»Alle 8 Sekunden ein Schaltschrank«

Rittal bündelt Produkte aus den Bereichen Schaltschränke, Stromverteilung, Klimatisierung und IT-Infrastruktur in einer System-Plattform. Ergänzt wir die Hardware durch Software-Tools und weltweiten Service. Kunden bekommen heute alles aus einer Hand. [...]

Andreas Hajek, Österreich-Verkaufsleiter von Rittal: »Edge bedeutet für uns, mit den Ressourcen näher zum Kunden beziehungsweise zum Bedarfsträger zu kommen.« (c) Rittal

Produktionsumgebungen, Telekommunikationsnetze, Stromnetze, Verkehrsströme sowie Transportfahrzeuge in der Logistik – immer mehr Abläufe erzeugen Datenströme in Echtzeit und benötigen daher leistungsfähige IT-Systeme direkt am Punkt der Datenerzeugung. Studien zufolge könnten im Jahr 2019 bereits 40 Prozent der Daten aus dem Internet der Dinge von Edge-IT-Systemen verarbeitet und analysiert werden. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass sich bis 2025 rund 75 Prozent der Daten in Edge Rechenzentren befinden. Grund genug für Rittal, dem Thema breite Aufmerksamkeit zu widmen. Die COMPUTERWELT hat mit dem Österreich-Verkaufsleiter Andreas Hajek über das aktuelle Portfolio des Unternehmens gesprochen.

Rittal ist ja schon seit geraumer Zeit deutlich mehr als »nur« Weltmarktführer bei Schaltschränken. Wie umfangreich ist das Portfolio mittlerweile?
Auch als Familienunternehmen ist es für uns wichtig, dass wir weiterhin wachsen und neue Betätigungsfelder erschließen und geht weit über Schaltschränken hinaus. Für die IT bedeutet das Stromlösungen wie USVs und PSMs, aber der wichtigere Punkt in Zeiten wie diesen ist das Thema Klimatisierung. Hier entwickeln wir mehrere Produktreihen, die wir unseren eigenen Fabriken herstellen. Aus diesen Bausteinen von Racks, Stromverteilung, Klimatisierung, Monitoring- und Management-Tools sowie dem dazugehörenden Service ergibt sich unser Grundportfolio.
Darüber hinaus bieten wir schlüsselfertige Gesamtlösungen an, die aus Modulen bestehen, die sich der Kunde individuell zusammenstellen kann. Das geht von ganz kleinen Lösungen bis hin zu sehr großen Konfigurationen, es steht also die Skalierbarkeit im Vordergrund. Es beginnt bei halbhohen Racks, und reicht bis zu Container-Rechenzentren mit fix ausgebauten Racks inklusive Klimatisierung und Stromabsicherung. Die Anforderungen an diese Infrastrukturen sind immer ähnlich: jede Einhausung ist sowohl vor Hitze, Feuchtigkeit, Brand und Zugriffen geschützt. Wir haben im Endeffekt ein komplettes Portfolio für KMU bis hin zu den großen Hyperscalern. Seit 2017 bieten wir Edge Datacenter in Form von Einzel- und Doppelracklösungen an, die wir auch gemeinsam mit Partner vertreiben.

Rittal beschäftigt sich auch intensiv mit Edge Computing. Was ist der Vorteil für die Kunden und wie kann man den Begriff am besten beschreiben?
Wir waren als einer der ersten Anbieter sehr früh mit dem Thema Edge Computing am Markt präsent und profitieren von dieser Entscheidung und dem Vorsprung zu anderen Anbietern nun sehr stark. Edge bedeutet für uns, mit den Ressourcen näher zum Kunden beziehungsweise zum Bedarfsträger zu kommen. Das soll nicht heißen, dass Cloud tot ist, ganz im Gegenteil. In diesen Edge-Bereichen am Rande der Cloud entstehen einfach immer mehr Daten und immer mehr Bedarf, diese Daten auch zu verarbeiten.

Oft ist die sogenannte Breitband-Infrastruktur aber nicht leistungsfähig genug, um all diese Daten in der erforderlichen Zeit mit möglichst wenig Latenz in diese Cloud-Rechenzentren zu transportieren. Deshalb designed man Edge-Lösungen um beim Kunden vor Ort eine Art Auffangstation für diese Daten zu bilden. Die Daten werden also gleich dort wo sie entstehen gespeichert, vorverarbeitet und reduziert. Reduzierte Daten lassen sich dann auch über schwächere Leitungen schneller transportieren. Gartner etwa prognostiziert, dass in fünf bis sechs Jahren bis zu 75 Prozent der Daten in den Edge-Bereichen liegen. Das ist aber keinesfalls ein Glaubenskrieg Edge oder Cloud. Das Eine kann ohne das Andere schlicht und einfach nicht existieren. Eine Wertschöpfungskette kann nur dann funktionieren, wenn sie durchgängig ist. Die Durchgängigkeit bildet im Endeffekt dann die Cloud.

Rittal bietet den Kunden durch das Bausteinsystem auch die Möglichkeit, schnell und einfach zu skalieren. Ist es in der Praxis tatsächlich so einfach, je nach Bedarf ohne Aufwand und langwierige Implementierung neue Bausteine zu integrieren?
Skalierbarkeit ist für uns wie gesagt ein ganz wichtiges Thema. Früher haben Kunden sofort große Projekte umgesetzt und sind dann sukzessive intern gewachsen. Heute fängt man lieber klein an und wächst Schritt für Schritt, Stichwort agile Geschäftsentwicklung. Da hilft uns sehr stark iNNOVO Cloud, eine unserer Schwesterfirmen, welche als rein deutscher Cloud-Anbieter Geschäftsmodelle wie pay-as-you-grow und XaaS (anything as a service) anbietet.

Das Kerngeschäft sind aber nach wie vor Klimageräte und Schaltschränke, die Rittal ja auch komplett selbst fertigt. Ist das richtig?
Es gibt einzelne Komponenten wie USVs, die wir zukaufen, aber wir sind in Deutschland nach der Automobilindustrie der zweitgrößte Stahlverarbeiter. In einer einzigen Fabrik werden pro Tag bis zu 400 Tonnen Stahl verarbeitet und zwischen 2.500 und 4.000 Schränke produziert. Unsere neue Fabrik in Haiger ist vollautomatisiert, entspricht den neuesten Industrie-4.0-Standards und produziert alle 8 Sekunden einen Schrank. Dabei werden rund elf Terabyte an Daten pro Tag generiert. Um diese Anforderungen zu meistern, verwenden wir dort unsere eigenen Edge-Lösungen und vernetzen sukzessive alle Fabriken in einer Edge-Cloud (German Edge Cloud), damit wir die entsprechende Wertschöpfung aus den gewonnen Daten erzeugen können.

Rittal verspricht den Kunden die Auslieferung einer schlüsselfertigen Lösung quasi als One-Stop-Shop-Lösung innerhalb von 24 Stunden. Wird das von den Kunden angenommen und hat der Digitalisierungsdruck auch das Tempo bei den Kunden erhöht?
Auf jeden Fall. Wir spüren das immer stärker. Ein Nebeneffekt der Digitalisierung und auch der Globalisierung ist, dass die Kunden sehr stark und schnell wachsen. Auch kleine und mittelständische Unternehmen aus Österreich sind heutzutage international vertreten. Wenn der Kunde nicht immer alles aus einer Zentrale abdecken kann, sondern vor Ort in den Niederlassungen im Sinne einer Edge-Lösung arbeiten will, braucht es eine leicht zu managende Lösung an allen Standorten. Diesen Vorteil können wie bieten.
Das ist einfach auch eine Effizienzfrage. Die IT-Abteilung ist nicht mehr so groß wie früher. Mittlerweile wird eine internationale IT-Abteilung von weniger als einer Handvoll Leuten administriert. Da braucht es schlüsselfertige Lösungen, die sofort einsetzbar und weltweit gleich sind. Auch hier ist das Thema Standardisierung, Skalierbarkeit und Modularität maßgeblich. Der Kunde bekommt von uns oder unseren Partnern alles aus einer Hand und das weltweit verfügbar. Das gilt nicht nur für die Hardware, sondern auch für die Services. Ein Beispiel für ein solches Projekt unter hohem Zeitdruck war jenes mit thyssenkrupp steel: hier konnten wir innerhalb von sechs Wochen ein modulares Rechenzentrum in Container-Bauweise realisieren. 


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