Nach langen Jahren der Vorbereitungen nimmt der neue Mobilfunkstandard allmählich Fahrt auf – auch in Österreich. 5G ist aber mehr als nur die Weiterentwicklung von LTE. Die Technologie soll die Wirtschaft radikal beeinflussen. [...]
Und das ist auch gut so, denn Österreich liegt bei einem EU-weiten Vergleich zum Stand der Digitalisierung (Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft, DESI) im Mittelfeld auf Platz 13. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich Österreich damit zwar um einen Platz verbessert, aber man ist immer noch weit von einer Spitzenposition entfernt. Gerade in den Dimensionen Konnektivität und Integration der Digitaltechnik schneidet Österreich unterdurchschnittlich ab. Mitte August 2020 soll nun hierzulande die 5G-Auktion an den Start gehen, wie die Telekombehörde RTR und das zuständige Ministerium bekannt gaben und sie soll bis spätestens Ende September abgeschlossen sein.
»Mit den Erlösen aus der Aktion wollen wir neue Impulse für den Breitbandausbau geben«, sagt die für Telekom zuständige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.
»Unser Ziel ist dabei, vor allem die Versorgung mit ultraschnellem mobilen Breitband in der Fläche voranzutreiben«, so RTR-Geschäftsführer Klaus Steinmaurer. Das Vergabeverfahren findet unter großer Geheimhaltung statt. Die Mobilfunkanbieter dürfen nicht einmal sagen, ob sie an der Auktion teilnehmen. Die Auktion war ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplant, wurde wegen des Coronavirus-Ausbruchs in Österreich aber verschoben. Das Mindestgebot wurde gegenüber dem ursprünglichen Plan um 55 Mio. auf 239,3 Mio. Euro gesenkt und die Laufzeiten der Lizenzen auf 25 Jahre erhöht. Bei der ersten 5G-Vergabe im März 2019 waren Lizenzen für 188 Mio. Euro versteigert worden. A1 zahlte 64 Mio. Euro, T-Mobile (jetzt Magenta) 57 Mio. Euro und Drei 52 Mio. Euro.
Neue Möglichkeiten für die Wirtschaft
5G ist aber nicht nur einfach die nächste Generation des Mobilfunks, sondern soll die Wirtschaft radikal beeinflussen. Bisher nicht gekannte Geschwindigkeiten und extrem kurze Latenzzeiten unter einer Millisekunde werden Anwendungen in Echtzeit ermöglichen, auch über grosse Distanzen hinweg und in unterschiedlichsten Branchen. Gleichzeitig ermöglicht die Technik Datenraten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde. Das ist mindestens die zehnfache Spitzenleistung des bisherigen 4G-Standards. Die Basis dafür sind die intelligente Nutzung riesiger Informationsmengen, die Steuerung von Maschinen, aber auch Augmented und Virtual Reality. Weltweit ist bereits ein Wettrennen um die Technik entstanden. Vor allem China, Südkorea und Japan, aber auch die USA haben 5G zu einer zentralen Technologie für die Wirtschaft der Zukunft erklärt. Gleichzeitig ringen verschiedene Firmen um die Technologieführerschaft bei 5G. Vor allem der Konzern Huawei auf China ist in der Entwicklung sehr weit. Die USA werfen der Firma jedoch vor, Cyberspionage für die chinesische Regierung zu betreiben und haben andere Staaten dazu aufgerufen, Huawei-Technik nicht für den 5G-Ausbau zu verwenden.
Die 5G-Technik ist aber noch nicht final entwickelt. Das Gremium 3GPP (3rd Generation Partnership Project) in dem Mobilfunkunternehmen zusammengeschlossen sind, legt die Details des Standards fest. Viele Funktionen sind bereits definiert, andere Merkmale werden erst in den nächsten Jahren finalisiert. Erst wenn die Details feststehen, können Netzausrüster wie Huawei, Ericsson oder Nokia entsprechende Produkte für den Massenmarkt entwickeln.
Die heimischen Mobilfunkbetreiber sehen 5G und die damit verbundenen hohen Investitionen als wichtigen Schritt in die digitale Zukunft. »Mit unseren Investitionen in den Standort und dem 5Giganetz legen wir den nächsten Grundstein für die digitale Zukunft des Landes. Mit 5G können durch smarte Technologie, innovative Produkte und Services mit echtem Mehrwert entwickelt und damit digitale Potenziale erfolgreich in Geschäftsergebnisse umgesetzt werden«, sagt etwa A1-Österreich-CEO Marcus Grausam. Alle drei heimischen Mobilfunkanbieter A1, Magenta und Drei haben die ersten 5G-Stationen bereits in Betrieb genommen. »Die Corona-Krise hat deutlich gezeigt, dass der Bedarf nach einer rascheren Digitalisierung Österreichs groß ist. Der 5G Turbo ist unser Beitrag zur digitalen Zukunft Österreichs«, so auch Andreas Bierwirth, CEO von Magenta Telekom.
Die Reaktionszeiten im 5G-Netz ermöglichen innovative Anwendungen für die Smart Factory und das Industrial IoT. Vernetzte Maschinen und Sensoren kommunizieren selbstständig miteinander, mobile Roboter werden aus der Ferne gesteuert. In der industriellen Fertigung lassen sich so Maschinenlaufzeiten optimieren und Ausfallzeiten reduzieren, Tracking-Sensoren revolutionieren die Logistik. Dazu kommen Bereiche wie Connected Car, Remote Healthcare und Landwirtschaft 4.0. Bandbreite und Latenz von 5G bringen Augmented Reality voran und verhelfen Connected Work zum Durchbruch. Auch in Österreich gibt es Beispiele für 5G-Anwendungen. A1 bietet mit dem A1 Connected Worker eine eine Assisted-Reality-Lösung für Geschäftskunden an, die Mitarbeiter durch den Einsatz moderner Datenbrillen miteinander vernetzt. Zielsetzung ist es, die Mitarbeiter in Wartung und Service, bei Montagen, in der Produktion oder in der Materialwirtschaft zu vernetzen. A1 stellt dafür Netz-Infrastruktur, Rechenzentrumsdienstleistungen sowie die technologischen Schnittstellen und Connectivity über LTE, 5G und WLAN zur Verfügung.
Die LINZ AG hat mit ihrer Tochter LIWEST das laut eigenen Angaben erste 5G-Stand-Alone-Netzwerk in Österreich und das erste kommerziell einsetzbare 5G-Kernnetzwerk in Europa vorgestellt. Als erster Use Case des Projekts wurde ein Gesundheitsroboter präsentiert, der im Seniorenzentrum Spallerhof in Linz im Foyer nicht nur die Besucher begrüßen kann, sondern auch ihre Körpertemperatur misst und höflich auf die bestehende Maskenpflicht hinweist, falls ein Besucher vergessen hat, beim Eintreten die Maske aufzusetzen. Technologiepartner ist Huawei. »Huawei hat bereits mehr als vier Milliarden US-Dollar in die Entwicklung von 5G investiert und heute sind wir Weltmarktführer in diesem Bereich«, so Jackie Zhang, CEO von Huawei Technologies Austria.
Campus-Netzwerke als Motor für die Industrie
Ein wichtiger Teil in der Industrie sind Campus-Netzwerke, also die begrenzte drahtlose Vernetzung von Produktionsstätten durch den Ausbau von Mobilfunkinfrastruktur. Hiermit können zum Beispiel Maschinen aus der Ferne gewartet oder notwendige Änderungen im Produktionsprozess online vorgenommen werden. Solche Netze kann ein TK-Provider als Service bereitstellen, die Unternehmen können sie für eine grundstücksbezogene Nutzung aber auch selbst betreiben. 5G-Technologie bietet dafür viele der erforderlichen Eigenschaften wie extrem hohe Bandbreite, kurze Latenzen und eine verbesserte Verfügbarkeit.
Ein Thema, das bei 5G ebenfalls in eine neue Dimension gehoben wird ist die Security: Experten prangern an, dass viele Sicherheits-Features bei 5G nur optional sind. Zudem seien die Standards zu komplex, um sie sicher zu implementieren. Wenn die 5G-Einführung Fahrt aufnehme, müssten die Anwender allein aufgrund der Neuartigkeit der Technik mit vielen Schwachstellen rechnen. 5G wird der Wirtschaft neue Möglichkeiten eröffnen, aber wie bei jeder neuen Technologie müssen auch viel Hürden überwunden werden.
Be the first to comment