Salzburg ist beliebtes Touristenziel. Doch so willkommen Touristen sind, werden sie in zu großer Anzahl auch zu einer Belastung für die Anrainer und Anrainerinnen. Datenbasierte Besucherstromanalysen und daran gekoppelte Maßnahmen könnten hier Abhilfe schaffen. [...]
Egal wann: Salzburg, insbesondere die Altstadt ist populäres Reiseziel. Wie in Venedig so entstehen auch hier „Ameisenrouten“ bestehend aus Touristen, die in der Altstadt von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit pilgern. Das führt nicht nur bei den Anrainerinnen und Anrainern zu einem Gefühl der Überlastung, sondern letztlich auch bei den Touristen. Die Aufgabe ist also die Besucherströme zu managen, was das Urlaubserlebnis der Touristen verbessert, gleichzeitig aber die Wertschöpfung für Salzburg weiter zu stärken und keinerlei negativen Auswirkungen auf die Stadt als Wirtschafts- und Lebensraum auszulösen.
Um hier ein entsprechende Lösung zu entwickeln, hat die städtische Tourismusgesellschaft und der Altstadtverband ihren langjährigen Kompetenzpartner Salzburg sowie das AIT – Austrian Institue of Technology zur Evaluierung, Planung und begleitenden Umsetzung eines smarten Besuchermanagements beauftragt, also eine Machbarkeitsstudie anzufertigen.
Der Zeitpunkt ist nicht schlecht: Denn durch die Corona-Pandemie ist der Zulauf an Touristen zwischenzeitlich zurückgegangen, wodurch der wiederkehrende Tourismus systematisch registriert und begleitet werden kann, um ihn schließlich gezielt in die gewünschte Richtung zu lenken.
„Geplante Maßnahmen zur Besucherstromlenkung können simuliert und im Zuge der realen Umsetzung im Feld evaluiert werden.“
Veronika Hornung-Prähauser, Salzburg Research
Für die Besucherstromanalysen können vielerlei unterschiedliche Datenquellen herangezogen werden, erklärt Veronika Hornung-Prähauser von Salzburg Research. Man denke hier an Verkehrszählsensoren auf Straßen, Nutzungsdaten aus den großen Parkgaragen, Nutzungszahlen des Altstadtshuttles, Nutzungsdaten aus der Salzburg Card, in der Altstadt installierte Zählsensoren für Passantinnen und Passanten, WLAN-Scanner, Gästezahlen aus der Nächtigungsstatistik, Wetterdaten von Geosphere etc. Diese Daten könnten durchgehend automatisiert und permanent erhoben werden, wodurch kostengünstig Datenanalysen in langen Zeitreihen ermöglicht werden. Data Scientists bei Salzburg Research und beim AIT können damit Muster und beeinflussende Variablen im Verhalten der Besucherinnen und Besucher entdecken. Darauf basierend hat das Team um Christian Kogler vom AIT ein Prognosemodell entwickelt, das Vorhersagen für künftige Besucherströme ermöglicht.
Aufbauend auf diesen Besucherstromanalysen und einem vom AIT sich in Entwwicklung befindlichen Simulationstool kann Salzburg Research Empfehlungen für Interventionen und Anreize entwickeln. Hornung-Prähauser: „Geplante Maßnahmen zur Besucherstromlenkung können simuliert und im Zuge der realen Umsetzung im Feld evaluiert werden. Diese realen Erfolgswirksamkeitsmessungen werden mit den Prognosemodellen und Simulationen rückgekoppelt, wodurch die Besucherstromanalysen und Lenkungsmaßnahmen – ähnlich einem lernenden System – immer fundierter werden.“
Anhand der Evaluation, Simulation und Analyse des Besucherstroms kann die Frage geklärt werden, wann und unter welchen Umständen welches Verhalten in den Besucherströmen auftritt und welche Konsequenzen das hat. Auf diese Art können Vorhersagen für zu erwartende Bewegungsströme abgeleitet werden. Diese bilden die Grundlage für mögliche und vorausschauende Interventionen, die rechtzeitig vor dem Auftreten von sogenannten Overtourism-Phänomenen gesetzt werden können. Der Nutzen liegt auf der Hand: Probleme mit der Überschreitung von tolerierbaren Kapazitäten würden, so Hornung-Prähauser, damit vermeidbar, bevor diese überhaupt entstehen. Das Ergebnis wäre eine dreifache Win-Win-Win-Situation, bei der sowohl Einheimische als auch Touristinnen und Touristen sowie Tourismusbetrieben gewinnen.
Dabei arbeitet Salzburg Research mit Behavioural-Insights-Strategien, die nicht auf Zwängen, Verboten oder Strafen setzen, sondern der Ursache des Verhaltens nachspüren, dieses analysieren und folglich entsprechend früh eingreifen können. Mögliche Methoden könnten beispielsweise Anpassungen der Umwelt, Situation und der Auffälligkeit von relevanten Variablen oder der Beeinflussung von psychologischen Faktoren sein. Veronika Hornung-Prähauser: „Diese Methoden müssen nicht immer teuer und schwer umzusetzen sein.“
Weitere Information und konkrete Use-Cases in Wagrain-Kleinarl, in der Wolfgangseeregion und im Berchtesgadener Land finden Interessierte in der Publikation »Nachhaltige Besucherstromlenkung im Alpenraum«. Die präsentierten Interventionsmöglichkeiten für nachhaltige Besucherstromlenkung basieren auf einer Systematik, die bei der Salzburg Research Forschungsgesellschaft entwickelt wurde. Ein kostenloser Download findet sich unter https://www.salzburgresearch.at/publikation/nachhaltige-besucherstromlenkung-im-alpenraum.
Kooperativer Verkehr
Wer die genauen Bewegungsdaten von Verkehrsteilnehmern kennt, kann diese analysieren und schafft damit die Grundlage für die Entwicklung sicherer Verkehrssysteme. In Zusammenarbeit mit Alp.Lab forscht Salzburg Research an Lösungen und betreibt in eine C-ITS-fähige Forschungskreuzung in der Stadt Salzburg. C-ITS steht für Cooperative Intelligent Transport Systems. Diese verbinden Verkehrsteilnehmer untereinander und mit der Infrastruktur und sollen solcherart Sicherheit und Effizienz im Straßenverkehr erhöhen. Vernetzte und autonome Fahrzeuge können ihre Umgebung wahrnehmen und ihren Zustand sowie den Zustand der wahrgenommenen Objekte kommunizieren. Zwar ist C-ITS unabhängig davon, ob ein Auto autonom fährt oder nicht, doch in der Übergangsphase zum vollautonomen Verkehr ist das Zusammenspiel von automatisierten Fahrzeugen und Infrastruktur (infrastrukturbasierte Wahrnehmung) die Grundlage, damit autonome und manuell gesteuerte Fahrzeuge gleichzeitig am Verkehr teilnehmen können. Außerdem haben auch autonome Fahrzeuge blinde Flecken in der Wahrnehmung, die durch infrastrukturseitige Wahrnehmung ausgeglichen werden können. Voraussetzung für die Forschung ist jedenfalls die Erfassung präziser und hochfrequenter Wegverläufe von Fahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern an städtischen Kreuzungen. Dies geschieht mit LiDAR oder anderen Sensoren. Salzburg Research bietet mit FlowMotion eine Software-as-a-Service Lösung für die effiziente Verarbeitung und Speicherung von hochfrequenten Wegverläufen aus verschiedenen Sensorquellen für Echtzeit- und historische Datenanalysen. Über eine Roadside-ITS-Station (R-ITS-S) von Kapsch TrafficCom können sicherheitsrelevante Informationen, wie Statusinformationen von Verkehrsteilnehmern, Informationen über Ampelphasen oder Warnmeldungen auch empfangen oder über ITS G5 Nachrichten direkt an angeschlossene Fahrzeuge oder andere Verkehrsteilnehmer gesendet werden.
2022 und Anfang 2023 betrieb Salzburg Research eine mittelgroße, vierarmige Untersuchungskreuzung. An jeder Ecke der Kreuzung stand ein auf die Mitte der Kreuzung ausgerichteter LiDAR-Sensor. Vier Sensoren erfassten die Objekte in der Mitte der Kreuzung und zwei Sensoren die sich entfernenden oder nähernden Objekte bis zu einer Entfernung von 80 Metern. Im März 2023 verlegte man das System an eine andere, komplexere Kreuzung und erweiterte es auf sechs LiDAR-Sensoren.
Die von der oben erwähnten Roadside C-ITS Station empfangenen Nachrichten werden üblicherweise von verbundenen Fahrzeugen gesendet, können aber auch von anderen Verkehrsteilnehmern stammen. Im Bike2CAV-Projekt wurde ein Sensorfahrrad (Boréal Holoscene Edge Bike) in die Lage versetzt, seine aktuelle Bewegung über Cooperative Awareness Messages (CAMs) mitzuteilen.
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