Die österreichische AI Factory soll ein zentrales Element zur Umsetzung der nationalen KI-Strategie bilden. Sie schafft eine praxisnahe Infrastruktur für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, fördert den Technologietransfer und stärkt die Rolle Österreichs in der europäischen KI-Landschaft. [...]
Mit einem Fördervolumen von rund 80 Millionen Euro entsteht gerade ein zentraler Innovationsknoten für künstliche Intelligenz, der einen leistungsfähigen Supercomputer mit einem ergänzenden Service Hub für Wissensvermittlung und praktische Unterstützung vereint. Univ.-Prof. Dr. Andreas Kugi, Scientific Director am AIT Austrian Institute of Technology, weist bei der Präsentation auf die Verwechslungsgefahr mit den AI Gigafactories hin, die europaweit an bis zu fünf Standorte gebaut werden sollen und für die sich die Stadt Wien beworben hat. „Der Begriff AI Gigafactory bezeichnet industrielle Großanlagen mit massiver Rechenkapazität zur Entwicklung und Skalierung generativer KI-Modelle, etwa im Petascale- oder Exascale-Bereich“, so Kugi. Die AI Factory hingegen sei als agile, funktionale und organisatorische Einheit konzipiert – eine Art Werkstatt oder Labor. Sie dient der Entwicklung, dem Training und der praktischen Anwendung von KI-Lösungen – vor allem mit Fokus auf Unternehmen, KMU, Startups sowie öffentliche Einrichtungen.
Dabei geht es nicht nur um Rechenleistung, sondern um ein umfassendes Ökosystem: vom Software-Stack über Support-Dienstleistungen, Trainingsangebote und rechtliche Orientierung (z. B. im Bereich Trustworthy AI) bis hin zur konkreten Umsetzung von KI-Innovationen. Ziel sei es, die Brücke zwischen Forschung und industrieller Praxis zu schlagen. Die AI Factory soll dabei als Netzwerk- und Vermittlungsknoten fungieren: Unternehmen erhalten niederschwelligen Zugang zu KI-Knowhow, und komplexe Fragestellungen können gezielt an spezialisierte Forschungseinrichtungen weitervermittelt werden. Bestehende Kompetenzen werden nicht dupliziert, sondern synergetisch eingebunden.
Breites Ökosystem
Das Konsortium hinter der AI Factory wird von Advanced Computing Austria (ACA) geleitet, das auch für wissenschaftliche Supercomputer wie den VSC oder MUSICA verantwortlich zeichnet. Das AIT agiert als Co-Projektlead mit Fokus auf Technologietransfer und industrielle Anwendungsnähe. Beide Institutionen verfügen über umfassende EU-Projekterfahrung, unter anderem im Rahmen von GAIA-X.
Weitere Partner sind führende Forschungs- und Hochschulinstitutionen wie die TU Wien, an der der Supercomputer aufgebaut wird, die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), mehrere große Universitäten sowie INiTS und EOSC.
Laut Andreas Kugi befindet sich das Projekt im Startup-Modus – einige Schlüsselpositionen sind ausgeschrieben und die Besetzung soll noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Ein erstes Highlight ist das Kickoff-Event am 9. September an der TU Wien, das direkt vor den Technology Talks Austria stattfindet. Ab Oktober ist der Beginn der ersten Serviceangebote vorgesehen. Im Januar startet der Startup Accelerator. Bis dahin erfolgt die Beschaffung der Hardware für den geplanten Supercomputer. Nach derzeitiger Planung soll das System im Januar 2027 den Betrieb aufnehmen.
Anwendungsnahe Innovationen
Laut Dr. Mario Drobics, Head of Cooperative Digital Technologies, Projektleiter AI Factory Austria bei AIT wird der Aufbau des Supercomputers mit rund 50 Millionen Euro gefördert – inklusive fünfjähriger Betriebsphase. Da Infrastruktur allein nicht genüge, verfolge die AI Factory konsequent den Ansatz, komplexe Technologie zugänglich zu machen – auch für jene Unternehmen, die keine eigene KI-Abteilung betreiben. Dazu wird ein offener, modular aufgebauter Software-Stack entwickelt, der den gesamten Lebenszyklus von KI-Anwendungen abbildet: von Datenmanagement über Modelltraining und -validierung bis hin zur produktiven Nutzung. Repositorien für vortrainierte Modelle und Datensätze sollen Entwicklungszeiten verkürzen und Einstiegshürden senken – vor allem für Startups und KMU.
Der organisatorische Kern der AI Factory ist der sogenannte Hub – eine zentrale Einheit, die operative Unterstützung, methodisches Knowhow und Innovationsförderung gezielt zusammenführt. Hier entwickelt das Team praxisnahe Trainingsformate, eröffnet einen Coworking-Space für Unternehmen und Startups und bringt mit einem eigenen Accelerator-Programm neue Ideen in die Umsetzung. Gleichzeitig greift der Hub aktiv ethische, regulatorische und sicherheitsrelevante Fragestellungen auf, die mit dem Einsatz von KI verbunden sind, und sorgt dafür, dass verantwortungsvolle Anwendungen von Anfang an mitgedacht werden.
Im Mittelpunkt stehe nicht der Technologieeinsatz um seiner selbst willen, so Mario Drobics, sondern die Förderung anwendungsnaher, skalierbarer Innovation. Die AI Factory konzentriert sich dabei auf Proof-of-Concepts und begleitet Projekte bis zur Übergabe in den operativen Betrieb – etwa zu europäischen Cloud-Anbietern oder zukünftigen AI-Gigafactories.
Rechenzeit schon jetzt
Die Auswahl der ersten Anwendungsfelder orientiert sich an Österreichs Stärken: Biotechnologie in Wien, smarte Fertigung in der Industrie, moderne Verwaltungsprozesse im öffentlichen Sektor und physiknahe Forschung mit KI-Bezug, etwa zur Entwicklung neuer Werkstoffe oder Quantenchips. Alle diese Bereiche vereint der Bedarf an leistungsfähiger Recheninfrastruktur, fundierter Datenbasis und methodischer Unterstützung – genau das will die AI Factory bereitstellen.
Dabei versteht sie sich nicht als Inselprojekt, sondern als Knotenpunkt im europäischen Netzwerk. Sie kooperiert mit anderen AI-Factories, greift auf bestehende EuroHPC-Ressourcen zurück und arbeitet eng mit digitalen Innovationszentren und Forschungseinrichtungen zusammen. Das Ziel: ein lebendiges, offenes Ökosystem, das Innovation nicht nur ermöglicht, sondern aktiv gestaltet.
Last but not least präsentiert Dr. Markus Stöhr, Projektleiter AI Factory Austria bei Advanced Computing Austria, die zu erwartenden Spezifikationen des Supercomputers. Man könne beispielsweise mit einer Größenordnung von rund 120 Petaflops rechnen. Stöhr weist zudem darauf hin, dass bis zum Start Anfang 2027 Unternehmen die Möglichkeit haben, Rechenzeit vom EuroHPC Joint Undertaking schon jetzt zu beantragen – und das free of charge.

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