist. Für manche ist es kein Problem, andere Leute brauchen klare Trennungen. Das kann durch räumliche Trennung gelingen, etwa wenn man einen Schreibtisch hat, den man ausschließlich für den Beruf nutzt, oder durch zeitliche Trennung, indem man sich selbst klare Arbeitszeiten festlegt und versucht, Unterbrechungen aus dem Privatleben möglichst zu minimieren.“ Durch COVID-19 befänden wir uns allerdings in einer Sondersituation, die einiges viel schwieriger macht, ist Hartner-Tiefenthaler überzeugt: „Oft ist die ganze Familie zu Hause, manche Leute müssen tagsüber ihre Schulkinder unterrichten. Das ist natürlich viel fordernder und hat mit einer normalen Home-Office-Situation wenig zu tun, in der man in aller Ruhe zu Hause sitzt, vielleicht in einem eigens dafür eingerichteten Arbeitszimmer. In der momentanen Situation bräuchte wohl fast jeder mehr Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem als derzeit möglich ist.“

Das Ringen um Ruheraum in der Wohnung, um Zeit oder um Ressourcen wie einen Computer, von dem nicht jedes Familienmitglied ein Gerät besitzt, aber jedes einen benötigt, sind Konfliktherde, die in einer solchen Situation entstehen, weiß die Psychologien und Arbeitswissenschaftlerin. Hinzu komme, dass die Arbeitszeit ungeregelter ist als bisher: „Wenn man tagsüber für die Kinder da sein muss, dann wird abends oder nachts gearbeitet. Heißt das aber nun, dass man den ganzen Tag für Vorgesetzte erreichbar sein muss? Das ist für viele Leute ein Problem„, so Hartner-Tiefenthaler.

Bedürfnisse ansprechen, Regeln definieren

Lösen lasse sich das nur, indem man Bedürfnisse klar auspreche und Regeln definiere, weiß Hartner-Tiefenthaler. Denn, „viele Menschen treffen einfach bestimmte Annahmen über die Wünsche anderer, die oft gar nicht stimmen. Sie nehmen Rücksicht auf Bedürfnisse, die vielleicht gar nicht da sind – und übersehen dabei andere.“ Als Beispiels nennt Hartner-Tiefenthaler das Beispiel einer Chefin, die spätabends noch ein E-Mail sendet und gar nicht damit rechnet, dass das noch am selben Tag gelesen wird. Wer das aber glaube, bei dem kann Stress entstehen. Innerhalb der Familie sei es genauso, so Hartner-Tiefenthaler: „Wer braucht den Computer wann? Welche Regeln gelten in der Wohnung? Wann muss Ruhe herrschen? Das sind Dinge, die klar abgesprochen werden müssen. Nur wenn man Regeln klar festgelegt hat und auch auf deren Einhaltung achtet, nützen sie auch wirklich etwas.“

Deswegen hat Hartner-Tiefenthaler die App smartWorkLife entwickelt: „Das Konzept ist ganz einfach,“ sagt die Psychologin: „Wir wissen aus unseren bisherigen Studien, dass bestimmte psychologisch erprobte Übungen hilfreich sein können. Es handelt sich um Entspannungsübungen und um Ideen, die bei der Abgrenzung von Arbeit und Privatleben hilfreich sein können. Nicht jede Übung ist für jede Person passend, daher haben wir einen Pool von 50–60 Übungen angelegt, von dem immer wieder manche vorgeschlagen werden. Die Übungen, die man gut findet, kann man in einem eigenen Bereich der App abspeichern, die anderen kann man verwerfen. Auch für Leute, die derzeit nicht im Home-Office arbeiten, sondern einfach ihre Work-Life-Balance verbessern wollen, ist unsere App empfehlenswert. Daher ist es wichtig, dass man nach Installation der App einen Fragebogen ausfüllt, um eine Auswahl an passenden Übungen zu erhalten.“

Mit dieser App will Hartner-Tiefenthaler und ihr Team einerseits Menschen bei ihrer Erholung helfen, andererseits auch wissenschaftliche Forschung betreiben: Die Studie beginne am 19. April, so die Psychologin. Die App smartWorkLife kann aber schon jetzt aus den jeweiligen Appstores (Google Play und Apple AppStore) herruntergeladen werden. Hartner-Tiefenthaler hofft, dass möglichst viele Leute dabei mitmachen, denn „dadurch gelingt es uns, arbeitspsychologische Probleme besser zu verstehen.“


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*