Zeitmanagement: Alle Zeit der Welt und produktiv

Die Planung kann noch so gut sein. Oft bleibt Wichtiges liegen. Methoden zur Steigerung der täglichen Produktivität im Job. [...]

Dieser Artikel stellt im Folgenden Ansätze und Methoden vor, die zur Verfügung stehende Zeit besser zu nutzen (c) pixabay.com

Wer kennt das nicht: Man hat sich die Aufgaben, die es dringend zu erledigen gilt, für den Tag ganz genau ­vorgenommen – und am Ende dieses Tages ist man froh, wenn man auch nur einen Bruchteil davon geschafft hat, wenn überhaupt.

Wie es dazu kommt, weiß auch jeder: Hier klingelt das Telefon, da erscheint von Outlook die Benachrichtigung über eine neue E-Mail, über den firmeninternen Messenger erkundigt sich der Kollege nach einem gemeinsamen Kaffee, im nächsten Moment steht plötzlich der Product Owner mit ­einem neuen Thema neben einem et cetera …

Ist endlich mal wieder Ruhe eingekehrt, versucht man, seine Gedanken zum wiederholten Mal zu sortieren. Aber keine Sorge: Das im Geiste erstellte Konstrukt ist mit der nächsten Unterbrechung schon wieder weggefegt.

Dieser Artikel stellt im Folgenden Ansätze und Methoden vor, die zur Verfügung stehende Zeit besser zu nutzen.

Deep Work

Cal Newport, Professor für Informatik an der Georgetown University, widmet sich in seinem Buch «Deep Work» den Voraussetzungen, die erforderlich sind, um intellektuelle Arbeiten mit einem Höchstmaß an Qualität zu liefern. Mit dem Begriff «Deep Work» bezeichnet er Konzentration auf die Arbeit, also den Umstand, sich ohne Ablenkung über eine längere Zeitdauer auf eine einzige Aufgabe zu fokussieren. Durch die Kombination aus a) ungestörter Zeit und b) der Fokussierung auf nur ein einziges Thema wird es möglich, in kürzerer Zeit qualitativ hochwertige Resultate zu liefern. Ganz anders also, als wenn permanent zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her gewechselt wird.

Grafik 1: Myelination zwischen den Neuronen (c) Christian Havel

Im Folgenden möchte ich – auf eine zugegebenermaßen etwas naive Art und Weise – erklären, was im Gehirn vor sich geht, wenn der Fokus über längere Zeit unverändert bleibt. Im menschlichen Gehirn gibt es unzählige Neuronen, die im Austausch miteinander stehen und Informationen untereinander austauschen, sie «feuern» ihre Informationen, ähnlich wie bei einer ereignisorientierten Benachrichtigung.

Ist die Fokussierung über längere Zeit ungestört, führt dies dazu, dass sich eine Art Hülle um die Verbindungen legt, was es ermöglicht, dass die Benachrichtigung deutlich schneller und leichter erfolgt. Die Grafik 1 soll dies verdeutlichen. Als Vergleich kann auch der Straßenbelag genutzt werden. Zu Beginn fahren die Gedanken über die Holperstrecke, nach einer längeren Zeit der Ruhe wurde diese zur Autobahn umgebaut und die Tachonadel bewegt sich in Richtung Anschlag. Haben wir erst mal auf die Autobahn gewechselt, ist die Bearbeitung dieser einen Sache, auf die wir uns fokussieren, schneller abgeschlossen. Dieser Zustand setzt wie bereits erwähnt voraus, dass längere Zeit ungestört an einem Thema gearbeitet wird.

Voraussetzungen für Deep Work schaffen

Das klingt einleuchtend und die Effekte sind vermutlich jedem bestens vertraut. Wie können jedoch die Voraussetzungen für Deep Work geschaffen werden?

Zunächst muss man sich klarmachen, mit wie vielen Themen man sich an einem Tag beschäftigt. Eine Technik dazu besteht darin, minutengenau zu notieren, was man den ganzen Tag tut. Das entspricht dem ersten von drei Schritten des «3-Step Process for Effectiveness», wie es Peter Drucker in «The Effective Executive» beschreibt.

Grafik 2: Störfaktoren für die Konzentration (c) Christian Havel

Ich habe das einmal protokolliert. Das Ergebnis meines Selbsttests stellte sich in etwa so dar wie in Grafik 3 – konzentriertes Arbeiten sieht anders aus. Welche Faktoren es sind, die uns bei der Konzentration stören, wird in Grafik 2 aufgezeigt. Viele Störfaktoren hängen vermutlich, wie auch ursprünglich bei mir, mit dem Handy zusammen. Bei jeder Nachricht, egal ob E-Mail, WhatsApp oder einer weiteren Benachrichtigung zum Beispiel von der Facebook-App, macht sich das Handy bemerkbar.

Grafik 3: Das Protokoll eines Arbeitstages (c) Christian Havel

Hinzu kommt Outlook mit seinem Pop-up-Fenster, das über die neu eingetroffenen Mails informiert. Ganz zu schweigen von den Instant Messages der Kollegen, die sich melden mit einer Nachricht wie «Ist nicht dringend, nur so». Und dann auch noch die Anrufe vom Product Owner …

Das sind in der Summe viele Störquellen. Vieles davon lässt sich jedoch relativ schnell in den Griff bekommen:

  • Die Benachrichtigungen der Smartphone-Apps lassen sich mehr oder weniger einfach deaktivieren.
  • Outlook kann so konfiguriert werden, dass kein Pop-up-Fenster erscheint oder dass ein Tray-Icon mit einem Briefsymbol angezeigt wird.
  • Mittels einer Computer-Telephony-Integration-Softphone-Anwendung (CTI) kann der Modus «Nicht stören» aktiviert werden, der einen Anruf an die Voicebox leitet.
  • Im Büro kann ein sogenanntes Busylight aufgestellt werden, eine Art Ampel, die manuell aktiviert oder mit dem Präsenzstatus der CTI-Anwendung synchronisiert wird und den Kollegen zeigt, ob ich ansprechbar bin (leuchtet grün) oder gerade nicht gestört werden will (leuchtet rot).

Bietet das Arbeitsumfeld zu viele Störgeräusche, kann beispielsweise «Focus Music» helfen, in einen ungestörten Bereich abzutauchen. Meine Selbsttests hiermit im Büro und im Home Office verliefen erfolgreich.

Viele Aufgaben

Häufig warten zahlreiche Aufgaben gleichzeitig auf ihre Bearbeitung, und schnell wird man verführt, zwischen den Aufgaben hin und her zu springen. Wie bereits zuvor beschrieben, stellt der häufige Wechsel des Fokus den größten Fehler dar, der gemacht werden kann. Diesem Drang sollte nicht nachgegeben werden. Diskussionen im Team können das Bewusstsein stärken und man kann gemeinsam an den Rahmenbedingungen arbeiten.

Planung

Dan S. Kennedy empfiehlt in «Time Management for Entrepreneurs», die ungeplante Zeit zu minimieren, was die Grafik 4 verdeutlichen soll. Hilfreich hierbei sind Tools wie KanbanFlow, ein – wie der Name schon vermuten lässt – Kanban-Board, das auch als kostenfreie Variante verfügbar ist. Spaltenanzahl und Beschriftung können an die persön­lichen Anforderungen angepasst werden. In meinem Fall je Arbeitstag eine Spalte (vgl. Grafik 5).

Grafik 4: Von der ungeplanten zur geplanten Zeit (c) Christian Havel

Die unterschiedlichen Farben der Aufgaben stehen für die Anzahl an geschätzten Pomodoros, die ich für deren Be­arbeitung vorgesehen habe. Bei der Pomodoro-Technik handelt es sich um eine Methode des Zeitmanagements, die in den 1980er-Jahren von Francesco Cirillo entwickelt wurde. Eine Pomodoro steht für 25 Minuten ungestörte Zeit, in der eine Aufgabe bearbeitet wird. Praktischerweise ist ein solcher Timer bereits in KanbanFlow integriert, wie in der Grafik 6 zu sehen ist.

Grafik 5: Planung der Wochentage (c) Christian Havel

Der in Grafik 5 zu sehende Plan wurde beispielhaft erstellt. Auf zwei wiederkehrende Aufgaben möchte ich hinweisen: In «Plan my day» werden die bereits am Vortag für diesen Tag eingeplanten Aufgaben nochmals auf den Prüfstand gestellt, der Posteingang geprüft und gegebenenfalls werden nochmals Anpassungen vorgenommen. «Close my day» steht für eine kleine Retro, in der kurz und nur für die eigene Person Folgendes hinterfragt wird:

  • Was habe ich heute erledigt?
  • Was hat gut funktioniert?
  • Was benötigt Optimierung? 
Grafik 6: Integrierter Pomodoro Timer in KanbanFlow (c) Christian Havel

Die Planung für den kommenden Tag wird vorgenommen beziehungsweise angepasst. Die Nutzung des Pomodoro Timers dient einerseits dazu, sich für eine bestimmte Zeit auf eine einzige Aufgabe zu fokussieren. Sie kann andererseits auch als sportliche Herausforderung betrachtet werden, die jeweilige Aufgabe in der geplanten Zeit auch wirklich abzuschließen.

Denn wie Brian Tracy in «Eat that Frog» schreibt: «If you give it less time, it will get done in less time. If you give it more time, it will get done in more time.» Das bedeutet, man kann und sollte sich selbst unter sportlich zu betrachtenden Druck setzen mit einem Zeitfenster, bis wann die Aufgabe abgeschlossen sein soll. E-Mails beziehungsweise Rückrufe werden zwischen den Aufgaben erledigt.

Motivation, Aufschub, Ehrgeiz, Gewohnheiten

Eine Aufgabe in Angriff zu nehmen – und auch abzuschließen –, fällt nicht immer leicht und häufig hört man, dass die Motivation für den Beginn fehle. Steve Chandler ermahnt in seinem Buch «Time Warrior» mit den Worten «Never wait for motivation!». Zunächst muss man aktiv werden, und im Anschluss kommt die Motivation (vgl. Grafik 7).

Grafik 7: Motivation follows Action (c) Christian Havel

Hat man erst einmal begonnen, kommt die Motivation häufig von allein. Es kann auch durchaus hilfreich sein, sich nur Kleinigkeiten vorzunehmen, die innerhalb von drei Minuten erledigt sind. Bei einem Vorhaben wie einer größeren Publikation könnte eine solche Aufgabe sein, einen Ordner für die Publikation mit einem Word-Dokument und dem Titel anzulegen. Das Bewusstsein, dass dieser Schritt fast umgehend erledigt ist, macht es leicht. Meist ergibt sich eine Eigendynamik und es wird am Ende doch mehr Zeit als nur die angedachten drei Minuten investiert. Der Titel ist geschrieben und die Aufgabe ist somit erledigt, aber der erste einleitende Absatz kann ja dann doch noch in Angriff genommen werden. Der Fortschritt wirkt motivierend.

Viele Vorhaben erfordern angeblich einen unheimlichen Ehrgeiz. Das soll nicht infrage gestellt werden. Wenn diese Energie eine so begrenzte Ressource ist, sollte sie möglichst ertragreich investiert werden. Was sich hierbei anbietet, ist, Rituale für sich selbst einzuführen. Damit sind regelmäßig wiederkehrende Aktivitäten gemeint. Diese sollten stets zur gleichen Uhrzeit (!) und über die gleiche Dauer durchgeführt werden. Ein Beispiel dafür ist, als erste Aktivität des Arbeitstages den eigenen «Plan my day»-Task in KanbanFlow mit dem Pomodoro Timer zu beginnen. Es dauert übrigens im Schnitt 66 Tage, bis ein solches Ritual zur Gewohnheit wird. Dann ist es aber relativ fest verankert.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*