Wo steht Österreich in punkto Innovation und digitale Transformation im internationalen Vergleich? Eine Positionsbestimmung hilft dabei herauszufinden, was gut funktioniert und wo es noch Defizite gibt. Erhellende Einsichten vermitteln die beiden Studien »European Innovation Scoreboard« und der brandneue »Digital Riser Report 2020«. [...]
Um Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, muss man zunächst wissen, wo man gegenwärtig steht. Geht es um die Digitalisierung Österreichs geben die beiden aktuellen Studien »European Innovation Scoreboard« (EIS) von WPZ Research und der brandneue »Digital Riser Report 2020« des European Center for Digital Competitiveness (ESCP) in gutes Bild.
European Innovation Scoreboard
Der EIS misst die Innovationsleistung der EU-Mitgliedstaaten (und einiger anderer Länder), vergleicht sie und ordnet sie im globalen Kontext ein. Dabei werden die Staaten in vier Gruppen geordnet: 1. Innovationsführer (Gesamtindex von über 125 Prozent des EU-Mittelwerts); 2. Starke Innovatoren (über 95 Prozent); 3. Mäßige Innovatoren (über 50 Prozent) und 4. bescheidene Innovatoren (unter 50 Prozent). Die jeweiligen englischen Bezeichnungen lauten Innovation leader und strong, moderate sowie modest innovators.
Der EIS wird von Österreich als Referenz herangezogen, um die Umsetzung der FTI-Strategie (FTI = Forschung, Technologie, Innovation) zu überprüfen. Die Datengrundlage des EIS 2020 stammt übrigens aus dem Jahr 2019 und misst 27 Einzelindikatoren, die in zehn Dimensionen zusammengefasst sind. Jedenfalls zeigt sich, dass man das Ziel der aus dem Jahr 2011 stammenden FTI-Strategie 2020 verfehlt hat. So wollte man bis 2020 »Innovation Leader« werden, doch positioniert der EIS 2020 Österreich – gemeinsam mit Belgien, Deutschland, Irland, Frankreich, Estland und Portugal – in die Gruppe der starken Innovatoren. Die Innovationsführer 2020 sind Schweden, Finnland, Dänemark, die Niederlande und Luxemburg.
In sieben von den zehn Dimensionen des EIS konnte sich Österreich verbessern, in drei stagnierte es oder hat sich verschlechtert. Deutliche Verbesserungen sind in den Dimensionen »Humanressourcen«, »Finanzen« sowie bei den »Auswirkungen der Innovation auf die Beschäftigung« zu erkennen. Verschlechtert hat sich Österreich vor allem im Bereich der »Unternehmensinvestitionen«. Hätte Österreich in dieser Dimension den Wert vom Vorjahr halten können (z.B. durch mehr unternehmensinterne IKT-Weiterbildung), läge der Gesamtindex nun bei 119,5 Prozent und somit höher als im Vorjahr. Die Innovationsleistung der gesamten EU hat sich um 8,9 Prozent und damit etwas schneller als jene Österreichs mit 7,5 Prozent verbessert. Trotzdem stieg Österreich im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz auf Rang Acht auf, was aber ausschließlich dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU und dem Ranking geschuldet ist.
Der Bericht wird hier nicht im einzelnen wiedergegeben, die wesentlichen Punkte können aber über die Website der WPZ Research (www.wpz-research.com) eingesehen werden.
Die Geschäftsführerin der WPZ Research, Brigitte Ecker, hat gemeinsam mit Volkswirt und Mitarbeiter Sascha Sardavar ein Papier veröffentlicht, in dem sie die drei dringlichsten im EIS 2020 aufgezeigten Problemfelder – IKT-Weiterbildung, Wagniskapital, Anwendung von Innovationen – erläutern. Sie betonen den Fakt, dass »Österreich bei den Indikatoren Breitband-Durchdringung sowie IKT-Weiterbildung vor zehn Jahren deutlich über dem EU-Schnitt lag, und heute deutlich darunter.« Damit liegt Österreich bei der Digitalisierung nur im EU-Mittelfeld. Hier seien, so Ecker und Sardavar, aber auch die Unternehmen gefragt, eine digitale Infrastruktur einzurichten und ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Auch sollten »an Schulen und Hochschulen mehr digitale Kompetenzen vermittelt werden, inklusive eines Ausbaus interdisziplinärer Informatikstudien«, so die beiden Wirtschaftsexperten.
Wenig Unternehmensgründungen
Ein weiteres Problemfeld sind Unternehmensgründungen mit der traditionell schwachen Verfügbarkeit von Risikokapital. Zwar weist Österreich für 2018 nach Schweden die zweithöchste F&E-Quote in der EU auf, aber bei Innovationsausgaben ohne F&E liegt es weit zurück. Dabei geht es um die Verbreitung neuer Produktionstechnologien, was wiederum mit der Arbeitspro-duktivität verwoben ist, bei der Österreich ebenfalls bedeutend schlechter abschneidet als beim BIP je Einwohnerin und Einwohner. Man könnte sagen, so Ecker und Sardavar, »in Österreich wird viel geforscht, aber wenig eingesetzt, und viel gearbeitet, aber wenig produktiv.«
Digital Riser Report 2020
Der Digital Riser Report wurde am 7. September 2020 erstmals veröffentlicht und soll künftig jährlich erscheinen. Entwickelt von der ESCP Business School in Berlin vergleicht der Report die Entwicklung, die 140 Länder in den letzten drei Jahren bei ihrer digitalen Wettbewerbsfähigkeit durchlaufen haben. Innerhalb der G7-Nationen legte Frankreich bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit zwischen 2017 und 2019 am meisten zu, und wurde zum führenden digitalen Aufsteiger dieser Gruppe. Italien und Deutschland sind hier hingegen am stärksten zurückgefallen.
Das Ranking zeigt auch eine deutliche Dynamik in Bezug auf die beiden großen digitalen Supermächte: China hat bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit deutlich hinzugewonnen, während die USA zurückgefallen sind. Der Report zeigt ferner, dass die Spitzenreiter unter den digitalen Aufsteigern eines gemeinsam haben: Sie haben umfassende und zügig umgesetzte Pläne mit einer langfristigen Strategie rund um Digitalisierung verfolgt. Auch Österreich ist nach diesem Report im Vergleich zu den Vorjahren zurückgefallen. Deshalb braucht das Land eine neue FTI-Strategie, die auch den Aspekt der Nachhaltigkeit nicht vernachlässigt und mit entsprechenden finanziellen Mitteln untermauert ist. Natürlich müssen bis auf Weiteres die COVID-Hilfspakete und -maßnahmen weitergeführt werden. Dann sollte es möglich sein, verlorenes Terrain wettzumachen und wieder zu einem Innovationsführer zu werden.
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