„Ausbildung, Forschung und Innovation“

Als eines der größten unabhängigen Forschungszentren in Österreich im Bereich Software nimmt das 1999 gegründete SCCH eine Vorreiterrolle für softwarebezogene technologische Forschungs- und Entwicklungstrends ein. Klaus Pirklbauer ist Geschäftsführer des SCCH in Hagenberg. [...]

Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken des IKT-Standortes Oberösterreich?
Klaus Pirklbauer:
Die Kombination aus sehr guten Ausbildungseinrichtungen, weithin sichtbaren Forschungseinrichtungen und innovativen Unternehmen zeichnet den IKT-Standort Oberösterreich aus. Der Softwarepark Hagenberg, in dem sich auch das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) befindet, ist ein Beispiel für das Zusammenspiel dieser drei Komponenten. Man darf aber IKT generell und auch am Standort Oberösterreich nicht nur im Sinne von Softwareunternehmen sehen.
Die Bedeutung der IKT in allen Branchen führt dazu, dass viele Innovationen in diesem Bereich von recht unterschiedlichen Unternehmen getrieben werden. In Oberösterreich sind das unter anderem viele produzierende Unternehmen. Das SCCH hat sich mit seiner Forschung stark auf diese Zielgruppe ausgerichtet und treibt damit die IT-Komponente von Industrie 4.0 voran.

Wo gibt es Aufholbedarf?
Oberösterreich ist mit seinen Einrichtungen und Strukturen gut aufgestellt. Das strategische Programm Innovatives Oberösterreich 2020 hat mit seiner thematischen Ausrichtung wichtige Schwerpunkte (z.B. Industrielle Produktion) gesetzt. Trotzdem wünscht man sich aus Sicht einer Forschungseinrichtung immer noch mehr.
Mehr Bereitschaft zur gemeinsamen Forschung, mehr interdisziplinäre Forschung, mehr Effizienz bei manchen Förderprogrammen. Speziell Förderprogramme mit extrem niedrigen Erfolgsaussichten – teil-weise unter fünf Prozent – bei
denen man trotz sehr gut bewerteter Forschungsthemen aus Geldmangel nicht zum Zug kommt, sind natürlich ein Hemmschuh. Bei solchen Erfolgsquoten ist auch die Finanzierung der Anträge schwierig, immerhin muss man zahlreiche Anträge stellen, um einmal erfolgreich zu sein.
Generell glaube ich aber, dass wir gute Rahmenbedingungen haben.

Wie war das abgelaufene Geschäftsjahr für Ihr Unternehmen und was haben Sie für Erwartungen für 2015?
Ende 2014 konnten wir erfolgreich einen für uns wichtigen Förderzeitraum abschließen. Weiter gefördert und auf Expansionskurs starten wir jetzt im Jahr 2015 unsere neuen COMET-Aktivitäten.

Wie beurteilen Sie den Mangel an IT-Fachkräften in Oberösterreich und wie wirkt er sich auf Ihr Geschäft aus?
Als Forschungseinrichtung benötigen wir hauptsächlich Universitätsabsolvent. Dort merken wir den Kampf um die Arbeitskräfte schon sehr stark. Wir haben ein sehr internationales Team, würden uns aber auch mehr österreichische Bewerber und ganz besonders Bewerberinnen wünschen. Unsere Maßnahmen zielen darauf ab, einerseits als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, reichen aber andererseits bis zur Attraktivierung von technischen Studien schon bei Schülerinnen und Schülern.
Einen ganz besonderen Schwerpunkt setzen wir dabei auf Frauen, denen wir Informatik und die Arbeit in der Forschung schmackhaft machen wollen. Jedes Jahr bieten wir eine Reihe von Schnupperpraktika im Rahmen der „Talente Schülerinnenpraktika“ an. Bei der langen Nacht der Forschung zeigen wir der breiten Öffentlichkeit unsere Forschungsergebnisse und hoffen auch dadurch, Begeisterung für die Software-Forschung zu wecken. Studenten laden wir ein, Praktika bei uns zu absolvieren. Außerdem vergeben und betreuen wir Master- und PHD-Arbeiten.

Für welche Technologien/Lösungen erwarten Sie heuer eine verstärkte Kundennachfrage?
Wir stellen im Bereich Datenmanagement eine verstärkte Kundennachfrage fest. Aufgrund der großen Datenmengen (Sensor- oder Produktionsdaten und auch Planungsdaten), die in den Unternehmen anfallen, nehmen die Themen Datensammlung und -analyse sowie Prognosemodelle eine bedeutende Rolle ein.
Auch die Themen, die sich mit der Qualität von Software (formale Methoden im Software Engineering, domänenspezifische Sprachen, Softwareanalyse) sowie mit der Optimierung von Business-Prozessen beschäftigen, sind nachgefragt.

Was war Ihr Vorzeigeprojekt in den vergangenen zwölf Monaten?
Ein Forschungsprojekt mit B. Braun (mit Sitz in Budapest). Dort werden rigorose Methoden für die Entwicklung der Bedien- und Steuerungssoftware für Dialysegeräte verwendet.
Aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit in der Modellierung von sicherheitskritischen Systemen werden rigorose Methoden angewandt, um Probleme zu lösen, die in der Entwicklung von B. Brauns extrakorporalen Blutbehandlungssystemen auftauchen. Der Vorteil von formalen Methoden in diesem Kontext zeigt sich schon während der Analyse und Modellierung der Elemente und Komponenten des Systems: Formale Methoden helfen nicht nur in der sicheren Entwicklung eines Systems, sondern sie tragen auch zum Erreichen relevanter Zertifizierungen bei. Darüber hinaus sind die Artefakte, die aus dem gesamten Prozess entstehen, auch verfolgbar und interoperabel.
Durch die Verwendung von rigorosen, modellgesteuerten Entwicklungsmethoden im Bereich der medizinischen Systeme mit hohen Sicherheitsansprüchen entstehen Systemmodelle, die sich verifizieren (z.B. mittels mathematischer Beweise und Modellprüfungen) und validieren (z.B. mittels Animation und Prototyping) lassen. Sie bilden die Basis für das gemeinsame Verständnis zwischen den verschiedenen Stakeholdern.
Produkte mit besonders strengen Sicherheitsauflagen können so überzeugend modelliert und bewiesen werden. Gleichzeitig reduzieren FMs die technischen Schwierigkeiten dadurch, dass sie auch für Beteiligte ohne entsprechendes Fachwissen verständlich sind. (red.)


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