Ende August verlagert sich das politische, wirtschaftliche und intellektuelle Geschehen nach Tirol zum Forum Alpbach. Immer mehr zieht sich dabei das Thema Digitalisierung – und damit verbunden Cybersecurity – wie ein roter Faden durch alle Gespräche. [...]
Freiheit und Sicherheit: unter diesem Motto fand heuer das traditionelle Forum Alpbach statt. Rund 5.000 Teilnehmer kamen heuer in den letzten zwei Augustwochen in das kleine Tiroler Bergdorf, das damit hoffnungslos überfüllt ist. Gleich beim Eingang zum Kongresszentrum versuchte die Installation des Südtiroler Künstlers Lois Anvidalfarei die Spannung zwischen diesen Begriffen mit Bronzefiguren zu visualisieren: Je nach Betrachtung waren die Personen somit im Gerüst eingesperrt oder konnten Schutz und Sicherheit suchen/finden. Das Bewusstsein für IT-Security ist im Zeitalter von IoT, Vernetzung und Einbindung von Maschinen und Dingen, Artificial Intelligence sowie massiver Daten-Nutzung und -Auswertung in den Köpfen von Wirtschaftstreibenden und Wissenschaftlern angekommen.
Eugene Kaspersky als Stargast
Dass die Bedeutung hoch ist, zeigt auch, dass zu den in Alpbach nach wie vor dominierenden Wirtschaftsgesprächen mit 1.500 Teilnehmern heuer Eugene Kaspersky (eigentlich Jewgeni Walentinowitsch Kasperski) als Stargast eingeladen war. Kaspersky hat 1997 das gleichnamige IT-Security-Unternehmen gegründet und bekam in Aplbach viel Redezeit: Als Teilnehmer eines Diskussionspanels mit Publikumsbeteiligung zum Thema »Der Spion in Ihrer Tasche, den Sie lieben«, in dem es um das Sicherheitsrisiko Smartphone ging, das wir permanent mit uns herumtragen, sowie als Gesprächspartner von US-Autorin Julia Kirby auf der Hauptbühne.
Bedrohungslage nimmt zu
Dabei zeichnete der 53-jährige russische Security-Unternehmer ein ziemliches düsteres Bild der aktuellen und künftigen Bedrohungslage. »Die Professionalisierung der Angriffe nimmt weiter zu. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es heute und in Zukunft nicht«, stellte Kaspersky trocken fest. Die globale Angriffsflut werde noch zunehmen: »Russisch und Englisch als Muttersprache sowie vereinfachtes Chinesisch: das sind die Sprachen der meisten Cyberkriminellen.« Unter anderem das Thema IoT sei heute verantwortlich für das ansteigende Sicherheitsrisiko: »Autos, Flugzeuge, Maschinen: alles wird via IoT vernetzt, das vergrößert die Gefahr immens.« Es sei daher kein Wunder, dass die Cyberkriminalität stark zunehme. »Es ist daher sehr wichtig, von Anfang an im Unternehmen Security mitzudenken«, empfiehlt der Experte. Man müsse es für Cyberkriminelle möglichst schwierig, aufwendig und teuer machen, um deren erfolgreiches Agieren zu verhindern.
IT-Security zum Lachen
Dass das Smartphone einiges über seinen Besitzer verrät, aber auch tatsächlich »Spion in der Tasche« ist, nahm Tobias Schrödel von Comedy Hackers als Aufhänger, um die Forums-Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf lustige Art und Weise darüber aufzuklären. Schrödel schafft es tatsächlich, technische Sicherheitslücken für jedermann verständlich und ausgesprochen humorvoll rüberzubringen. Man merkt: der Informatiker und langjährige Consultant bei der Deutschen Telekom weiß, wovon er spricht. Er zeigte auf, dass Ortungsdaten sehr viel über uns verraten, oder jedes via Smartphone versandte Foto etwa auch beinhaltet, wann und wo das Foto aufgenommen wurde.
Die ernstere Dimension von IT-Security wurde dann von Eugene Kaspersky, Autorin Maria Farrell sowie Andreas Bierwirth, CEO von Magenta Telekom, beigesteuert. Auch der neue Mobilfunkstandard 5G und IoT sorge für eine Vergrößerung des Cyber-Risikos und erhöhe die Bedrohungslage, wurde festgestellt.
5G-Technologie mit Security-Risiko
In dem Zusammenhang nützten beide großen Mobilfunkanbieter, A1 und Magenta, das Forum Alpbach, um den neuen 5G-Standard medienwirksam zu präsentieren. Während A1 erstmals 8k-Videostreaming über das 5G-Netz in Alpbach zeigte, präsentierte Magenta den ersten 5G-Videocall. Magenta-CEO Andreas Bierwirth rief dabei vor Ort Magenta-Business-Chefin Maria Zesch an. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass durch die Komplexität von 5G die Angriffsfläche für Cyberattacken vergrößert wird, warnen IT-Security Experten.
»Wie Daten das Schicksal von Staaten, Unternehmen und Menschen bestimmen«: Auch bei dieser Breakout Session mit Markus Kaiser, Geschäftsführer Bundesrechenzentrum (BRZ), Florian Marcus vom e-Estonia Briefing Center in Tallin, Karl Pall, langjähriger Google-Manager sowie Faith Keza, CEO der E-Government Plattform Irembo aus Kigali/Ruanda kam sehr schnell das Gespräch auf IT-Security. Immer mehr Daten werden gesammelt, müssen gespeichert, analysiert und aufbereitet werden. Hier spiele auch der menschliche Faktor bzw. der Umgang mit den Daten eine große Rolle. Auch die Speicherung, Verteilung und Bearbeitung sensibler Daten (Gesundheitswesen, Finanzbereich) stelle eine große Herausforderung dar.
Was wollen wir überhaupt von künstlicher Intelligenz (KI)? Auf der einen Seite kann die KI-Technologie mit Bilderkennung und Machine Learning bereits vielfach Menschen gut unterstützen. Die Möglichkeiten, die sich mit KI in Zukunft eröffnen, sind einerseits großartig, andererseits auch erschreckend. Die große Sorge: Vernichtet KI Arbeitsplätze? Es braucht daher Spielregeln, um sicherzustellen, dass der Einsatz von KI stets zum Wohle der Menschheit stattfindet. Dazu gehört auch, dass auf Datensicherheit und Datenschutz geachtet wird.
KI, Ethik und IT-Security
Genau dazu diskutierten in einer von Microsoft initiierten Breakout Session Matthias Strolz, ehemaliger Parteichef der NEOS und heute Portfolio-Entrepreneur, Andreas Ludwig, Vorstandsvorsitzender der Umdasch Group AG, Bernd-Carsten Stahl, Professor an der De Montfort University (UK) und Leiter des Centre für Computing & Social Responsibility und Dorothee Ritz, Chefin bei Microsoft Österreich. Ritz: »Aus wirtschaftlicher Sicht ist AI ein Wachstumstreiber ersten Ranges, bei der Entwicklung neuer AI-Technologien muss der Fokus jedoch ganz klar auf dem ethischen Umgang sowie auf der Demokratisierung der entwickelten Technologien liegen.«
Scheitert Europa an Nationalismus?
Accenture wiederum lud zur Breakout-Session mit dem ehemaligen deutschen Minister (Wirtschaft, Verteidigung) Karl-Theodor zu Guttenberg, Ex-Minister Gernot Blümel, Michaela Huber, Vorstand bei der ÖBB Personenverkehr AG, A1-CEO Thomas Arnoldner und Accenture-Österreich-Chef Michael Zettel. Im Zentrum des Talks: Die Digitalisierung als Zeitalter der unbegrenzten Möglichkeiten – neue Geschäftsfelder, neue Weichenstellungen für alte und neue Player, verbunden mit der Frage: Wie verwundbar ist unsere Wirtschaft? Dabei wurde auch das Publikum mittels Online-Umfrage in Echtzeit zum »wundesten Punkt Europas befragt«. Am meisten genannte Antworten des Publikums: Nationalismus und Uneinigkeit. Fazit dieser Runde: Wir sollten in Europa noch mehr Mut beweisen und Dinge einfach anpacken. Guttenberg brachte den finalen Optimismus auf den Punkt: »Wir können und dürfen in Europa selbstbewusst sein.«
IT-Security im Gesundheitswesen
Auch bei den Gesundheitsgesprächen in Alpbach wenige Tage zuvor waren Digitalisierung, E-Health und IT-Security immer wieder wichtige Themen. »Adaptive Intelligence – Arzt: Freund oder Feind«: Über dieses Thema diskutierte eine hochkarätige Runde unter Leitung von COMPUTERWELT-Redakteurin Christine Wahlmüller. Gerade auch hier spielen Cybersecurity, Verfügbarkeit und Verlässlichkeit eine große Rolle. Es diskutierten Robert Körbler, CEO Philips Austria, Peter Klimek, Complexity Science Hub MedUni Wien, Klaus Markstaller, Leiter Anästhesie und Intensivmedizin MedUni Wien, Hans Aubauer, Generaldirektor SVA/SVS sowie Hannes Raffaseder, FH St.Pölten. Fazit hier: Es geht um einen verantwortungsvollen und sicheren Umgang mit den Daten. Aber je mehr Daten in guter Qualität zur Verfügung stehen, desto besser sind Ärzte der Zukunft gerüstet, um mit Unterstützung von künstlicher oder adaptiver Intelligenz Krankheiten zu diagnostizieren, rasch zu erkennen (z. B. Krebs) oder in der Notfallmedizin rasche Entscheidungen zu fällen.
2020 feiert das Europäische Forum Alpbach übrigens sein 75-jähriges Bestehen und wird dabei von 19. August bis 4. September unter dem Titel »Fundamentals« abgehalten. Mehr dazu finden Interessierte unter https://www.alpbach.org.
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