Als Tourismus-Weltmeister ist Tirol vor allem für seine Berge bekannt. Doch rund um den Tourismus und auch in anderen Bereichen haben sich Technologie-Unternehmen heimlich still und leise als Weltmarktführer etabliert. [...]
Denkt man an Tirol, dann kommen einem nicht sofort innovative Technologie-Startups in den Sinn. Sollten sie aber. Christoph Holz, Obmann der WKÖ-Fachgruppe UBIT in Tirol, erklärt im Gespräch mit der COMPUTERWELT, warum Tirol mehr zu bieten hat als nur gute Skilehrer.
Was sind die Stärken des IKT-Standortes Tirol?
Christoph Holz: Tirol ist Tourismusweltmeister und hat so viele Nächtigungen wie ganz Griechenland. Dementsprechend sind wir auch sehr früh in das ganze Thema E-Tourismus eingestiegen, mit Tiscover beispielsweise, und da gibt es inzwischen sehr viele Nachfolgeunternehmen. Das ist eines unserer großen Stärkefelder und in diesem Bereich sind wir auch sehr glaubwürdig.
Und das schlägt sich auch in IT-Lösungen rund um den Tourismus nieder?
Genau. Da geht es zum Beispiel um mobile Lösungen, um Zugangslösungen oder um Online-Plattformen für den Tourismus. Und weil unsere Struktur kleinteilig ist – der Tourismus in Tirol wird nicht von großen Konzernen beherrscht – ist das auch ein Breedingground für viele Startups, die eine gute Chance haben, aus Tirol heraus den Weltmarkt für Tourismus-Software zu erobern.
Gibt es da bereits erfolgreiche Praxisbeispiele dafür?
Ja, zum Beispiel die Firma M-Pulso. Die machen mobile Lösungen und Onsite-Informationssysteme unter anderem für das Hotel Stanglwirt. Gäste können dabei mit einer App im Haus beispielsweise eine Tennisstunde buchen.
Ein weiteres Beispiel ist das Unternehmen Goingsoft, das in ganz Europa mit Software für das Management von Wireless-Zugängen in Hotels erfolgreich ist bzw. mit Software für Infotainment-Systeme.
Wie sieht es mit Erfolgsstories abseits des E-Tourismus aus?
Da gibt es zum Beispiel das Unternehmen Barracuda, früher Phion, das in Innsbruck gegründet wurde und zu den Weltmarktführern im Bereich Enterprise Firewalls gehört. Da geht es um hunderte Firewalls und das muss man erstmal verwalten können.
Oder die Firma Vizrt, die Al Jazeera und CNN zu ihren Kunden zählt. Wenn beispielsweise bei der Superbowl-Übertragung im Fernsehen Einblendungen von Spielzügen mit Linien, wie sich die Spieler bewegen, zu sehen sind, oder wenn bei Skirennen farblich eingeblendet wird, wer die beste Linie hatte, dann passiert das mit Software von Vizrt. Die bringen die Interaktivität ins Fernsehen. Tirol braucht sich da auch im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. Viele dieser Firmen sind weltweit tätig und profitieren natürlich stark von der guten IT-Ausbildung in Tirol.
Gibt es noch weitere Stärkefelder des IKT-Standortes Tirol?
Das zweite große Stärkefeld liegt im Bereich der Medizin. Innsbruck ist ja eine der ältesten Universitäten in Europa und gehört weltweit zu den Hotspots im Bereich Transplantationsmedizin. Das erzeugt natürlich auch Nachfrage nach innovativen Telemedizin-Lösungen.
Zum Beispiel?
Die Innsbrucker Firma MED-EL etwa hat ein Verfahren bzw. die Technologie dafür entwickelt, bei dem Patienten ein Mikrocomputer unter die Kopfhaut implantiert wird, der über verschiedene Drähte Signale an das Gehirn absetzt. Diese sogenannten Cochlea-Implantate von MED-EL schenken jedes Jahr unzähligen Kindern ihr Gehör. Das ist nach Mobilität und Cloud meiner Meinung nach die nächste große IT-Revolution: Computer noch näher an die Menschen zu bringen. Virtualität und Realität verschmelzen dabei und Informationssysteme werden Teil unserer physischen Existenz. Die Datenbrille hab ich noch außen – Cochlea-Implantate sind im Körper. Da geht es um taube Kinder, die einen Computer unter die Kopfhaut eingesetzt bekommen, um wieder hören zu können. MED-EL ist Weltmarktführer in diesem Bereich und das medizinische, universitäre Umfeld in Innsbruck hat eine tolle Basis für solche Innovationen geschaffen.
Man kann also sagen, dass Tirol ein guter Standort für Technologiestartups ist.
Absolut. Wir haben mit CAST Tyrol auch einen sehr engagierten Inkubator. Darüber hinaus will sich der gebürtige Tiroler Hermann Hauser, der in Cambridge lebt und als der erfolgreichster Selfmade-Millionär Österreichs im IT-Bereich gilt, künftig in diesem Bereich engagieren. Hauser hat den ersten RISC-Chip gebaut und in der Homecomputer-Ära mit einem britischen Kollegen den Acorn-Computer erfunden, den erfolgreichsten Homecomputer Großbritanniens. In den 80er-Jahren hat er Acorn an Olivetti verkauft und verfügt über ein geschätztes Vermögen von zwei Milliarden Pfund. Inzwischen betreibt Hauser eine Venture Capital Firma und will nun in Wörgl einen Accelerator gründen. Damit werden die Bedingungen für Technologie-Startups in Tirol noch besser.
Wo hat der IKT-Standort Tirol noch Aufholbedarf?
Aufholbedarf gibt es vor allem noch in den Köpfen, denn Tirol wird als Tourismus-Standort wahrgenommen. Bei Dienstleistung aus Tirol denkt jeder an gute Skilehrer. Dieses liebenswerte touristische Image überstrahlt die technologische Kompetenz. Das merkt man auch bei Fachmedien wie Ihrer Zeitung. Das was ich Ihnen bisher erzählt habe, haben Sie wahrscheinlich in Tirol nicht für möglich gehalten, oder?
Stimmt. Nicht in der Form.
Und genau das ist der große Aufholbedarf. Wir müssen unsere PS auch auf den Boden bringen. Wir müssen der Welt klar machen, dass Tirol mehr als Tourismus zu bieten hat. Tirol entwickelt sich zu einem Hochtechnologie-Hotspot, weil wir gute Universitäten haben, coole Startups und einen Standort, wo es sich für Menschen lohnt, herzukommen. Mountainbiken im Sommer, Skifahren im Winter – und das zehn Minuten vom Arbeitsplatz entfernt. Das muss uns erst einmal ein anderer Standort nachmachen. Und auch über Kulinarik und Sport hinaus hat Tirol einiges zu bieten, weshalb wir daran arbeiten müssen, dass wir auch so wahrgenommen werden.
Wie sieht es in Tirol mit Fachkräftemangel aus?
Den gibt es, aber er ist nicht so stark wie in anderen Regionen. Bei uns gibt es ein Potential an Menschen, die diese Region lieben, deswegen sind sie auch hier. Als IT-Unternehmer braucht man nicht nach Tirol zu gehen, weil das der beste Standort ist um reich zu werden. Aber es ist der beste Standort um ein gutes Leben zu haben. Das zieht viele Leute an und die wollen wir auch in Tirol halten. Deswegen müssen wir schnell wachsen, um den Spezialisten, die aus Deutschland und Italien zum Studieren nach Innsbruck kommen, gute und spannende Jobs in Tirol zu bieten.
Das Gespräch führte Oliver Weiss.
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