Trovarit hat wieder den ERP-Einsatz in der betrieblichen Praxis untersucht. Es gab auch dieses Jahr wieder Lob von den Experten. Ein Thema sorgt jedoch nach wie vor für Ärger: Schwächen bei der mobilen Einsetzbarkeit von ERP-Systemen. [...]
Anlässlich der diesjährigen 9. Auflage der Studie »ERP in der Praxis« sprachen insgesamt gut 2.200 ERP-Anwender ihren ERP-Anbietern und -Systemen großes Lob aus und vergaben sowohl für die Software als auch für die Dienstleistungen eine uneingeschränkte Gesamtnote »Gut«. Der Schwachpunkt unter den Zufriedenheitsaspekten behält wie in den Vorjahren die »mobile Einsetzbarkeit der ERP-Software«. Ähnlich schwach schneidet auch die Dokumentation der Software sowie die Anpassungsdokumentation ab.
Die Ergebnisse der Studie zeigen aber vor allem, dass viele Unternehmen den Aufwand und die Belastungen durch eine ERP-Einführung immer noch unterschätzen: Bei den untersuchten ERP-Projekten wurde die »Datenmigration« mit Abstand am häufigsten als Problem genannt (36 Prozent der ERP-Projekte). Die Herausforderung der Datenmigration ist insbesondere den ERP-Anwendern im Vorfeld einer ERP-Einführung überhaupt nicht gegenwärtig. Und die Software-Anbieter thematisieren diese Aufgabe vor Projektstart meist auch nicht übermäßig, um nicht zusätzliche Hürden für die Auftragsvergabe zu erzeugen. Im Projektverlauf treten dann für die Datenmigration sehr oft ungeplante Aufwände zutage, die die Problematik eines »Knappen Zeitplans« (25 Prozent) in Verbindung mit »Ressourcen-Engpässen beim Anwender« (19 Prozent) noch verschärfen.
Digitalisierung und Mobilität als Herausforderungen
»Mit Themen wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder künstliche Intelligenz befindet sich der ERP-Markt derzeit in einer sehr starken Umbruchphase«, sagt Markus Haller, Vorstand der Asseco Solutions. Die vernetzte Technik eröffne Anwendern völlig neue, ungeahnte Möglichkeiten, ihre Effizienz und Produktivität zu steigern. Doch dafür sei auch eine stabile, solide ERP-Basis unerlässlich. Die Studie zeigt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anwenderzufriedenheit und dem Nutzen einer ERP-Lösung für den Anwender besteht. Daher stelle auch die Anwenderzufriedenheit eine zentrale Mess- und Steuerungsgröße sowohl für ERP-Anwender als auch für ERP-Anbieter dar: Aus Anwendersicht repräsentiere sie einen wichtigen Indikator für den Nutzen und auch die Wirtschaftlichkeit des ERP-Einsatzes.
Insgesamt gaben die Anwender den ERP-Systemen wie auch den Softwarepartnern gute Noten. Im Vergleich zu 2016 hätten die meisten Systeme ihre bereits positiven Ergebnisse weitgehend bestätigen können. Alle Systeme erhielten gute Noten für die Aspekte »Funktionalität« und »Stabilität des Systems«, das »Engagement« und der »Support des Implementierungspartners« im Projekt sowie die »Erreichung der Projektziele«. Wie in den Jahren zuvor gab es aber auch 2018 wieder deutliche Kritik. Nach wie vor monieren die Anwender Schwächen bei der mobilen Einsetzbarkeit von ERP-Systemen – auch wenn sich in der diesjährigen Umfrage zumindest eine leichte Verbesserung abzuzeichnen scheint. Die aktuell im Einsatz befindlichen ERP-Lösungen täten sich schwer, wenn es beim ERP-Einsatz heißt »zu jeder Zeit, an jedem Ort und über jedes Endgerät«, schreiben die Studienautoren. Eine erforderliche Umstellung von ERP-Software auf eine App-artige Nutzungscharakteristik bringe offenbar eine Vielzahl technologischer Herausforderungen mit sich – Plattformunabhängigkeit, kontext-sensitive Benutzeroberfläche, Use Case-spezifische »Applifizierung« umfassender Business Software-Lösungen, so die Studienautoren.
Schwachstellen bleiben Schwachstellen
Weiter Anlass zur Kritik bietet auch der Aspekt »Dokumentation der ERP-Systeme«. Da die Lösungen umfassender und ihre Bedienung damit anspruchsvoller würden, stiegen in der Folge auch die Anforderungen an die technische Dokumentation sowie die Schulung der Endanwender, konstatiert Trovarit. Gleichzeitig erhöhten sich Innovationsfrequenz und -umfang seitens der Anbieter. Der Schulungs- und Informationsbedarf wachse dadurch insgesamt deutlich. Probleme bereiten ferner die »Internationale Einsetzbarkeit« der ERP-Software sowie deren Möglichkeiten im Hinblick auf »Formulare & Auswertungen«. Luft nach oben bietet auch der Service der ERP-Anbieter, insbesondere wenn es um deren »Schulungs- & Informationsangebot«, die »Beratung zur Optimierung des Software-Einsatzes« sowie die »Schnelligkeit des Supports« geht. Und schließlich werden »Personalaufwand« und »Budgettreue« von ERP-Projekten relativ kritisch beurteilt.
Gefragt nach dem ERP-Nutzen führen die Anwender an erster Stelle die Beschleunigung und Vereinfachung von Unternehmensprozessen (64 Prozent) ins Feld. Darüber hinaus machen sich die Systeme vor allem im Handling von Informationen nützlich. 53 Prozent der Umfrageteilnehmer betonen eine einfache und schnelle Bereitstellung von Informationen, 43 Prozent sagen, das ERP helfe weiterführende Informationen bereitzustellen, und 42 Prozent verwiesen auf den Nutzen durch die Rückverfolgbarkeit von Informationen. Einen signifikanten Beitrag des ERP bei der Automatisierung von Prozessen sieht dagegen mit 36 Prozent nur gut ein Drittel der Befragten. Schlecht kommt an dieser Stelle auch die standort- beziehungswiese länderübergreifende Zusammenarbeit weg, für die nur gut jeder siebte eine Unterstützung durch das ERP identifizieren kann.
ERP als Drehscheibe
Wie im Jahr 2016 rangieren Themen wie »Daten-/Informationssicherheit«, die Einhaltung und Unterstützung rechtlicher Vorgaben sowie die »Usability / Software-Ergonomie« ganz oben bei den wichtigen ERP-Trends. Mit 42 Prozent neu in der Spitzengruppe ist das »Datenmanagement«, das Trovarit 2018 erstmals abgefragt hat. Im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zugelegt hat der Stellenwert des »Cloud Computing« (34,4 Prozent) – 2016 waren es neun Prozent.
Die Trovarit-Analysten sehen zudem eine hohe Bedeutung bei den Themen »Datensicherheit« und »Datenmanagements«. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung stiegen die Anforderungen an den Datenschutz deutlich. Damit einher gingen auch deutlich steigende Anforderungen an das Datenmanagement. Dieses etabliere sich zunehmend als zentrale Querschnittsaufgabe. Ein Blick auf die Zahlen der Umfrage aus dem Jahr 2016 zeigt aber auch, dass die grundsätzliche Bedeutung des ERP-Systems für Anliegen wie die Daten- und Informationssicherheit schwindet. Vor zwei Jahren nannten noch 81 Prozent der Befragten diesen Aspekt als wichtigen ERP-Trend. Themen wie Blockchain oder Big Data werden gerade einmal von rund 30 Prozent der Anwender als wichtiger ERP-Trend bezeichnet. Industrie 4.0, 2016 noch auf Rang sieben der wichtigsten Trends, taucht im diesjährigen Ranking gar nicht mehr unter den Top ten auf.
Dennoch kommen die Studienautoren zu dem Schluss, dass ERP nach wie vor eine zentrale Rolle in der IT-Strategie vieler Unternehmen spielt. Der Fokus dürfte allerdings in erste Linie darauf liegen, einen stabilen und verlässlichen Betrieb der Kernsysteme sicherzustellen – und das so effizient wie möglich. Themen für die digitale Transformation vieler Betriebe wie beispielsweise künstliche Intelligenz/Machine Learning oder Robotic Process Automation (RPA) rücken stattdessen ins Rampenlicht, berühren das ERP aber nur noch am Rande – in erster Linie wenn es um das Abfragen und Weiterleiten von Daten und Informationen geht.
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