Auch kritische Daten in der Cloud

Der gezielte Einsatz von Cloud Computing ermöglicht agilere und flexiblere Infrastrukturen, Effizienzsteigerungen und auf längere Sicht Kosteneinsparungen. Daher setzt auch der weltweit führende Faserhersteller Lenzing AG immer öfter auf Cloud-Lösungen. [...]

Die digitale Transformation ist kein bloßer IT-Trend. Es geht um radikale Änderungen der Geschäftsprozesse, des Umgangs mit Kunden und der Unternehmenskultur über alle Branchen und Märkte hinweg. „In gewisser Weise wird jede Organisation künftig zu einem IT-Unternehmen“, sagt etwa Julia Neuschmid, Senior Research Analyst bei IDC Central Europe, und hebt damit die Bedeutung der Entwicklung hervor. IT-Chefs nehmen dabei naturgemäß eine wichtige Rolle ein. Wie auch Hannes Ruess vom Faserhersteller Lenzing AG, der mit seinem Team aus weltweit rund 90 Mitarbeitern inzwischen in allen Bereichen und an allen Standorten des Unternehmens aktiv mitmischt: „Wir sehen uns nicht nur als Serviceabteilung, sondern denken strategisch mit. Denn als ein global tätiges Unternehmen müssen wir weltweit schnell und flexibel auf die Entwicklungen des Marktes reagieren“, sagt der Head of global IT der Lenzing AG. Ruess sieht seine Aufgabe daher zunehmend darin, global ein Netzwerk von Technik und Prozessen aufzubauen, auf das alle Abteilungen und Standorte in gleichem Maße zugreifen können und das sie bei ihrer täglichen Arbeit bestmöglich unterstützt.

Im Gegensatz zu anderen Unternehmen in Österreich hat die Lenzing AG die Notwendigkeit der Zeit und die neuen Rahmenbedingungen längst erkannt. Ruess ist offen für neue technische Lösungen, auch jene aus der Wolke, doch er will auch nicht mit allem und jedem in die Cloud springen: „Wir schauen uns sowohl den Anbieter von Cloud-Services als auch die konkrete Lösung sehr genau an.“ Der Lenzing-CIO sucht stets nach der optimalen Lösung, die im Wesentlichen durch die beste Variante einer Prozessabbildung bestimmt wird und nicht zwingend eine On-Premise-Lösung sein muss wie noch vor wenigen Jahren: „Wenn die Cloud als die bessere Lösung erscheint, dann wird sie auch als erste Variante untersucht.“

Ob also Cloud oder On-Premise der richtige Weg ist, entscheidet der CIO Case by Case, stellt dabei die Funktionalität und den Unternehmensnutzen in den Vordergrund und bewertet immer auch die betroffenen Daten. Manchmal jedoch wird der Schritt zur Nutzung bestimmter sinnvoller Cloud-Lösungen durch die Notwendigkeit gebremst, den bestehenden Betrieb mit all seinen Schnittstellen dahinter gemäß den Cloud-technischen Erfordernissen permanent und in kurzen Updatezyklen nachzurüsten. Dazu ist die Lenzing AG – wie auch viele andere Konzerne – organisatorisch nicht immer in der Lage. Ruess: „Da wird es noch viel Kompromissbereitschaft sowie technische Lösungen seitens der Hersteller brauchen.“

EINFACH BESSERE PROZESSE

Große Vorteile bieten Cloud-Lösungen in vielen Bereichen der Prozessabwicklung und im Fall der Lenzing AG insbesondere bei der Plant Maintenance, also der Instandhaltung nach Maß. Was hier innovative Digitalisierungsmaßnahmen bedeuten können, skizziert Ruess anhand eines konkreten Beispiels: „Wir sind eine investitionsgetriebene Branche, weil alles, was zur Produktion notwendig ist, sehr kapitalintensiv ist. Wir betreiben einen riesigen Plant-Maintenance-Aufwand, denn schließlich laufen unsere Anlagen rund um die Uhr.“ Diese Plant Maintenance ist ein digital unterstützter Prozess, integriert über die gesamte ERP-Logik. Bisher waren bei Störungsmeldungen sowie für die Rückmeldungen nach der jeweiligen Fehlerbehebung zur Dokumentation und Prozessabwicklung viele manuelle Maßnahmen und viel Papier erforderlich. „Wir haben nun diesen Auftrag an ein mobiles Device unter Verwendung einer Cloud-Lösung übergeben, verbunden mit einer Handheld-App. Ist der Auftrag erfüllt, hat der betroffene Mitarbeiter nichts anderes zu tun, als den Auftrag zu bestätigen, und wir übernehmen es wieder zurück in die Maintenance und die Geschichte ist abgebildet. Das bedeutet eine Zeitersparnis von etlichen Stunden pro Auftrag.“

Im zweiten Schritt können auch aktive Aufträge von Mitarbeitern direkt an die Plant Maintenace übergeben und erledigt werden, die die Mitarbeiter aufgrund ihrer Beobachtungen via Handheld-App bzw. Mobile Device vor Ort eingeben, ohne dass es zuvor eine Störungsmeldung gab. Dieser Prozess ist heute fast vollkommen digitalisiert. „Ein weiterer Schritt wird nun die Schmierung der langen Produktionsanlagenlinien betreffen, die in unserem Fall essenziell ist und immer gewährleistet sein muss“, erklärt Ruess. Die Herausforderung bestehe darin, dass jedes Element ein anderes Schmiermittel braucht: „Die Anlagen sind über die Maintenance mit einem Barcode identifizierbar, sodass der Mitarbeiter in der Instandhaltung in Zukunft nur hingehen wird und mithilfe seines Mobile Devices (Tablet oder Handy) gleich das richtige Schmiermittel, das er mit Bild angezeigt bekommt, anfordern und verwenden kann. Inklusive einfachen Anwendungshilfen, die es dafür im SAP-System gibt.“ Darüber hinaus könnte man gerade bei kritischen Anlagen die GPS-Fähigkeit des Geräts nützen, um festzustellen, ob nicht nur die Rückmeldung, sondern tatsächlich auch die Schmierung stattgefunden hat.

MEHR SICHERHEIT IN DER CLOUD

Für den Lenzing-CIO besteht die große Herausforderung generell darin, einerseits den komplexen Anforderungen des digitalen Wandels zu genügen und andererseits die notwendige Stabilität und Sicherheit für die zentralen Geschäftsprozesse zu gewährleisten. Deshalb wird viel Augenmerk auf die Auswahl der Cloud-Partner gelegt und konsequent zwischen sensiblen und harmlosen Daten unterschieden. Dennoch wird in der Lenzing AG neben der Abwicklung der Instandhaltung, der Lademittel-Gestellung, der Transportlogistik sowie der Personalentwicklung die Cloud auch zur Speicherung und Übermittlung von streng vertraulichen Informationen eingesetzt – sowohl im Unternehmen als auch hin zum Aufsichtsrat und zu den Entwicklungspartnern. Und zwar in wirklich kritischen Bereichen, bei denen es um die Zukunft des Unternehmens, um heikle Dokumentationen und Kommunikationsinhalte oder um Aufsichtspflichten gemäß des Börsengesetzes geht. Denn, so IT-Chef Ruess, oft werde über diese Lösung ein höheres Maß an Sicherheit und Compliance erreicht als auf herkömmlichen Wegen. Entscheidend dafür ist unter anderem das Provider Shielding, weil dadurch im Vergleich zu einer internen Lösung mittels Administrator auf die Inhalte nicht durch Dritte zugegriffen werden kann. „Das ist gerade in solchen essenziellen Bereichen eines Unternehmens von enormem Vorteil“, ist Ruess überzeugt.

Eine erfolgreiche IT-Strategie besteht für den Lenzing-CIO prinzipiell darin, die digitale Transformation aktiv zu betreiben. „So können wir unsere Selbstbestimmung wahren. Bremsen oder sich Verweigern funktioniert hier nicht, denn man kann sich dem umfassenden Wandel nicht mehr verschließen.“ Damit geht nicht zuletzt auch ein Kulturwandel im Unternehmen einher: Mitarbeiter müssen lernen, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen und diese zu nutzen. Und dabei gehören alle Generationen abgeholt, um Konflikte zu vermeiden. Das sei viel Arbeit, aber auch eine große Chance. „Wichtig sind Offenheit im Denken und gute Ideen“, sagt Ruess. Dann lassen sich auch erforderliche Investitionen sinnvoll argumentieren. (oli)


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