Stefan Harasek übernahm am 1. Dezember 2023 die Leitung des Österreichischen Patentamtes, nachdem er bereits seit Juli 2023 als interimistischer Präsident fungierte. ITWELT.at hat Stefan Harasek gefragt, wie es um die Innovationskraft in Österreich bestellt ist und welche Schwerpunkte er 2024 setzen will. [...]
Wie beurteilen Sie die Innovationskraft österreichischer Unternehmen und Erfinder im europäischen Vergleich?
Die Österreicherinnen und Österreicher lieben es zu erfinden, das sagt uns zum Beispiel das European Innovation Scoreboard. Da liegen wir 2023 EU-weit an sechster Stelle und führen die Gruppe der sogenannten Strong Innovators an. Auch wenn es um die Zahl der angemeldeten Patente gemessen an der Bevölkerung geht, sind wir EU-weit – und weltweit – ganz vorne mit dabei: 2022 haben Österreicher:innen weltweit 10.816 Patente angemeldet. Gemessen an der Bevölkerung liegen wir damit global auf Platz 11 und innerhalb der EU27 auf Platz 6. Das ist erfreulich und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die großen Unternehmen, die Patentprofis, wissen um den Wert des Patentschutzes Bescheid, bei den jungen Unternehmen, bei innovativen Start-ups und kleinen Firmen, ist aber zum Teil das Bewusstsein für die Bedeutung von geistigem Eigentum – wie eben Patenten, Marken und Designs – noch nicht ganz so ausgeprägt. Die haben großartige Ideen, vernachlässigen aber manchmal deren Schutz. Da müssen wir noch nachschärfen.
Welche Schwerpunkte und Zielsetzungen haben Sie sich als Präsident des Österreichischen Patentamts für das Jahr 2024 vorgenommen?
Unsere wichtigste Zielgruppe sind junge und/oder kleine Unternehmen. Für sie bieten wir spezielle Serviceleistungen an. Wie z.B discover.ip: Damit helfen wir, herauszufinden, wie man sein geistiges Eigentum – sein Intellectual Property – am besten schützen kann, z.B. wie eine gute IP-Strategie die Möglichkeiten der verschiedenen Schutzrechte optimal kombiniert. Für KMU – also Unternehmen bis 249 Mitarbeiter :innen – ist discover.ip kostenlos.
Zurzeit sind wir auch in Ausarbeitung eines ganz neuen Service: Lex Checks. Es soll die Möglichkeiten aufzeigen, die bei rechtlichen Problemen bestehen, beispielsweise wenn plötzlich ein Brief eines Anwalts hereinflattert, in dem der Vorwurf erhoben wird, mit einem Produkt ein Schutzrecht anderer zu verletzen. Oder wenn ich umgekehrt mein Patent gegenüber jemand anderem durchsetzen möchte. Solche Situationen können schnell zum Showstopper werden, gerade wenn das Gegenüber ein großer Konzern ist. Mit Lex Checks wollen wir in solchen Fällen unkompliziert „erste Hilfe“ leisten, indem wir zeigen, dass es nicht immer gleich auf einen aufwändigen und teuren Gerichtsprozess hinausläuft.
Wie kann das Österreichische Patentamt dazu beitragen, die Innovationskraft in Österreich anzukurbeln?
Ich denke, es ist wichtig, mit jungen innovativen Unternehmen auf Augenhöhe zu kommunizieren und Ihnen da zu helfen, wo sie es am meisten brauchen: Bei Zeit und Geld. Das Österreichische Patentamt bietet viele Möglichkeiten, schnell und günstig in den gewerblichen Rechtsschutz einzusteigen.
Gemeinsam mit der Forschungsförderunsgesellschaft (FFG) zum Beispiel bieten wir den Patent.Scheck an. Dabei fördert die FFG mit bis zu 10.000 Euro die Patentierungskosten für eine Erfindung – von der Ausarbeitung der Anmeldeunterlagen über Gebühren für die Anmeldung bis hin zur Vertretung z. B. durch eine Patentanwältin oder einen Patentanwalt. Im Rahmen eines Beratungsgesprächs und einer von der Patent.Scheck-Förderung umfassten Recherche identifizieren wir dabei noch vor der Anmeldung, wie der Stand der Technik zu diesem konkreten Projekt aussieht und ob ein Patent in Frage kommt bzw. Patentschutz am besten eingesetzt werden kann. Damit kann die FFG die Fördermittel zielgerichtet einsetzen und die Anmeldungen konzentrieren sich von vornherein auf die aussichtsreichsten Aspekte.
Und wenn es ganz schnell gehen muss, haben wir die provisorische Patentanmeldung im Programm. Die kostet nur 50 Euro und bietet den besonderen Vorteil, dass die Unterlagen zur Anmeldung noch nicht formal vollends ausgearbeitet sein müssen. Der Erfinder oder die Erfinderin hat Zeit, sich mit Produkt und Perspektiven auseinanderzusetzen, und genießt dennoch einen gewissen Schutz. Das ist etwa für Startups wichtig, da sie zwar vielleicht eine gute Idee haben, diese aber auch erst einmal mit vielen anderen, etwa Investoren teilen müssen. Und was viele nicht wissen: Ist eine technische Erfindung, zum Beispiel bei einem Pitch oder einer Messe publik gemacht, ist ein Patent nicht mehr möglich, und die Erfindung nur mehr schwer zu schützen.
Wie hoch ist der Frauenanteil bei Österreichs Erfindern?
Laut einer Studie des Europäischen Patentamtes bildet Österreich mit einem Frauenanteil von nur 8 Prozent das Schlusslicht in Europa. Das ist eine erschreckend geringe Zahl, die wir so nicht hinnehmen können. Wir haben deshalb als Patentamt ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das wir Schritt für Schritt umsetzen. So bieten wir seit kurzem ein neues Serviceangebot für Erfinderinnen an. Mit dem „Buddy for her“ steht allen kreativen Frauen, die das möchten, von Beginn an eine weibliche Beraterin zur Verfügung.
Was bedeutet das verstärkte Eindringen von KI– auch auf dem Gebiet der Innovationen – für das Österreichische Patentamt?
Vor ein paar Jahren haben wir bei den Technologiegesprächen in Alpbach noch scherzhaft gefragt: Was machen wir, wenn jemand bei uns anklopft und ein Patent oder eine Marke anmelden möchte, die von einem Roboter oder einer KI geschaffen werden oder nur in einer virtuellen Welt bestehen? Damals war das noch reine Fiktion. Inzwischen beschäftigen uns genau solche Fragen: Wie gehen wir mit dem Markenschutz im Metaverse um und kann KI auch als Erfinder agieren? Andererseits sehen wir aber, dass KI-basierte Anwendungen zunehmend nützlich werden für unsere tägliche Arbeit. Da sind wir am Puls der Zeit, schauen uns laufend neue Ideen an und arbeiten in der internationalen IP-Community gemeinsam an neuen Tools.
Seit Juni 2023 ist das europäische Einheitspatent in Kraft. Welche Vorteile bringt es österreichischen Erfinder:innen und wird es bereits genutzt?
Das Einheitspatent hat sich in kürzester Zeit zu einer Erfolgsstory entwickelt. Bis dato wurden bereits über 18.000 Anträge gestellt – rund 500 davon von Österreicher:innen. Mit nur einer Anmeldung, nur einer Gebühr, und nur einer Übersetzung kann man/frau beim Europäischen Patentamt den Schutz in 17 Mitgliedsstaaten der EU erlangen. Als besondere Unterstützung bieten wir KMU zu einer Patentanmeldung bei uns eine kostenlose Recherche vom Europäischen Patentamt an – zusätzlich zu unserer Recherche und Prüfung. Das spart Zeit und gibt Sicherheit. Denn so wissen KMU ohne zusätzliche Kosten und schon bevor sie überhaupt mit ihrer Anmeldung zum EPA weitergehen müssen, wie das EPA und wir die Anmeldung beurteilen und ob ein EP-Patent drinnen ist.
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