Die COMPUTERWELT hat acht Branchen-Experten zum Cloud-Roundtable eingeladen und mit ihnen darüber diskutiert, wie es in der Praxis aussieht, ob wir auf ein Cloud-only-Zeitalter zusteuern und welche Strategien die Anbieter verfolgen. [...]
Österreich hat Cloud-Aufholbedarf
Meir-Huber zeichnet ein etwas düsteres Bild zur heimischen Aufgeschlossenheit gegenüber Cloud: „Das Mindset in Osteuropa ist uns gegenüber um Jahre voraus. Dort wird zum Beispiel im Bankenbereich Cloud schon für interne Dinge eingesetzt, wo unsere Banken sagen: Oh mein Gott, das geht gar nicht. Auch in Skandinavien schaut die Einstellung zu Cloud ganz anders aus als bei uns. Sogar die Schweiz ist schon weiter als wir.“
Martin Winkler sieht es ähnlich: „Es findet ein Umdenken statt, aber teilweise ein sehr langsames, wobei Österreich sich nie als First-Mover-Land ausgezeichnet hat. Die CEO sind inzwischen schon wesentlich offener gegenüber dem Thema, aber ich sehe noch keine großen Transformationsprojekte. Es ist im Moment ein Sich-Beraten-Lassen und jeder überlegt, wie er von seinem Status Quo mit allen Legacy-Problemen in diese neue schöne IT-Welt kommen kann – und das ist keine leichte Aufgabe.“
Auch Jürgen Horak sieht noch eher vorsichtige Zurückhaltung beim Cloud-Thema: „Die Cloud an sich ist ja nicht billig, sondern man muss sich im Endeffekt die Usecases sehr genau ansehen und schauen, womit man dann startet und was man tatsächlich in die Cloud gibt.“ Heute würden sich die Unternehmen aber immerhin schon trauen, tatsächlich ernsthaft über Cloud zu reden und sich die Angebote anzuschauen.
PaaS hat großes Potential
„Als Cloud aufkam, war eine der primären Botschaften: Es wird billiger – und eines der primären Deployment-Modelle war IaaS. Das ist heute definitiv nicht mehr das Thema. Ja, es gibt Optimierungspotenziale, wenn man IaaS anbietet, aber der große Nutzen, von Flexibilität bis Kostenersparnis, liegt sicher bei SaaS“, glaubt Martin Wunderli von Trivadis. »Wenn man individualisieren muss, ist man mit Platform as a Service (PaaS) gut beraten. PaaS wird heute noch vielfach unterschätzt. Wir sind ja auch im Security-Umfeld in der Beratung tätig. Ein moderner Remote-Zugriff bei Applikationen ohne zweifache Authentifizierung ist eigentlich ein Unding. Aber die Zweifach-Authentifizierung mit der eigenen Infrastruktur aufzubauen, ist richtig teuer. Also nehme ich PaaS, klinke das in meine Applikation ein, bezahle zum Beispiel Microsoft sechs Franken pro Monat und User, und habe damit diese Lösung. Dieses Wissen und die Vorgangsweise sind definitiv noch nicht überall angekommen«, sagt Wunderli.
Mario Meir-Huber stimmt zu: „Das kann ich definitiv unterstreichen, dass der PaaS-Layer noch sehr stark unterschätzt wird. Ich merke das auch stark bei Kunden, dass es da noch echte Verständnis-Probleme gibt.“ Ein weiteres Feld für PaaS eröffne sich gerade beim Thema Big Data: „Ich arbeite ja sehr viel im Datenbereich, auch viel mit Hadoop. Im klassischen Bereich sind die Projekte da sehr teuer geworden. In den meisten Fällen brauchen die Kunden nur zu zehn Prozent der Zeit hundert Prozent Leistung. Wenn man das on -premise macht, muss man ständig die gesamte Leistung im eigenen Datacenter abdecken. Dabei ist es heute möglich, genau diese Anforderung mit IaaS und PaaS einfach on-demand runter- und raufzuskalieren«, erklärt der Datenspezialist.
Dazu äußert sich auch Jürgen Horak: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kunden heute und in Zukunft nur noch das bezahlen wollen, was sie auch konsumieren. Und das funktioniert via Cloud sehr gut.“
„PaaS liegt uns sehr am Herzen, das ist definitiv das schwierigste Cloud-Thema. Denn das bedeutet für den Kunden den größten Aufwand, von bestehenden IT-Infrastruktur-Rechenzentren in ein PaaS-Konzept zu gehen“, umreißt Oracle-Chef Martin Winkler die Problematik und führt aus: „SaaS ist so erfolgreich, weil es nicht in der IT entschieden wird, sondern in den Fachabteilungen. Denen gefällt natürlich das Versprechen, dass die Lösung innerhalb von drei Monaten up and running ist.“
Winkler stellt dazu fest: „Alle neuen Anwendungs-Software-Projekte werden zur großen Mehrzahl als Cloud-Service realisiert – die Integration in die Backend-Systeme wird allerdings noch sehr unterschätzt, dazu braucht man dann wieder die IT.“ Das zweite Thema, das sehr stark anzieht, sei IaaS, weil die Leute einfach nicht mehr in eigene Hardware investieren wollen. „Amazon hat das beeindruckend vorgezeigt“, gesteht Winkler dem marktführenden Public-Cloud-Konkurrenten zu.
Fachbereiche lieben SaaS
Gerade im SaaS-Bereich werde die IT allerdings oft ausgeklammert oder sogar bewusst umgangen, viele IT-Entscheidungen fallen nicht mehr in der IT, betont Elisabetta Castiglioni: „Wer entscheidet über SaaS? Es sind die Fachbereiche, die jetzt und in Zukunft sehr viel entscheiden. Wir müssen den Kunden aber auch helfen, die neuen Geschäftsbereiche wie IoT zu realisieren.“ Sie nennt auch ein Beispiel: „Bei Porr haben wir für Asset Management und Predictive Maintainance eine Cloud-Lösung entwickelt, um letztlich eine Produktivitätssteigerung zu ermöglichen. Das sind Themen, die man über die Cloud viel besser anbieten kann; wir sehen daher Cloud als wichtigen Enabler für IoT.“
Zu den Fachbereichen hat SAP-Manager David Hable eine wichtige Ergänzung: „Wir verkaufen nicht Cloud an die Fachbereiche, sondern wir verkaufen ihnen Lösungen.“ Das sei letztlich entscheidend: Der Nutzen müsse im Vordergrund stehen, die Technologie sei den Fachbereichen nämlich egal. Ob Vertrieb, Marketing oder Controlling: Sie alle wünschen sich, einfach zu bedienende, funktionale Applikationen zu haben, mit denen sie genau ihre Anforderungen und Aufgaben rasch umsetzen können. „Wenn das die Cloud bzw. eine SaaS-Lösung leisten kann – dann hat sie die Fachabteilungen für sich gewonnen.“ Langfristig vernünftige Lösungen entstehen allerdings nur dann, wenn die hauseigene IT miteinbezogen wird.
FAZIT
Fazit des COMPUTERWELT Cloud-Roundtables: Die Nutzung der Cloud ist keine Frage des „ob“, sondern eigentlich auch in Österreich nur mehr eine Frage des „wann und wie“. Anders gesagt geht es jetzt für alle Unternehmen darum, sich mit der Cloud-Thematik intensiv zu befassen, ihren für ihre individuellen Bedürfnisse passenden Einstieg in die Cloud zu definieren, vorhandene Angebote zu evaluieren und dort, wo es tatsächlich Sinn macht, auch rasch Projekte umzusetzen.
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