85 Prozent der mittelständischen Industrieunternehmen würden Daten aus ihrer Produktion mit ihrer Bank teilen. Doch Banken ziehen noch nicht mit. Das muss sich ändern, denn IoT bietet auch für den Finanzsektor große Chancen. [...]
IoT ist für uns nicht relevant«. Diese Aussage hört man im Bankenumfeld häufig. Zu Unrecht, wie die aktuelle Studie »Industrieller Mittelstand und Finanzierung 4.0« zeigt. Denn aus der Kundenperspektive sieht die Lage ganz anders aus: 85 Prozent der befragten Unternehmen können sich vorstellen, ihren Kreditgebern Produktionsdaten zur Verfügung zu stellen, um diese von Investitionen zu überzeugen. 88 Prozent präferieren sogar eine Finanzierung, deren Konditionen vorrangig von Performance-Daten bestimmt sind. Wie so oft sind es die Kunden, die Innovationen fordern. Im Rahmen der Digitalisierung haben sich ihre Erwartungen verändert. Sie wünschen sich schnellere und flexiblere Kreditentscheidungen. Banken können es sich nicht leisten, solche Wünsche zu ignorieren. Denn sonst wandern Kunden zu innovativen FinTechs ab, die ihre Bedürfnisse besser erfüllen.
Neue Geschäftsmodelle anhand von Datenanalysen
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Banken ausloten, welche Chancen ihnen das Internet of Things bietet. Bei IoT geht es darum, Daten zu sammeln, auszuwerten und daraus Handlungen abzuleiten. Datenanalysen ermöglichen es, fundierte Entscheidungen zu treffen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das gilt für den Finanzsektor ebenso wie für Industrieunternehmen. Wie gut man sich vom Wettbewerb abheben kann, hängt künftig auch davon ab, was man aus seinen Daten macht. Ein Anwendungsbeispiel ist das Kreditwesen. Wenn Banken Produktionsdaten ihrer Kunden beziehen und analysieren, erhalten sie Echtzeitinformationen darüber, wie gut deren Geschäft läuft. Sie können damit besser abwägen, ob sich eine Finanzierung lohnt. Das ermöglicht es ihnen, Kredite schneller zu vergeben und kleinteiliger zu gestalten. Da sie Risiken besser beurteilen können, sind auch niedrigere Zinssätze möglich. Für den Kunden bedeutet das: Er erhält schneller Geld, spart Kosten und kann agiler handeln.
Technische Herausforderungen
Damit sich ein solches Geschäftsmodell umsetzen lässt, müssen Industrieunternehmen ihre Daten erst einmal zur Verfügung stellen. Die Banken wiederum müssen in der Lage sein, diese Daten zu verarbeiten. Dafür brauchen sie geeignete Schnittstellen und Echtzeit-Analysen. Nur dann sind präzise und zeitnahe Entscheidungen möglich. Ganz wichtig ist zudem, die Qualität der Daten sicherzustellen. Banken müssen dafür entsprechende Prüfprozesse etablieren. Um Daten nachzuvollziehen, eignet sich zum Beispiel Benchmarking: Wenn ein Industrieunternehmen eine bestimmte Zahl von Produkten in einer bestimmten Zeit fertigt, könnte man diese Zahl mit den durchschnittlichen Produktionszahlen ähnlicher Unternehmen abgleichen. Weichen die Daten stark ab, sind sie möglicherweise falsch. Auch der Datenschutz spielt eine entscheidende Rolle. Industrieunternehmen brauchen Gewissheit, dass ihre sensiblen Produktionsdaten sicher sind und nicht missbraucht werden. Finanzunternehmen in Europa haben hier einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern aus den USA. Denn sie unterliegen den strengen Datenschutzrichtlinien der EU-Datenschutzgrundverordnung.
Chancen rechtzeitig ergreifen
Das Internet of Things wird für Industrieunternehmen künftig zur Commodity. In ein paar Jahren wird es ganz selbstverständlich sein, dass sie Produktionsdaten sammeln und auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Es liegt an den Banken, sich in diesen Datenstrom einzuklinken und ihn gewinnbringend zu nutzen. Wer sich am Markt behaupten will, muss seinen Kunden maßgeschneiderte Produkte und Services liefern. IoT bietet diese Chance. Keine Bank kann es sich leisten, sie nicht zu ergreifen.
*Steffen Lorenz ist Principal Consultant bei der Software AG Deutschland.
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