Der ECM-Anbieter SER feiert heuer in Österreich sein 15-jähriges Jubiläum. Im Gespräch mit der COMPUTERWELT erklärt Österreich-Chef Hartmut Gailer, welche großen Paradigmenwechsel es in dieser Zeit gegeben hat und was die eigentlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit Big Data sind. [...]
Wie hat sich das Geschäft von SER in den letzten 15 Jahren verändert?
Hartmut Gailer Zu Beginn war es so, dass Enterprise Content Management hauptsächlich ein Archiv-Thema war. Archiv hieß damals meist hinter einer Fachapplikation Belege digitalisieren und verwalten. Das war eine sehr überschaubare, technisch abgrenzbare Leistung, denn Systemintegration war damals kaum ein Thema. Heute geht es darum, Content intelligent mit Kontext anzureichern und dazu ist eine tiefe Integration mit anderen Systemen notwendig. Sie bekommen zum Beispiel ein E-Mail und anhand des Absenders, anhand der Domain leiten Sie dann aus einer Datenbank mit Geschäftspartnern oder aus einem CRM-System weitere Daten ab, die Sie dem Objekt schon beigeben können. Zusätzlich haben Sie vielleicht noch eine Projektdatenbank, da finden Sie dann Projektnummern, die dazugehören können. So lassen sich Informationsobjekte schon beim Eintreffen mit Metadaten versehen und damit in einen intelligenten Workflow integrieren.
Wie hat sich diese Entwicklung auf das Portfolio von SER ausgewirkt?
Produkttechnisch war die Umstellung des Produktportfolios 2007/2008 auf SOA ein wichtiger Schritt. Heute redet niemand mehr über SOA – man baut Software eben nicht mehr monolithisch, sondern löst sie in kleinere Services auf, die man auch als Nicht-Programmierer ansprechen kann. Apps sind da die extremste Ausprägung. Zusätzlich haben wir uns überlegt, wie man Nutzern Content vernünftig zur Verfügung stellt und sind zu dem Entschluss gekommen, dass man das zu einem großen Teil wie im Internet selbstorganisierend machen muss und haben das schließlich in unserer Software Doxis4 umgesetzt.
Wie stellt man Nutzern Content vernünftig zur Verfügung?
Unsere Lösung ist, dass wir den Informationsobjekten Kontext mitgeben, sogenannte Tags oder Indizes. Diese Metadaten verwalten wir in einem Content Service Bus (CSB). Wir haben zum Beispiel dynamische Akten, die nichts anderes sind, als dynamische Abfragen zu gewissen Themen und die nutzen diesen CSB und gehen für Sie quasi wie ein Crawler ins System und stellen aktuell auf die Minute den Inhalt zur Verfügung, der wirklich da ist. Früher war es so, dass man auf dem Fileserver Verzeichnisse händisch erzeugt und dort in endlosen Pfaden und in tausend verschiedenen Versionen und Kopien Daten abgelegt hat. Da ist ein Paradigmenwechsel passiert. Das Internet funktioniert ja auch so, dass Sie quasi Content mit Tags versehen und nutzbar machen. Dasselbe haben wir in diesem CSB abgebildet.
Das heißt, Unternehmen müssen nur ein Mal die Tags definieren?
Genau. Und damit kann man dann Workflows abbilden und jedes Objekt auch in verschiedenen Workflows haben, weil es ja nur referenziert wird. Das Objekt selber ist unique, wird nur ein Mal abgespeichert und damit habe ich eine zentrale Datenbasis. Ein Beleg zum Beispiel: Den braucht man einerseits für die Rechnungsprüfung und andererseits will ihn der Projektverantwortliche im Projektordner haben. Das war ein riesiger technologischer Sprung.
Wie beurteilen Sie den aktuellen Hype um Big Data?
Die Frage, wie ich große Datenmengen pflege und nutzbar mache, ist ein Klassiker. Damit haben wir uns immer schon beschäftigt. Die große Big-Data-Herausforderung ist, Daten für den User nutzbar zu machen, ohne dass Sie am Ende des Tages ein IT-Projekt daraus machen müssen. Dafür braucht man die entsprechende Infrastruktur. Auf uns übertragen heißt das, dass Sie ein Repository installieren müssen, das technisch in der Lage ist, das alles zu leisten. Und Sie müssen den Content Service Bus installieren, so dass Abfragen, das Navigieren, das Suchen möglich ist.
Verwendet SER das Schlagwort Big Data für Marketing-Zwecke?
Man kann damit gut die Ernsthaftigkeit von IT-Projekten unterstreichen: Big Data – da geht es ja um was. Das Schlagwort Big Data ist aber hilfreich, da es dazu führt, dass man beginnt eine Aufgabenstellung zu diskutieren, die bisher als Storage-Thema gesehen wurde. Aber eigentlich geht es darum, unstrukturierten Content zu erschließen. Die Menge selber und die Speicherung sowie Erreichbarkeit der Daten ist nicht die Aufgabenstellung. Die Aufgabenstellung ist Versionierung: wie unterscheide ich in Unternehmen, was denn wirklich die letzte Version ist. Die Aufgabenstellung ist Single Instance: wie speichere ich es nicht tausend Mal ab. Und die Aufgabenstellung ist: wie stelle ich Content unterschiedlichen Use Cases zur Verfügung.
Das Gespräch führte Oliver Weiss.
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