Biometrie: Neuer Anlauf im Massenmarkt?

Fingerabdruckleser für Computer und Smartphone sind keine Erfindung von Apple. So bieten Notebook-Hersteller wie Lenovo schon seit Jahren in bestimmten Modellen die Option an, mit einem Fingerwisch die Bildschirmsperre aufzuheben. Doch bisher konnte sich dieses Feature nicht wirklich durchsetzen. [...]

Am Verlauf der Aktie des Spezialunternehmens Precise Biometrics kann der jüngste Hype um das Geschäft mit der Biometrie gut abgelesen werden. Seit Anfang des Jahres hat der Kurs des schwedischen Unternehmens um fast 450 Prozent zugelegt. Im Aufwärtskurs sind zwei Spitzenwerte auffällig gut zu erkennen: Am 4. September verdichteten sich die Hinweise darauf, dass das neue iPhone-Spitzenmodell mit einem Fingerabdrucksensor ausgerüstet wird, am 10. September bestätigte Apple-Chef Tim Cook genau dieses Gerücht. Am Tag darauf erreichte das Papier ein neues Allzeithoch.

Fingerabdruckleser für Computer und Smartphone sind keine Erfindung von Apple. So bieten Notebook-Hersteller wie Lenovo schon seit Jahren in bestimmten Modellen die Option an, mit einem Fingerwisch die Bildschirmsperre aufzuheben. Doch bisher konnte sich dieses Feature nicht wirklich durchsetzen.

BIOMETRIE FÜR DEN MASSENMARKT?
Apple hat sich jahrelang auf den Einstieg in die Biometrie-Technologie vorbereitet. Im Juli 2012 wurden intensive interne Forschungen durch den Kauf der Technologie-Firma AuthenTec für 356 Mio. Dollar abgerundet. Mit dem Verkauf des neuen iPhone 5S könnte nach Einschätzung von Experten eine neue Ära für die Biometrie im Massenmarkt anbrechen. Im Home-Button befindet sich ein Fingerabdruckscanner, der auf Wunsch das Telefon entsperren kann. Außerdem kann der Fingerabdruck im iTunes-Store das Passwort ersetzen. »Wir halten das für einen guten und wichtigen, weil anwenderfreundlichen Schritt«, sagt Martin Hammerschmid, Geschäftsführer von EMC Österreich. »Passwörter werden zu einfach gewählt oder sie sind so komplex, dass Anwender sie sich nicht merken können.«

»Das iPhone 5S ist das erste im großen Stil vertriebene Mobilgerät, in dem ein biometrischer Sensor verbaut wird«, freut sich Kay Meier, Top-Manager des amerikanischen Biometrie-Startups Bio-key. »Das ist der Tag, auf den wir lange gewartet haben«, sagte Meier dem Sender Bloomberg TV. Allerdings sei das Apple-System allein darauf ausgerichtet, das iPhone selbst und das eigene Ökosystem abzusichern. Was in den Augen von Meier als Nachteil der iPhone-Lösung erscheint, sieht Apple als großen Vorteil. Die Kalifornier planen nämlich bisher nicht, die biometrischen Informationen über eine Programm-Schnittstelle anderen Software-Herstellern und Dienstleistern bereitzustellen.

DATENSCHÜTZER WARNEN
Zur Verunsicherung der Anwender tragen auch Äußerungen wie die des Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar bei. Seiner Ansicht nach sollten Fingerab­drücke nicht für alltägliche Authentifizierungsverfahren abgegeben werden, insbesondere wenn sie in einer Datei gespeichert werden. »Biometrische Merkmale kann man nicht löschen. Sie begleiten uns das Leben lang.« Apple hat allerdings zum Verkaufsstart des iPhone 5S schlüssig geschildert, dass der Fingerabdruck selbst gar nicht auf dem iPhone gespeichert wird.

Das Smartphone erzeugt – wie andere Biometrielösungen auch – aus den Linien des Fingerabdrucks eine Zahl, in die in einer komplexen mathematischen Berechnung ein zufälliger Wert mit eingeht. Nur dieser »Hash« wird gespeichert, und aus dieser Zahl lässt sich kein Fingerabdruck rekonstruieren, selbst wenn man über die Hochleistungsrechner der NSA verfügt. Außerdem verschlüsselt Apple diesen »Hash« noch mit einem aufwendigen Kryptoverfahren.

EMC-Geschäftsführer Hammerschmid fordert dennoch verlässliche Rahmenbedingungen aus Politik und Wirtschaft für den Einsatz der Biometrie im Massenmarkt: »Damit angesichts der aktuellen Datenschutzdebatten diese gute und sinnvolle Technologie vertrauensvoll und ohne Bauchschmerzen der Anwender genutzt wird, sind auch die Unternehmen und der Gesetzgeber gefragt.« Sie müssten sicherstellen, dass die Fingerabdruckdaten missbrauchssicher gespeichert und genutzt werden. »Sonst wird diese Technik durch die Nutzer boykottiert.«

IPHONE 5S SCHON GEHACKT?
Das Biometrie-Team des Chaos Computer Clubs (CCC) hat eigenen Angaben zufolge relativ problemlos die biometrischen Sicherheitsfunktionen des Apple TouchID überlistet und in einem Video dokumentiert. Alles was die Sicherheitsexperten dazu benötigt haben, war das Foto des entsprechenden Fingerabdrucks, der von einer Glasfläche abfotografiert wurde. So wurde ein künstlicher Fingerabdruck ­erzeugt. Das Verfahren dazu ist nicht neu und aus diversen Spionage-Filmen bekannt. Die Methode ist vergleichsweise einfach und nutzt Materialen, die in nahezu jedem Haushalt vorhanden sind: Zuerst wird der Fingerabdruck eines Benutzers mit einer Auflösung von 2.400 dpi fotografiert. Das Foto wird dann am Computer bereinigt, invertiert und per Laserdrucker auf eine Transparenzfolie gedruckt. Auf das Druckbild wird dann hautfarbene Latexmilch oder weißer Holzleim aufgetragen.
Durch die Drucklinien entsteht ein Fingerabdruckbild in dem aufgetragenen Material. Nach dem Trocknen kann der gefälschte Finger abgenommen werden. Diesen feuchtet man leicht an, indem man ihn anhaucht. Dann kann man das iPhone damit entsperren, wie in einem Video ­demonstriert wird. »Wir hoffen, dass dies die restlichen Illusionen ausräumt, die Menschen bezüglich biometrischer Sicherheitssysteme haben. Es ist eine dumme Idee, etwas als alltägliches Sicherheitstoken zu verwenden, was man täglich an schier unendlich vielen Orten hinterlässt«, sagt Frank Rieger, Sprecher des CCC.


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