Während in den großen Hallen die Photokina über die Bühne lief, veranstaltete die Kölnmesse im Congress Center Nord die erste Digility-Konferenz. Hier trafen sich die Top-Leute der AR- und VR-Branche und erörterte die Zukunft dieser Technologien. [...]
Am 23. und 24. September fand in Köln die erste Digility-Konferenz zum Thema Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) statt. Mit über 1.000 Teilnehmern und 70 Sprechern, die das Thema von technischer, wirtschaftlicher und künstlerischer Seite ausleuchteten, legte die Konferenz einen erfolgreichen Start hin.
Eröffnet wurde die erste Digility mit einem Vortrag von Alysha Naples, die ehemals bei Magic Leap für User-Experience- und Interaction-Design zuständig war. In ihrem Vortrag sprach sie über das Zusammenführen der digitalen und analogen Welt mittels VR- und AR-Technik. Derzeit sei das Design für die meisten VR-Anwendungsszenarien noch sehr spekulativ, da man noch nicht genau wisse, in welcher Weise sich ein User einer bestimmten Aufgabe annehmen will, so Naples. Das werde sich ändern, je mehr Menschen ein Headset nutzten und desto mehr Feedback die Entwickler bekämen. Sie erwarte sich, dass die für Mitte Oktober angekündigten Sony PlayStation VR für einen weiteren Auftrieb in Sachen Virtual Reality sorgen werde. In kommerzieller Sicht sieht sie bei VR eine Entwicklung in Richtung Games und Unterhaltung, AR hingegen werde wiederum Dinge, die wir aktuell mit Smartphone und Computer erledigen, künftig durch ein Headset ersetzen können. Naples ist überzeugt, dass noch AR-Szenarien entwickelt werden, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen.
In einem zweiten Vortrag kritisierte Naples auf der Digility die Vernachlässigung der sozialen Komponente bei den aktuellen AR- und VR-Anwendungen. Headset-Nutzer lebten in ihrer eigenen Welt, aber interagierten nicht miteinander. Auch wenn sich die Technik rasend schnell weiterentwickle, sei der Mensch nach wie vor ein soziales Wesen. Darin sieht Naples auch den Grund für den Misserfolg des technisch beeindruckenden Google Glass, das die Interaktion mit den Mitmenschen, die kein Google Glass tragen, vernachlässigte. Soziale Komponenten zu berücksichtigen, sei für die künftige Entwicklung von AR- und VR-Erfahrungen wichtig.
Technisch die Wirklichkeit erweitern
Andy Gstoll, Chief Marketing Officer bei dem Salzburger Unternehmen Wikitude, setzt eher auf AR denn VR. Man könne alles augmentieren, meint Gstoll – Magazine, Bücher, Poster, Reklametafeln etc. Das sei jetzt schon ein großes Geschäft. Das Wunderbare an der AR sei, so Gstoll, dass sie einerseits noch immer für einen Wow-Effekt bei den Nutzern sorge und andererseits als Bindeglied zwischen der echten Welt und dem Internet fungiere. Darüberhinaus sieht er ein großes kommerzielles Potenzial in 3D-Technologien, die helfen Objekte zu erkennen und nachzuverfolgen.
Wolfgang Stelzle, Geschäftsführer und Gründer des auf AR und VR spezialisierten Münchner Unternehmens RE’FLEKT, sieht auf der Hardwareseite entsprechend ausgestattete Brillen als besonders vielversprechend für den AR/VR-Einsatz, zumal Firmen wie Microsoft, ODG und Epson hier stark investierten. Softwareseitig sieht Stelzle einerseits Potenzial darin, VR- und AR-Szenarien in Echtzeit wiederzugeben wie es Unity3D macht, andererseits in der Erzeugung und Umsetzung von Inhalten – dem Geschäftsbereich seines Unternehmens RE’FLEKT. Seiner Meinung nach werden die Mitarbeiter von Servicestellen in zehn Jahren alle Daten und Informationen zur Reparatur visuell auf entsprechenden Brillen dargestellt bekommen.
Monika Bielskyte beschäftigt sich als Creative Director und Strategistin mit der Überschneidung von Kultur und Technik. Sie hat sich insbesondere auf immersive Media-Technologien und neue, digitale Formate der Wirklichkeit spezialisiert. In diesem Sinn hat sie AR und VR um MR (media reality) ergänzt. Die Unterscheidung zwischen AR, VR und MR ist für sie ohnedies eher künstlicher Natur. Nicht das Headset, nicht die Software, sondern der Ort, der physisch nicht existiert, der erlebte Raum, das sei VR, so Bielskyte.
Ein Anliegen sei ihr auch die Thematisierung der Darstellung von Gewalt und Horror in VR-Welten. Die von den alten Medien kommende Denkweise funktioniere hier nicht mehr. Denn der Nutzer stehe nicht mehr außerhalb, sondern erlebe diese Inhalte tatsächlich. Bei Horrordarstellungen könnten sogar Traumatisierungen die Folge sein, so Bielskyte.
Weitere hochkarätige Redner waren Kathleen Schröter vom Fraunhofer Heinrich Hertz Institut, die über die Aufnahmetechnik von 360-Grad-Videos mit einer sehr hohen Auflösung von 10K x 2K sprach; Clemens Conrad, Geschäftsführer und „Experience Director“ von Vectorform, einer auf die technischen Wiedergabemöglichkeiten von VR spezialisierten Firma; Martin Adam, Gründer und Boss von Menschortweb, die analog-digitale Umgebungen mit kuriertem Inhalt unter anderem für Städte, Museen und Nationalparks entwickeln; Dirk Christoph, Gründer und Geschäftsführer von Inoactive; Tilmann Stauske von Volkswagen und viele andere mehr. Übrigens: Besonders voll war der Vortrag von Eva Darling von Cam4VR, die sich selbst als erste Virtual Reality Porn Queen bezeichnet und einschlägige VR-Inhalte für Erwachsene produziert.
Weitere Infos zu Rednern und Inhalten der Diglity-Konferenz gibt es unter www.digility.de.
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