„Berichtspflicht und Einheitlichkeit sind das Korsett für den Green Deal“

Ab heuer werden Unternehmen im Rahmen der ESG-Berichtspflicht verpflichtet sein, über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu berichten. Johannes Sackmann, Director Consulting und Banking-Experte bei CGI, erläutert im Interview mit IT Welt.at, mit welchen Maßnahmen Unternehmen das Datenmanagement organisieren, ihre Mitarbeiter entlasten und aus der Verordnung einen Nutzen ziehen können. [...]

Johannes Sackmann, Director Consulting und Banking-Experte mit Schwerpunkt Transaction Banking & Sustainable Finance im Business Consulting bei CGI. (c) CGI
Johannes Sackmann, Director Consulting und Banking-Experte mit Schwerpunkt Transaction Banking & Sustainable Finance im Business Consulting bei CGI. (c) CGI

Die Erweiterung der ESG-Berichtspflicht hat eine Fülle neuer Anforderungen an Unternehmen gebracht. Könnten Sie genauer erläutern, was diese Direktive für Unternehmen bedeutet und wie sich dies auf ihre Geschäftspraktiken auswirken wird?

Die neuen Berichtspflichten für Unternehmen betreffen vor allem ökologische, soziale und ethische Aspekte. Aktuelles Beispiel dafür ist, neben anderen, die CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) der Europäischen Union. Sie trat bereits im Januar 2023 in Kraft, der Kreis der Betroffenen wird aber sukzessive erweitert, so dass ab 2028 die Nachhaltigkeitsberichterstattung Teil jedes regulären Geschäftsberichts sein muss. Diese Berichtspflichten stellen das gesamte Unternehmen auf den Prüfstand, denn sie betreffen Einkauf und Produktion genauso wie Personalwesen und Buchhaltung. Es kann und darf keine Ausnahmen geben, denn alle Bereiche eines Unternehmens sind davon betroffen. Zudem beschränken sich die Berichtspflichten nicht auf das eigene Unternehmen, denn praktisch jeder ist Teil eines Netzwerks von Lieferanten, Geschäftspartnern und Kunden, die ihrerseits ihren Berichtspflichten nachkommen müssen. Und das bedeutet nicht nur viel Arbeit, sondern auch einen erheblichen finanziellen und personellen Aufwand. 

Vor der Erweiterung der ESG-Berichtspflicht gab es bereits eine Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte, die jedoch uneinheitlich war. Welche Änderungen erwarten Sie durch die neuen EU-Maßnahmen in Bezug auf die Qualität und Vergleichbarkeit dieser Berichte und wie könnten sie sich auf das Marktumfeld auswirken, insbesondere im Zusammenhang mit dem Green Deal der EU-Kommission?

Wir haben es hier mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen und Effekten zu tun. So soll etwa mehr Transparenz im Hinblick auf die Veröffentlichung der einheitlichen Reporting-Standards ESRS und die damit verbundenen einheitlichem Datengrundlagen erreicht werden. Damit können beispielsweise die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltsgesetz im EU-Wirtschaftsraum besser erfüllt werden. Siegel aus anderen Bereichen, wie etwa Blauer Engel, FSC oder MSC, geben erste Orientierung, aber es muss darüber hinaus gehen, zumal Transparenz wichtig ist für alle Beteiligten. Diese Transparenz und Einheitlichkeit, wie wir sie auch von GuV und Bilanzierung kennen, macht es für alle Beteiligten leichter. Die damit gewonnene Vergleichbarkeit erleichtert künftig den Austausch mit Geschäftspartnern. Allerdings sollten wir uns vor der Illusion hüten, dass damit automatisch der Green Deal der EU und das Pariser Klimaabkommen erfüllt werden. Das wäre zu viel verlangt. Aber die Rechenschafts- und Transparenzpflichten sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung, denn dadurch wird es möglich, zumindest die Spreu vom Weizen zu trennen.

Der Fokus der ESG-Berichte liegt auf ökologischen, sozialen und ethischen Grundsätzen. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie für die ESG-Berichte alle relevanten Daten sammeln und präsentieren, insbesondere in Bezug auf die Komplexität verschiedener Informationen, die manuell erfasst werden müssen?

Das ist ein kritischer Punkt, denn für die nichtfinanzielle Berichterstattung müssen Unternehmen eine riesige Menge relevanter Informationen erfassen und speichern. Dabei muss prinzipiell zwischen internenund externen Datenquellen unterschieden werden. Schon die internen Datenquellen sind ein Problem, denn alle für die Berichtspflicht relevanten Aktivitäten des Unternehmens müssen gemessen und erfasst werden. Dafür fehlen oft die geeigneten Mechanismen und Prozesse, etwa um den tatsächlichen CO2-Fußabdruck von Geschäftsreisen zu bilanzieren. Oder nehmen Sie das Thema soziales Engagement. Gerade lokal verwurzelte Unternehmen engagieren sich häufig in ihrer Gemeinde, ohne dies entsprechend zu erfassen. Alle Aktivitäten, Prozesse und anfallenden Daten müssen jetzt erhoben und in das Reporting integriert werden. Noch schwieriger wird es bei externen Datenquellen, denn. hier sind Unternehmen abhängig vom Informationsfluss.

Es ist eine große Herausforderung, diese Daten in strukturierter Form zu erhalten, sofern sie überhaupt vorliegen. Unternehmen müssen nicht nur alle eigenen relevanten Aktivitäten erfassen, sondern auch Rechenschaft darüber ablegen, wie nachhaltig und sozial ihre Geschäftspartner in der Lieferkette agieren. Das funktioniert nur, wenn alle ihre Hausaufgaben machen. Die meisten IT-Systeme sind auf diese Art der Datenerfassung nicht vorbereitet und müssen erst einmal dafür fit gemacht werden. Hier wartet noch viel Arbeit auf die Unternehmen, denn sowohl die Systeme als auch die Prozesse müssen sich erst einspielen.

Die Einbeziehung der gesamten Lieferkette stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Gibt es bewährte Praktiken oder Software-Lösungen, die Unternehmen dabei unterstützen, den Datenberg zu bewältigen und die Berichterstattung zu erleichtern, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit und Governance?

Dazu müssen wir uns zuerst die Basis, also die IT-Infrastruktur der Unternehmen anschauen. Geeignete Software-Lösungen für Datenmanagement und Reporting sind in der Regel als Plattformen für moderne IT-Architekturen, sprich Hybrid- oder Multi-Cloud ausgelegt, die sich zudem wesentlich leichter aktualisieren und skalieren lassen als veraltete oder selbst entwickelte Umgebungen. Generell löst die ESG-Pflicht damit einen zusätzlichen Schub, man kann auch sagen Druck, zur weiteren Digitalisierung aus – und das vor allem aus zwei Gründen: Einem Unternehmen das seine Prozesse digitalisiert hat, fällt es leichter, die Transparenz- und Rechenschaftspflichten zu erfüllen. Gleichzeitig sorgt die Digitalisierung selbst für ESG-Konformität, da sie einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der ESG-Ziele wie mehr Effizienz, weniger Verschwendung und mehr Nachhaltigkeit leistet. Auf dieser Basis ist dann auch die nötige Flexibilität gegeben, die für das jeweilige Unternehmen passende Lösung einzusetzen – und gegebenenfalls zu wechseln.

Die Plattform AgileDX-Sustainability von CGI wird als Lösung vorgestellt, um die Herausforderungen bei der ESG-Berichterstattung zu bewältigen. Könnten Sie näher erläutern, wie diese Plattform funktioniert und welche Vorteile sie Unternehmen bietet, insbesondere in Bezug auf Automatisierung, Flexibilität und Datensicherheit?

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit dreht sich für eine Organisation alles um das Thema Daten, Quellen und deren Vertrauenswürdigkeit. Menschen und Software müssen Hand in Hand arbeiten, um sie transparent, messbar, kontrollierbar und Reporting-fähig zu machen. Das ist ein komplexer Prozess, der manuell viel zu aufwändig, kosten- und zeitintensiv wäre. Genau hier kommt AgileDX-Sustainability in Spiel. Die Plattform bietet eine sichere Grundlage für die Verwaltung von Nachhaltigkeitsdaten. Sie ist nicht nur in der Lage, Daten zu melden, sondern auch alle benötigten Daten kontrolliert und weitgehend automatisch abzuleiten. Wir haben unsere langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Implementierung von Datenmanagement-Lösungen im Energie- und Versorgungssektor genutzt, um diese hochmoderne, Cloud-basierte Low-Code-Plattform zur Bewältigung der ESG-Berichterstattung zu schaffen. Sie bietet mit ihrem Vier-Augen-Prinzip, den Prozessen zur Datenerfassung, dem standardisierten Asset Management und dem automatisierten Drill Down nicht nur die Möglichkeit, alle benötigten Daten mit minimalem Aufwand und maximaler Glaubwürdigkeit zu erfassen, sondern anschließend auch die relevanten Zahlen zu melden und zudem handlungsleitende Einblicke zu geben, um Unternehmen in eine bessere und nachhaltigere Richtung zu lenken.

Wie könnte die Umsetzung der zukünftigen EU-Direktive Unternehmen dabei unterstützen, nachhaltiges Wirtschaften in den Vordergrund zu rücken und gleichzeitig Green Washing entgegenzuwirken, indem sie klare und transparente Informationen bereitstellen?

Green Washing muss und wird genauso wie etwa Bilanzfälschung als Abweichung von der Norm, als strafbarer Regelverstoß behandelt. Transparenz ist dazu der erste notwendige Schritt. Berichtspflicht und Einheitlichkeit sind schlicht das Korsett für den Green Deal und das neue wirtschaftliche Umfeld, in dem wir uns bewegen. Die Berichtspflicht sorgt dafür, dass Hintertürchen geschlossen werden und Nachhaltigkeit sich wieder lohnt. Im Grunde genommen korrigieren wir damit endlich ein Manko, das erst durch die starre Ausrichtung auf rein ökonomische Faktoren entstanden ist.


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