„BPM spielt eine zentrale Rolle“

Im COMPUTERWELT-Interview spricht Michael Bergmann, Geschäftsführer von Scheer Austria, über die Digitale Transformation und die damit verbundene Rolle von Business Process Management, HANA und Cloud Computing. [...]

Ist die Digitale Transformation ein Hype oder wird die Digitalisierung die heimische Wirtschaft nachhaltig verändern?
Die Digitalisierung und damit die Digitale Transformation ist mit Sicherheit kein Hype, der wieder verschwindet. Die Digitalisierung ist vielmehr ein technologischer Wandel, der uns alle und damit auch die Unternehmen derzeit schon betrifft und in Zukunft noch viel stärker betreffen wird. Digitale Technologien, vom Smartphone bis zum einzelnen Sensor, haben sich in den letzten Jahren so rasant weiterentwickelt, dass sie einen maßgeblichen Einfluss auf Geschäftsprozesse beziehungsweise die Digitalisierung von Geschäftsprozessen haben und damit Geschäftsmodelle verändern oder neue Geschäftsmodelle entstehen lassen. Die Digitale Transformation betrifft einfach alle Branchen. Manche sind davon etwas stärker beziehungsweise früher betroffen, andere etwas weniger stark beziehungsweise später.

Wie weit ist die Digitalisierung in Österreich fortgeschritten?
Das kann man nicht generell beantworten. In einigen Bereichen ist Österreich im Vergleich zu anderen Ländern hier schon recht weit vorne, etwa in der Digitalisierung in einigen Bereichen der Verwaltung, in anderen Bereichen hinkt Österreich allerdings noch hinterher. Das größte Potenzial der Digitalisierung sehe ich aktuell in der Dienstleistungsbranche. Hier ändern sich derzeit die Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung am schnellsten. Ein Beispiel ist die Reise-Branche mit diversen Buchungs- Plattformen bzw. Anbietern wie Airbnb oder Uber, die die Branche nachhaltig verändern. Auch Banken und Versicherungen verspüren diesen Wandel derzeit massiv. Das Geschäft verlagert sich zunehmend ins Web, physische Bankfilialen werden geschlossen, Mitarbeiter abgebaut.

Wobei geht es bei der Digitalen Transformation konkret und wie können neue Geschäftsmodelle kreiert werden?
Bei der Digitalen Transformation geht es vor allem darum, die Chancen der Digitalisierung nutzbringend und natürlich für das Unternehmen gewinnbringend umzusetzen und dadurch gegebenenfalls auch ein ganz neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Darauf können ganz neue Geschäftsmodelle aufgesetzt werden. Dass sich durch Technologieschübe – wie derzeit die Digitalisierung – Geschäftsmodelle und ganze Branchen ändern, ist nichts Neues. Auch durch die Erfindung der Dampfmaschine oder später des Verbrennungsmotors haben sich ganze Branchen massiv verändert oder sind gar ganz verschwunden, wie etwa die Branche der Fuhrwerker. Das passiert aktuell durch die Digitalisierung und das Internet auch. Bei der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle muss man sich überlegen, ob man disruptiv vorgeht, also ein komplett neues Geschäftsmodell auf der grünen Wiese entwickelt, das mit dem alten Geschäftsmodell nichts zu tun hat, oder ob man ein bestehendes Geschäftsmodell mit den Mitteln der Digitalisierung in die digitale Welt transferiert.
Welche Rolle spielt dabei Business Process Management, einer der Schwerpunkte von IDS Scheer?
BPM spielt bei der Digitalen Transformation eine zentrale Rolle. Die Revolution – auch die digitale– liegt in den Prozessen. Ohne die dahinterliegenden Prozesse funktioniert kein Businessmodell – auch und erst recht kein digitales. Digitale Businessmodelle arbeiten in der Regel mit großen Datenmengen und einer hohen Anzahl von Transaktionen. Je datenund transaktionsintensiver ein Businessmodell ist, desto wichtiger sind die dahinter liegenden Prozesse. In unserem digitalen Transformationsansatz von Scheer spielen daher die Prozesse eine entscheidende Rolle.
Wie können SAP-Anwender von der Digitalisierung profitieren?
SAP-Anwender haben den Vorteil, dass ihre Kernprozesse bereits auf einer zukunftsweisenden Plattform digitalisiert sind. Sie können auf dieser Plattform aufsetzen und diese um mobile Komponenten wie SAP Mobile oder SAP Fiori, um Cloud-basierte Komponenten wie SAP Cloud for Customer oder SAP Cloud for People und um Kollaborationsplattformen wie SAP Hybris oder SAP Ariba ergänzen. Das heißt, SAP-Anwender haben ihre Hausaufgaben – die zukunftsfähige Digitalisierung ihrer Kernprozesse – bereits gemacht. Darauf können sie aufsetzen und die Herausforderungen der Digitalen Transformation schneller angehen.

Welche Rolle spielt SAP HANA dabei?
SAP HANA wurde von der SAP genau dafür entwickelt, neue digitale Geschäftsmodelle zu ermöglichen. SAP HANA, der SAP HANA Cloud Platform und SAP S/4HANA kommt dabei eine wichtige Rolle als Backbone der Digitalen Transformation zu. Durch die Geschwindigkeit, die die In-Memory-Plattform SAP HANA bietet, werden manche digitalen Geschäftsmodelle überhaupt erst ermöglicht. Das ist mit Sicherheit ein wichtiger Antrieb für Unternehmen, auf SAP S/4HANA zu migrieren. Wir als Scheer unterstützen unsere Kunden bei der Transformation auf SAP S/4HANA als Basis für weitere Digitalisierungsinitiativen.
Werden sich im Zuge der Digitalisierung sämtliche Prozesse in die Cloud verschieben? Ist Cloud Computing der Treiber der Digitalisierung?
Die Cloud ist sicher ein wichtiger technologischer Treiber der Digitalisierung. Durch die Cloud lassen sich ganz andere Skalen-Effekte erzielen als durch herkömmliche Lösungen. Bei Cloud-Lösungen fällt die Komplexität der Basis-Technologie und Hardware komplett weg, dadurch wird Komplexität aus Projekten genommen. Die Zeit für das Go-to-Market wird durch Cloud-Anwendungen geringer. Daher sind diese sehr gut für die Unterstützung der Digitalen Transformation geeignet, da neue, digitale Geschäftsprozesse schnell umsetzbar sind. Auch Scheer bietet mit der Scheer BPaaS Plattform, ein Business Process as a Service-Modell, eine rein Cloud-basierte Lösung an, über die sich analoge Unternehmensprozesse sehr einfach und schnell digitalisieren lassen.

Welche Rolle spielt IoT oder Industrie 4.0 bei der Digitalisierung?
IoT und Industrie 4.0 sind sehr wichtige Aspekte der Digitalisierung. Während Industrie 4.0 vor allem in Europa sehr stark auf das produzierende Gewerbe abzielt, wird das IoT etwas weiter gefasst. Das Konzept des Internet of Things geht in der Endausbaustufe davon aus, dass jedes Gerät, jeder Sensor und auch sehr viele Produkte mit dem Internet verbunden sind und miteinander kommunizieren. Es ist ja jetzt schon so, dass Smartphones, Fernseher, manche Haushaltsgeräte und neuere Autos mit dem Internet verbunden sind. Die Anzahl dieser Geräte und v.a. die Vernetzung zwischen den Geräten wird massiv zunehmen, da die Kosten für eine Verbindung eines einzelnen Geräts in das Internet stark abnehmen. Daraus werden neue Anwendungen, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entstehen. Industrie 4.0 ist im industriell stark geprägten Österreich ein wichtiges Konzept. Im Mittelpunkt steht der Kunde, der ein extrem individualisiertes Produkt haben will. Durch die Konzepte von Industrie 4.0, wie Smart Factories oder sich selbst steuernde Produktionsanlagen kann diese Individualisierung zum Preis der Massenproduktion erreicht werden.
Die Digitale Transformation soll auch endlich wieder den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Was müssen Unternehmen dafür tun und welche Vorteile entstehen ihnen damit im Vergleich zu ihrem Mitbewerb?
Durch die Digitale Transformation haben die Unternehmen mehr Kundendaten denn je zur Verfügung. Dadurch kennen die Unternehmen ihre Kunden immer genauer und können diese besser in den Mittelpunkt stellen und sehr individualisierte Leistungen anbieten, die genau auf jeden einzelnen ihrer Kunden zugeschnitten sind. Auch das Konzept von Industrie 4.0 zielt auf die Individualisierung der Produkte auf den genauen Kundenwunsch zum Preis der Massenfertigung ab und stellt somit auch den Kunden in den Mittelpunkt. Durch die Digitalisierung haben die Unternehmen die Chance, den Kunden stärker in den Mittelpunkt zu stellen als der Mitbewerb und sich dadurch vom Mitbewerb abzuheben. Die Digitalisierung bietet aber auch die Möglichkeit, den Kunden zusätzliche, über das eigentliche Produkt oder die eigentliche Dienstleistung hinausreichende Services anzubieten und den Kunden damit zu binden.
Zur Person
Nach seinem Universitätsabschluss in Nachrichtentechnik und Elektronik hat Michael Bergmann das Studium der Handelswissenschaften abgeschlossen. Seine berufliche Laufbahn startete er als SAP-Logistik-Berater bei Ploenzke beziehungsweise CSC Ploenzke. Danach war er als SAP-Logistik-Berater und Projektleiter bei Plaut tätig und später Teamleiter für das SAP-ERP-Team bei IDS Scheer. Danach wurde Bergmann Geschäftsführer bei IDS Scheer Austria und später auch bei Software AG Österreich. Heute ist er nicht nur wieder Geschäftsführer bei Scheer Austria, sondern auch COO für das internationale Geschäft von Scheer.

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