Unternehmen fehlen junge Techniker während sie ältere eher scheuen. Doch diese wären am Markt einfacher verfügbar. [...]
Der Arbeitsmarkt verhält sich paradox: Nach wie vor herrscht Technikermangel, obwohl in der Wirtschaftskrise auch Techniker gekündigt wurden. Walter Hanus, CEO von IVM, erklärt den Widerspruch aus dem Verhalten der Industrie. Verfügbar wären ältere Fachkräfte, doch die Industrie will unbedingt junge.
„Trotz Technikermangel gibt es eigentlich viele Ingenieure, die Arbeit suchen, aber sie sind über 50 Jahre alt“, meinte Hanus bei einem Personal-Kongress in Salzburg. „Das Problem liegt einzig darin, dass die Industrie ältere Techniker nicht beschäftigen will. Wenn wir dieses Vorurteil überwinden können, ist beiden Seiten geholfen. Die Unternehmen finden das nötige Personal und die Arbeitssuchenden finden einen Job.“ Im Gespräch mit der COMPUTERWELT ergänzt er: „Ältere Arbeitnehmer verfügen über Erfahrung und Menschenkenntnis. Das klingt selbstverständlich, aber dieses Wissen ist tatsächlich sehr viel wert. Fachliches Know-how kann man in einigen Jahren Ausbildung erlernen. Den guten Umgang mit anderen Menschen zu lernen, dauert Jahrzehnte.“
Hanus kennt das Problem aus eigener Erfahrung. IVM unterstützt die Industrie bei technischen Projekten mit Spezialisten, die in vielfältigen Projekten vor Ort arbeiten. „Wir würden gerne mehr ältere Techniker einstellen, aber sie werden von den Industriebetrieben kaum akzeptiert. Das muss sich ändern.“ Eine Hürde ist das traditionelle Senioritätsprinzip. Die Unternehmen scheuen sich, einen älteren Mitarbeiter einem jüngeren Gruppenleiter zu unterstellen. In der Praxis funktioniere das heutzutage aber durchaus.
Ein weiteres Hindernis liegt darin, dass das Know-how in technischen Berufen rasch überholt ist, was gerade die älteren Semester besonders trifft. Als Gegenmaßnahme schlägt Hanus vor, mehr Weiterbildungen speziell für Ingenieure über Fünfzig anzubieten. „Ältere Fachleute lernen anders als Schulabgänger.“ Auch gezielte Förderungen könnten helfen, altgediente Profis als Arbeitnehmer wieder attraktiv zu machen. Motto: Besser die Anstellung fördern als Arbeitslosengeld zahlen. Denn unterm Strich bleiben die Ausgaben für die öffentliche Hand dieselbe.
Diversifizierte Teams bringen schließlich Vorteile, sagt Hanus: „Der größte Vorteil besteht darin, dass die Jungen von den Alten lernen. Ältere Techniker freuen sich, wenn sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben können.“ Eine Schwierigkeit bestehe allerdings manchmal darin, dass es noch ungewohnt sei, wenn man einem jungen Team-Leader einen älteren Mitarbeiter unterordnet. „Sobald sich die erste Befangenheit gelöst hat, arbeiten die Leute aber sehr gut zusammen“, so Hanus.
BEHARRLICH SEIN
Unternehmen von den Vorteilen älterer Arbeitnehmer zu überzeugen könne so funktionieren wie beim Thema Frauen in der Technik, erklärt der IVM-Geschäftsführer: „Durch öffentliche Kampagnen, durch Förderungen und dadurch, dass man das Thema beharrlich immer wieder ins Bewusstsein rückt. Die Methode zeigt ja Erfolg. Vor zwanzig Jahren gab es nur ganz wenige Frauen in der Technik und sie hatten es nicht leicht. Heutzutage steigt die Anzahl weiblicher Techniker immer mehr und sie sind sehr gefragt.“
Unternehmen würden sich selbst Ziele darin setzen, einen bestimmten Anteil Frauen in der Technik oder im Management zu haben. Genauso könne man es auch beim Thema ältere Arbeitnehmer machen: „Wenn man konsequent mit Kampagnen und Förderungen arbeitet, wird es irgendwann als modern und sozial gelten, eine bestimmte Quote von Mitarbeitern über 55 vorzuweisen. Entsprechende Leitlinien werden Eingang in die Corporate Social Responsibility finden und Unternehmen werden ihr Image dadurch heben, dass sie sich um ältere Mitarbeiter bemühen“, erklärt Hanus abschließend. (mi)
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