Eine weltweite Befragung zeigt: Viele halten KI für übertrieben, setzen sie aber trotzdem ein – jedoch längst nicht konsequent. ITWelt.at hat sich die Studie von GoTo angesehen. [...]
Die Untersuchung „The Pulse of Work in 2025: Trends, Truths, and the Practicality of AI“ umfasst 2.500 Teilnehmende – je zur Hälfte Wissensarbeiterinnen und -arbeiter sowie IT-Entscheidende – aus zehn Ländern. Erhebungszeitraum ist Februar bis April 2025, Auftraggeber ist GoTo, die Durchführung übernimmt Workplace Intelligence.
Skepsis trifft Nutzung
Die Kernbotschaft der Studie lautet: 62 Prozent der Beschäftigten finden, dass künstliche Intelligenz „deutlich überhypt“ ist. Gleichzeitig verwenden bereits 78 Prozent irgendeine Form von KI – von kostenlosen Angeboten bis zu eingekauften oder intern entwickelten Lösungen. Zusätzlich meinen 57 Prozent, der Nutzen und die Rendite von KI seien übertrieben, während 59 Prozent nicht glauben, dass KI „allen den Job wegnimmt“. IT-Entscheidende sind etwas gelassener: 49 Prozent von ihnen halten KI für übertrieben.
Ungehobenes Potenzial und Zeitverluste
Der Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist beträchtlich: 86 Prozent der Beschäftigten sagen, sie schöpfen KI nicht aus. Im Alltag gehen laut Eigeneinschätzung 2,6 Stunden pro Tag beziehungsweise 13 Stunden pro Woche für Tätigkeiten drauf, die sich mit KI abkürzen lassen. Hochgerechnet auf US-Wissensarbeit ergibt das laut Studie ein Effizienzpotenzial von über 2,9 Billionen US-Dollar jährlich. Skalierungen dieser Art sind mit Vorsicht zu lesen, verdeutlichen aber die Größenordnung möglicher Produktivitätsgewinne.
Wissens- und Vertrauenslücken
Hauptursache der Unterauslastung ist fehlendes Anwendungswissen: 82 Prozent der Beschäftigten sind nach eigener Aussage mit praktischen KI-Use-Cases „nicht besonders vertraut“. Hinzu kommt ein Vertrauensdefizit: 86 Prozent zweifeln an Genauigkeit und Verlässlichkeit von KI – auf IT-Seite sind es 53 Prozent. Zudem berichten mehr Beschäftigte als IT-Führungskräfte, dass KI-Ergebnisse häufig nachbearbeitet werden müssen (76 zu 63 Prozent). Diese Spannungen deuten auf unklare Qualitätsmaßstäbe, fehlende Leitplanken und eine unterschätzte Lernkurve hin.
Governance und Fehlgebrauch
Die Governance hält nicht immer Schritt: Nur 45 Prozent der IT-Entscheidenden sagen, ihr Unternehmen besitzt eine formale KI-Policy. Gleichzeitig verwenden 54 Prozent der Beschäftigten KI für sensible oder riskante Aufgaben – etwa für Tätigkeiten, die emotionale Intelligenz erfordern, für rechts- oder compliance-nahe Arbeiten, für Umgang mit vertraulichen Informationen sowie für sicherheitsrelevante, strategische oder heikle Personalentscheidungen. Bemerkenswert: 77 Prozent derjenigen, die KI so einsetzen, bereuen es nicht – teils entgegen expliziter Unternehmensregeln.
Versorgungslücke: Gefragte Tools fehlen
Viele Beschäftigte sehen konkreten Nutzen, erhalten aber keinen Zugang zu passenden Werkzeugen. GenAI-Tools für Content-Erstellung würden laut 81 Prozent helfen, verfügbar sind sie jedoch nur bei 39 Prozent. Ähnlich klaffen Lücken bei Automatisierungsfunktionen für Dateneingaben, E-Mail-Management und Reports (86 Prozent „würde helfen“, 41 Prozent „habe Zugang“), bei Kommunikationsfeatures wie Übersetzung, Transkription und Zusammenfassungen (83 zu 40 Prozent), bei Chat-/Messaging-Assistenten im Kundenkontakt (73 zu 41 Prozent) und bei virtuellen Assistenten für Kalender und Administration (88 zu 43 Prozent). In Summe liegt die Verfügbarkeit oft nur um die 40 Prozent, in kleinen Organisationen näher bei 30 Prozent.
Auf IT-Seite entsteht ein ähnliches Bild: Über 90 Prozent der IT-Verantwortlichen bewerten KI-Use-Cases wie Analysen von Geräte-, Netz- und Ticketdaten oder Security-Monitoring als wichtig, aber viele fehlen im Bestand (etwa 95 Prozent „wichtig“ vs. 67 Prozent „verfügbar“ bei Troubleshooting; 96 zu 69 Prozent bei Security-Überwachung).
Hürden aus IT-Sicht
Als zentrale Bremsklötze nennen IT-Teams Sicherheitsbedenken, mangelndes Vertrauen und Buy-in, fehlende Branchenpassung, Integrationsaufwand, Kosten sowie unzureichende Unterstützung oder Schulung durch Anbieter. Die Werte reichen von 35 Prozent (Sicherheit) über 26 Prozent (Akzeptanz/Vertrauen) bis zu 20 Prozent (Kosten, Vendor-Support). Das weist darauf hin, dass weniger die Kerntechnologie als vielmehr Einbettung, Integration und Enablement hemmen.
Kleine Firmen im Nachteil
Die Unterauslastung ist in kleineren Unternehmen ausgeprägter. IT-Verantwortliche in Betrieben mit bis zu 50 Personen sagen besonders häufig, dass Mitarbeitende KI nicht ausschöpfen (74 Prozent), in großen Organisationen fällt dieser Wert deutlich niedriger aus (bis hin zu 48 Prozent bei über 5.000 Beschäftigten). Diese Unterschiede verweisen auf Ressourcen- und Prozessvorteile größerer Strukturen .
Umsetzung mit Augenmaß
Die Studie plädiert für „Purposeful Implementation“. Gemeint ist ein zweckorientierter Ansatz statt Tool-Käufen „weil es alle tun“. Drei Hebel stehen im Fokus:
Erstens sollen Barrieren pragmatisch gesenkt werden. Laut 77 Prozent der IT-Verantwortlichen können bereits zusätzliche Ausgaben von 20 US-Dollar pro Person und Monat – oder weniger – rund eine Stunde Effizienzgewinn pro Arbeitstag ermöglichen. Hochgerechnet entspricht das etwa 260 Stunden pro Jahr pro Person. Zugleich geben 21 Prozent an, dass ihre Organisation schon KI eingeführt hat, ohne sorgfältige Planung.
Zweitens braucht es besseres Training. 81 Prozent der Beschäftigten und 71 Prozent der IT wünschen sich klarere Anleitungen und Guardrails; 87 Prozent der Beschäftigten meinen, die Belegschaft sei bisher nicht ausreichend geschult (IT: 59 Prozent). Systematische Qualifizierung mit praxisnahen Beispielen und verbindlichen Qualitätsstandards könnte hier Sicherheit schaffen.
Drittens ist eine belastbare Policy notwendig. Bei nur 45 Prozent existiert eine formale Richtlinie; Verstöße treten dennoch auch dort auf. Insbesondere kleinere Unternehmen sind unterdurchschnittlich geregelt, was das Fehlverhalten begünstigen kann.
Ein weiterer Stolperstein ist die Erfolgsbewertung: 49 Prozent der IT-Führungskräfte sagen, der ROI von KI werde „nicht besonders gut“ gemessen – im Mittelstand sind es sogar 64 Prozent. Zwar erfassen 72 Prozent Produktivität/Effizienz, andere relevante Effekte wie Umsatz, Kundenzufriedenheit, Personalkosten, Jobzufriedenheit oder Wohlbefinden geraten aber zu selten in den Blick. Eine breiter aufgestellte Metriklandschaft könnte Investitionsentscheidungen erleichtern und die Akzeptanz fördern.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
Die Daten zeichnen ein klares Muster: Skepsis bleibt, Nutzung ist da, Wirkung oft nicht. Entscheidend sind nicht einzelne „Wunder-Tools“, sondern die gezielte Einbettung in Prozesse, der Zugang zu passenden Lösungen, qualifizierende Trainings und klare Regeln. Wer diese Hausaufgaben pragmatisch angeht, könnte spürbare Effizienzgewinne heben – ohne große Vorleistungen, aber mit messbaren Zielen und belastbaren Leitplanken. Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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