Augen auf bei der Partnerwahl

Nobody is an island. Diese Erkenntnis gilt sogar für Inseln, wie die Briten nach ihrem EU-Austritt schmerzhaft feststellen mussten. In einer Welt, die nicht zuletzt dank des Internets vernetzter und verzahnter ist als jemals zuvor, [...]

(c) Marco Bianchetti / Unsplash
(c) Marco Bianchetti / Unsplash

Nobody is an island. Diese Erkenntnis gilt sogar für Inseln, wie die Briten nach ihrem EU-Austritt schmerzhaft feststellen mussten. In einer Welt, die nicht zuletzt dank des Internets vernetzter und verzahnter ist als jemals zuvor, sind Partnerschaften wichtiger denn je. Allerdings sollte genau darauf geachtet werden, wen man sich als Partner aussucht. Dass Vertrautheit dabei nicht zwangsläufig das beste Auswahlkriterium ist, zeigt das Beispiel Microsoft. So dürfte es im Jahr 2024 kaum jemanden geben, dem Office365 fremd ist. Jeder Mitarbeiter weiß, wie man Microsoft Word oder eine Excel-Tabelle nutzt. Lange Zeit schien ein Bürobetrieb ohne Microsoft Office deshalb für viele undenkbar. Mittlerweile gibt es jedoch Lösungen, die Microsoft Konkurrenz machen, was in der Zentrale in Seattle zu folgenschweren Entscheidungen geführt hat. Nicht zuletzt, um sich die eigenen Markmacht zu sichern und die Abhängigkeit der Nutzer weiter zu vergrößern, hat sich Microsoft nämlich dazu entschieden, alle Office365-User in die eigene Cloud zu zwingen. Vor allem für den öffentlichen Sektor sowie für Unternehmen mit sensiblen Daten hat dies weitreichende Konsequenzen. Denn ohne rechtzeitiges Handeln wird es sich für Microsoft-Nutzer nicht vermeiden lassen, dass sämtliche Informationen in den Händen eines privaten Anbieters aus den USA landen. Gerade für Behörden wäre dies teils ein Super-GAU.

Bereits Ende nächsten Jahres ist Schluss mit Microsoft Office on-premise. Dann kann Office365 nur noch in Verbindung mit der Microsoft-Cloud Azure genutzt werden. Letztlich will Microsoft damit auch der Konkurrenz wie AWS und Google Marktanteile im lukrativen Cloud-Geschäft streitig machen. Der Schuss könnte allerdings nach hinten losgehen. Denn vor allem der Öffentliche Sektor kann nicht einfach blindlings in die Azure-Cloud wechseln. Schließlich würden sich die Behörden und Ämter in Österreich so von einem amerikanischen Unternehmen abhängig machen.

Dass dies nicht nur aus Datenschutzgründen keine gute Idee ist, zeigte sich, als Donald Trump noch im Amt war und kurzerhand Adobe mit einer Executive Order dazu zwang, Kunden in Venezuela den Zugang zu den eigenen Produkten zu entziehen. Zwar wurde der Befehl letztlich wieder zurückgenommen. Doch beim nächsten Mal bleibt es womöglich nicht bei einer Drohung. Muss Microsoft auf oberstes Geheiß Daten an die US-Regierung herausrücken oder sogar Dienste abschalten, hätte dies ernsthafte Folgen.

Regierung setzt bei digitalem Arbeitsplatz auf Open Source

Diese Erkenntnis hat sich offenbar auch in der österreichischen Politik durchgesetzt. Nicht nur das BMF sieht die digitale Unabhängigkeit vollends in Gefahr – und setzt deshalb auf Kooperationen mit europäischen Partnern und einen Open-Source-basierten Arbeitsplatz. Den Schlüssel zum Erfolg sollen nun Open-Source-Lösungen bilden, die deutlich mehr Transparenz und Sicherheit bieten als Software-Pakete von privaten Anbietern. Da sich quelloffene Software in Eigenregie kontrollieren lässt, sehen Sicherheitsexperten in modularen Open-Source-Lösungen die beste Basis für die digitale Unabhängigkeit von Behörden. Anders als bei proprietären Lösungen ist es bei quelloffener Software auch problemlos möglich, mit anderen Ländern zu kooperieren. Im Idealfall sollten diese allerdings aus Europa stammen, da es innerhalb der EU keine großen Unterschiede bezüglich des Datenschutzes gibt.

Um Behörden und Ämtern dabei zu helfen, eine echte Alternative zu Microsoft Office zu finden, will das Bundesministerium für Finanzen (BMF) unter anderem mit dem deutschen Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) zusammenarbeiten. Eine entsprechende Absichtserklärung zur Stärkung der digitalen Souveränität gibt es bereits. Zu den Zielen der Kooperation gehört es, digitale Unabhängigkeit sicherstellen, indem etwa stets eine Wechselmöglichkeit besteht. Denn nur wenn man die Option hat, bei Bedarf den Anbieter zu wechseln, können die jeweils bestmöglichen IT-Lösungen und -Komponenten genutzt werden. Da sich die Ansprüche häufig mit der Zeit ändern, ist diese Flexibilität besonders wichtig, um auch zukünftig die volle Kontrolle über die eigene IT zu haben. Hinzu kommt, dass die Öffentliche Verwaltung in Österreich wie auch in Deutschland ihre Anforderungen und Bedarfe beispielsweise hinsichtlich Produkteigenschaften, Verhandlung und Vertragsgestaltung gegenüber Technologieanbietern besser durchsetzen kann, wenn man die Kräfte bündelt. Konkret geht es in der gemeinen Absichtserklärung vor allem um die Erarbeitung eines souveränen Arbeitsplatzes. Die Trägerschaft für dieses Projekt liegt beim Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) in Bochum.

Neue Lösung ist bereits millionenfach bewährt

Mit Open CoDE will das ZenDiS die Entwicklung und den Austausch von Open-Source-Software in der Öffentlichen Verwaltung fördern. Als Mitglied der Open-CoDE-Plattform trägt das BMF dazu bei, die Nutzung und Entwicklung von Open-Source-Software voranzutreiben. Gleichzeitig soll der öffentliche Sektor in Österreich von openDesk profitieren. Der souveräne Arbeitsplatz für den öffentlichen Sektor befähigt Behörden und Ämter dazu, die Abhängigkeit von einzelnen Software-Anbietern zu reduzieren und schrittweise zu beenden. Obwohl openDesk relativ neu ist, handelt es sich letztlich um eine bewährte Lösung. Schließlich stammen die einzelnen Komponenten von verschiedenen europäischen Open-Source-Spezialisten, die teils seit Jahrzehnten alltagserprobte Lösungen anbieten. 

img-2
Andreas Reckert-Lodde ist Geschäftsführer von ZenDiS. (c) ZenDIS

„Wir wollen den Behörden ein funktionierendes Angebot aus etablierter Open-Source-Software und kompetenter Unterstützung bieten“, erklärt ZenDiS-Geschäftsführer Andreas Reckert-Lodde.

„Es gibt wirklich viele großartige Software-Lösungen wie beispielsweise die millionenfach bewährte E-Mail-Plattform von Open-Xchange aus Köln, die von fast allen großen Internet-Providern genutzt wird, oder die sichere Matrix-basierte Messaging-Plattform Element, die beim Militär in Frankreich, in der Ukraine und auch bereits bei der Bundeswehr genutzt wird. Auch die Projektmanagement-Software OpenProject wird von vielen Unternehmen wie beispielsweise Mercedes-Benz verwendet. Mit openDesk steht Kommunen und Behörden jetzt ein souveräner Arbeitsplatz zur Verfügung, mit dem die digitale Unabhängigkeit greifbar wird“, so Reckert-Lodde.

Freie Wahl beim Cloud-Anbieter

Der souveräne Arbeitsplatz lässt sich in jeder Kubernetes-fähigen Cloud betreiben. Somit können die einzelnen Behörden und Kommunen, die die Lösung nutzen, selbst entscheiden, welchen Cloud-Anbieter sie nutzen wollen – und diesen bei Bedarf auch wechseln. OpenDesk bietet hier also genau die Unabhängigkeit, die Microsoft weiter einschränken möchte. Die Wahl der richtigen Partner war wohl noch nie so wichtig wie heute. 

ZenDiS

Das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) ist eine gemeinsame Initiative des deutschen Bundes sowie der Bundesländer. Über entsprechende Kooperationen sind auch andere Länder wie Österreich involviert. Das Zentrum fungiert als zentrale Anlaufstelle u.a. für Gemeinden und Behörden. Eines der Hauptziele von ZenDiS ist es, Behörden und Ämtern dabei zu helfen, dass in der Öffentlichen Verwaltung sichere und transparente Lösungen zum Einsatz kommen, die nicht von Privatunternehmen gemanaged und kontrolliert werden. Mit Open CoDE will das ZenDiS die Entwicklung und den Austausch von Open-Source-Software in der Öffentlichen Verwaltung fördern. Zudem übernimmt das Zentrum die Trägerschaft des Souveränen Arbeitsplatzes (openDesk). Mit Hilfe der Software-Suite kann der Öffentliche Sektor seine Abhängigkeit von einzelnen Software-Anbietern reduzieren und schrittweise beenden. Der Souveräne Arbeitsplatz basiert auf Open-Source-Produkten verschiedener europäischer Open-Source-Spezialisten, die sich teils seit Jahrzehnten im Alltag bewährt haben.


Mehr Artikel

Ass. Prof. Dr. Johannes Brandstetter, Chief Researcher bei NXAI (c) NXAI
News

KI-Forschung in Österreich: Deep-Learning zur Simulation industrieller Prozesse

Als erstes Team weltweit präsentiert das NXAI-Forscherteam um Johannes Brandstetter eine End-to-End-Deep-Learning Alternative zur Modifizierung industrieller Prozesse, wie Wirbelschichtreaktoren oder Silos. Das Team strebt schnelle Echtzeit-Simulationen an, plant den Aufbau von Foundation Models für Industriekunden und fokussiert sich im nächsten Schritt auf die Generalisierung von Simulationen. […]

img-6
News

Die besten Arbeitgeber der Welt

Great Place To Work hat durch die Befragung von mehr als 7,4 Millionen Mitarbeitenden in den Jahren 2023 und 2024 die 25 World’s Best Workplaces identifiziert. 6 dieser Unternehmen wurden auch in Österreich als Best Workplaces ausgezeichnet. […]

img-7
News

ventopay als Vorreiter der digitalen Transformation

Bei der diesjährigen Verleihung des Digitalpreises „DIGITALOS“ wurde das oberösterreichische Softwareunternehmen ventopay als Sieger in der Kategorie „Digitale Transformation“ ausgezeichnet. Der Preis geht an Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle erfolgreich digitalisiert und zukunftsweisende Lösungen für ihre Branche entwickelt haben. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*