In den USA hat eine elektronische Handelsplattform ihren Börsengang vermasselt und die Zweifel am schnellen Computerhandel bestärkt. Nach technischen Pannen musste die drittgrößte US-Börse BATS Global Markets die Notbremse ziehen und sich am Tag ihres Marktdebüts wieder aus dem Handel verabschieden. [...]
Die BATS-Aktie stürzte vom Ausgabepreis von 16 Dollar (12,08 Euro) auf weniger als einen Penny ab. Entnervte Händler fühlten sich an den „Flash Crash“ im Mai 2010 erinnert, als an der New Yorker Wall Street binnen weniger Minuten fast eine Billion Dollar an Marktwert verschwanden.
Der desaströse Verlauf des Tags war für BATS Freitag in der Früh zwar noch nicht absehbar. Doch bereits in der Frühstückslektüre fanden sich für den Jäger etablierter Börsenbetreiber wie Nyse Euronext und Nasdaq OMX schlechte Nachrichten: Das „Wall Street Journal“ berichtete auf der Titelseite, BATS sei in eine Untersuchung der US-Börsenaufsicht zum Hochfrequenzhandel verwickelt. Unter Händlern war damit der Ton gesetzt, auch wenn das Vorhaben seit Monaten bekannt war. Kritiker des Angreifers aus Kansas fühlten sich bestärkt.
Bereits zur Handelseröffnung brach die Aktie auf 15,25 Dollar ein und geriet kurz darauf völlig unter die Räder. Diverse Transaktionen mussten storniert werden. Kurz nach 10.45 Uhr – so die Darstellung von BATS – griff ein Softwarefehler auf alle Papiere mit Aktiensymbolen von A bis BFZZZ über. Die BATS-Aktie geriet in einen Abwärtsstrudel, an dessen Ende der völlige Handelsabbruch stand. An der Börse herrschte Chaos: Auch Apple-Aktien konnten nicht mehr gehandelt werden.
SCHLECHTE OPTIK Dabei ging es für das 2005 gegründete Unternehmen nicht nur um den eigenen Börsengang. Es war auch der erste IPO überhaupt auf der Plattform. So dauerte es nicht lange, bis Experten Zweifel an der Kompetenz des Börsenbetreibers äußerten: „Ich denke, dass einige Firmen nun sagen könnten: Wenn sie ihren eigenen IPO nicht auf die Reihe kriegen, wie wollen sie es dann bei anderen Unternehmen schaffen?“, sagte etwa Dennis Dick von Bright Trading LLC. Jason Weisberg von Seaport Securities stieß ins gleiche Horn: „Das Letzte, was man als börsennotiertes Unternehmen tun sollte, ist seinen eigenen IPO zu vermasseln.“
Kritikern des superschnellen Computerhandels spült das BATS-Fiasko Wasser auf die Mühlen. Beim so genannten Hochfrequenz-Handel (HFT) kaufen oder verkaufen Computerprogramme auf Grundlage komplizierter mathematischer Algorithmen innerhalb einer Sekunde Tausende Male Wertpapiere. Dadurch summieren sich selbst Kursveränderungen mehrere Stellen hinter dem Komma zu erklecklichen Gewinnen. HFT gilt als mitverantwortlich für die immer drastischeren Kursspitzen der vergangenen Jahre.
Politik und Regulierer bemühen sich um eine Beschränkung des Handels bemühen, davor warnen wieder andere: Mit der Eindämmung des HFT gehen nach dieser Einschätzung die Kursschwankungen nicht zwangsläufig zurück. Mit ihren ständigen Käufe und Verkäufe halten Hochfrequenz-Händler einen Markt liquide. Fällt diese Gruppe aus, können Investoren Schwierigkeiten bekommen, ihre Papiere zu einem angemessenen Preis zu Geld zu machen oder in den Markt einzusteigen.
DRUCK AUF BÖRSEN WÄCHST Die Plattform wurde vor wenigen Jahren von großen Banken und Handelsfirmen gegründet, um die Vormachtstellung von Nyse und Nasdaq zu brechen. Ihr Erfolg zwang die traditionellen Börsen, technisch gleichfalls aufzurüsten und Geschäfte im Millisekunden-Takt zu ermöglichen. Die Branche steht weltweit unter Druck, sich wegen sinkender Preise neue Geldquellen zu erschließen oder mit Hilfe von Übernahmen oder Fusionen zu wachsen. Das gelingt nicht immer: Der geplante Zusammenschluss von Deutscher Börse und Nyse Euronext scheiterte am Nein der EU-Kommission.
Auch die in Kansas ansässige BATS folgt der Strategie, sich durch den Kauf von Rivalen breiter aufzustellen. Im November genehmigten die britischen Behörden die Übernahme von Wettbewerber Chi-X Europe für 300 Millionen Dollar. Die beiden zusammen kamen damals im europäischen Aktienhandel auf einen Marktanteil von ungefähr 25 Prozent. Dem Börsenprospekt zufolge hatte BATS im vergangenen Jahr einen Anteil von gut elf Prozent am US-Aktienhandel und rund drei Prozent am Markt für Aktienoptionen.
Das Fiasko dürfte die Beteiligten teuer zu stehen bekommen: Wenn BATS seinen Börsengang rückgängig macht, haben Investoren Anspruch auf rund 100 Millionen Dollar, die durch den Verkauf der Aktien an die Banken und andere Anteilseigner geflossen sind. Auf dem Spiel stehen zudem Millionen an Gebühren für Institute, die den Börsengang begleiten.
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