Bis zum Internet der Dinge ist es ein weiter Weg

Auf der "embedded world" 2014 in Nürnberg präsentierten mehr als 800 Aussteller ihr Portfolio. Das absolute Schwerpunktthema war "Internet of Things" (IoT). Noch wurde aber mehr darüber geredet, als es tatsächliche Anwendungsbeispiele zu sehen gab. [...]

EMBEDDED SYSTEMS BOOMEN
Einstweilen funktioniert jedoch das klassische Geschäft der traditionellen Embedded-Systems-Anbieter, wie die große Anzahl zufriedener Aussteller und der Besucherrekord von mehr als 25.000 Menschen in Nürnberg zeigte. Zumindest bei den österreichischen Vertretern der Branche war die Stimmung durchwegs gut. Herbert Demmel, Geschäftsführer von demmel products, freute sich über das große Interesse an den iLCD-Bildschirmen seines Unternehmens, die nach Kundenanforderung in kleinen und mittleren Stückzahlen für individuelle Anwendungen, etwa in der Medizintechnik, produziert werden: „Natürlich steigen die Anforderungen an unsere intelligenten Bildschirme als Steuerungssystem in allen Bereichen, egal ob es um die Steuerung von Laserschweißgeräten in der Schmuckherstellung oder um die Bedienung von mehr als mannshohen Schiffsschrauben im Schiffsbau geht.“ Dazu gehören mehr Farbe, mehr Funktionalität und hohe Auflösungen auch in kleinen Formaten, bis hin zum 2.8 iLCD-Panel mit Touchscreen 240×320 Pixel.

Verglichen mit Produkten für den Consumer-Markt ist das nicht wirklich innovativ, doch unter den Einsatzbedingungen in der Industrie, wo vielerorts noch grob gepixelte Monochrom-Displays genutzt werden, bedeutet es ein deutlich verbessertes Benutzererlebnis. „Wenn jemand eine Maschine für eine Million Euro kauft, dann sollte auch der Steuerungsbildschirm ansprechend und ergonomisch gestaltet sein“, weiß Demmel. Die wichtigsten Technologie-Trends seien daher höhere Prozessorleistung, mehr Grafikfunktionalität und wachsende Speicherkapazität. Einzelne Modelle besitzen bereits 128 MB Flashspeicher. Netzwerkfähig müssten die Geräte in vielen Einsatzbereichen ohnehin sein, hier sei bislang keine gesteigerte Nachfrage im Zuge der Entwicklung des Internet der Dinge spürbar.

Ähnlich sieht es bei Ginzinger electronic systems aus. Hier wurde auf der embedded world über Linux-basierte Lösungen wie etwa eine elektronische Ofensteuerung oder ein System zur Überwachung und Steuerung von Hochleistungsakkus für Elektrofahrzeuge und -boote informiert. Ginzinger übernimmt bei solchen Produkten je nach Kundenwunsch entweder einzelne Aufgaben oder den gesamten Prozess von der Entwicklung über die Produktion bis zum Versand und Ersatzteilservice. Natürlich könnten die Geräte auch intelligent vernetzt werden, das sei jedoch in den meisten Fällen keine zentrale Kundenanforderung.

Ein anderes Bild bot der Stand von ams. Hier stand vor allem die lokale Vernetzung mittels RFID und NFC im Vordergrund – beispielsweise, um Warenströme zu kontrollieren oder um Kundenkommunikation am Point of Sales zu erleichtern und Mobile Payment zu ermöglichen. Bei den dafür nötigen Sensoren und Readern von ams spielen Funktionen für Sicherheit und Verfügbarkeit – etwa durch optimiertes Energie-Management – die Hauptrollen.

Mit der Beta-Version der UML-Modellierungsplattform Enterprise Architect 11 im Gepäck kam SparxSystems Software nach Nürnberg. Sparx-Partner LieberLieber Software präsentierte am Gemeinschaftsstand erstmals seine neu definierte Produktpalette für Enterprise Architect, die auf dem Knowhow aus zahlreichen Individualprojekten rund um die Plattform aufbaut: „Auf Basis unserer praktischen Erfahrung konnten wir den Fokus unserer Produkt­palette weiter schärfen. Dies äußert sich nun auch in einer einheitlichen Namensgebung der Produkte. Zusätzlich erschließen wir durch die Kooperation mit iSYSTEM neue Kundensegmente im Embedded-Markt“, erklärte Daniel Siegl, Geschäftsführer von LieberLieber Software. Um den Einsatzbereich und die Zielgruppen der LieberLieber-Produkte stärker zu profilieren, wurden sowohl die Namensgebung als auch die Produktdefinition neu gestaltet. Das Ergebnis präsentierte LieberLieber in Form von insgesamt drei Produktpaketen: „Enar uml2code + enar uml debugger“ ist als Lösung für UML-Codegenerierung und Debugging gedacht, die mit existierenden Embedded IDEs und Debuggern zusammenarbeitet.

Daneben gibt es die „enar systems engineer suite“ mit einem verbesserten SysML-Profil und Modellierungsassistenten sowie die „enar autosar engineer suite“ mit Unterstützung des AUTOSAR 4 VFB Modellierungsstandards und ARXML-Export. „Die Bezeichnung enar bei allen Produkten verweist auf die enge Verbinding mit Enterprise Architect“, erläutert Roman Bretz, neuer CTO von LieberLieber Software. Das Bündeln von Modulen zu Produktpaketen solle den Nutzen für konkrete Benutzergruppen, wie beispielsweise Systemingenieure oder Embedded Developer, erhöhen. Die Kooperation mit iSYSTEM hat sich angeboten, da sowohl der Embedded-Markt als auch der Markt für modellbasierte Software- und Systementwicklung deutlich wächst. Gleichzeitig fehlt es an Werkzeugen, um die entstehende Software direkt aus dem Modell heraus auf der spezifischen Hardware zu testen und zu debuggen. In dieser Situation wollen LieberLieber Softare und iSYSTEM gemeinsam neue Marktpotentiale erschließen.

ETHERNET ALS IOT-ENABLER
Zu den wenigen Ausstellern, die das Internet of Things deutlich sichtbar in ihren Messeauftritt einbezogen, gehört TTTech Computertechnik. Das Wiener Unternehmen ist auf Netzwerklösungen für die Entwicklung von Embedded Systems spezialisiert. Die Produkte von TTTech finden sich unter anderem in den Oberklasse-Modellen von Audi und in modernen Flugzeugen wie dem Airbus A380, dem Boeing 787 Dreamliner und der Bombardier CSeries. In Nürnberg präsentierte TTTech sein Deterministic Ethernet als Enabler-Technologie für das Internet der Dinge. Deterministisches Ethernet bietet gegenüber dem normalen Ethernet-Standard den Vorteil, dass Anwender kritische Datenverkehre zeitlich determinieren und verwalten können. Darüber hinaus lassen sich einzelnen Sendern und Empfängern festgeschriebene Bandbreiten zuteilen und bestimmte Datenströme priorisieren. Das vermeidet Störungen sensibler Datenübertragungen und verbessert die Effizienz der Netzwerke, indem es die Ausnutzung der bestehenden Bandbreite optimiert. Aktuell arbeitet TTTech gemeinsam mit Cisco an der Etablierung von Deterministic Ethernet als zentralem Technologiebaustein für das „Echtzeit-Internet der Dinge“. Unterstützt werden diese Bestrebungen von einem Eco-System aus Halbleiter- und Softwarelieferanten, bestehend aus Altera, Infineon Technologies, NVIDIA, NXP, Texas Instruments, Vector Informatik, Wind River und Xilinx. Ricky Hudi, Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik bei Audi: „Ziel ist die Innovations- und Marktführerschaft im Bereich des pilotierten Parkens und pilotierten Fahrens. Zu diesem Zweck entwickeln TTTech und Audi ein hochperformantes zentrales Steuergerät für Fahrerassistenzsysteme. Dieses wird über eine Rechenleistung und ein Speichervermögen verfügen, welche die Leistung der gesamten Elektronikarchitektur des heutigen Audi A4 übertreffen. Mit diesem Hochleistungssystem schlagen wir den Weg zur vollständig vernetzten Welt hin zum pilotierten Parken und Fahren ein.“

* Der Autor Uwe Küll ist freier Journalist.


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