BRZ forciert digitale Verwaltung

Im Beisein der Minister Schramböck und Löger präsentierte das Bundesrechenzentrum neue Ansätze zur Kooperation mit Unternehmen zum Thema Digitalisierung. Zentral sei dabei, Verwaltung »neu zu denken« und Anwendungen zu entwickeln. [...]

Christine Sumper-Billinger (Geschäftsführerin des BRZ), Ministerin Margarete Schramböck, Minister Hartwig Löger und Markus Kaiser (Geschäftsführer des BRZ) eröffnen die Innovation Factory. (c) BRZ

Österreich ist in den letzten Jahren bei den Themen rund um die Digitalisierung und Breitbandausbau im internationalen Vergleich immer weiter zurückgefallen. Auch im Bereich E-Government liegt mittlerweile nur noch im Mittelfeld und wurde vom Vorreiter Estland abgehängt. Um wieder ins Spitzenfeld aufzusteigen hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem Bundesrechenzentrum (BRZ) die »Innovation Factory« ins Leben gerufen und im Beisein von Bundesminister Hartwig Löger und Bundesministerin Margarete Schramböck feierlich eröffnet.

In der Innovation Factory hat das BRZ die Möglichkeit, Workshops zu veranstalten und Prototypen zu entwickeln, um Prozesse der Verwaltung gemeinsam mit Kunden und Partnern neu zu denken. Mittels einer flexiblen, agilen Umsetzung werden beispielsweise Bürger-Services, Blockchain-Piloten oder ein digitaler Ratgeber für KMU zur Datenschutz-Grundverordnung umgesetzt. Ein wesentlicher Aspekt dabei soll die Einbeziehung der Bürger sein, die durch den Einsatz moderner Methoden wie Design Thinking sichergestellt wird. Konkret soll es darum gehen, Unternehmen und Startups in die Innovationsfabrik einzuladen, die dort Apps und Programme für die österreichische Verwaltung entwickeln.

Apps statt Amtswege

Wer ein Baby auf die Welt bringt, muss sich derzeit um Staatsbürgerschaft, Meldezettel und Geburtsurkunde direkt am Amt bemühen. Künftig soll dies mit dem »digitalen Baby-Freund« per Smartphone aus dem Krankenhaus-Bett erledigt werden können. »Die App dazu wird gerade entwickelt«, so Margarete Schramböck. Im Sommer soll es dazu einen »Soft Launch« geben. »Zuerst werden die Unterlagen noch analog zugestellt, aber langfristig wird auch dies digital funktionieren«, sagte die Ministerin im Rahmen der Eröffnung der Innovation Factory.

Seit 2003 ist FinanzOnline das zentrale Portal der Finanzverwaltung, insgesamt 650 Mio. Euro konnten dadurch an Verwaltungskosten eingespart werden. Derzeit nutzen 4,6 Mio. Österreicher dieses Service, das vom BRZ technisch betreut wird. Anfang 2018 wurde das Portal neu gelauncht und benutzerfreundlicher gemacht. Mittels Co-Creation wurden die Ideen von Usern gesammelt und, wo bereits möglich, in die Neugestaltung miteinbezogen. »Sich als Behörde zu öffnen und aktiv die Steuerzahler um ihre Meinung zu bestimmten Themen zu bitten, ist ein neuer Schritt gewesen«, so Löger. »Der Innovationsgeist und die Offenheit machen Mut, diesen Weg der kollaborativen Zusammenarbeit auch weiter zu gehen, die Innovation Factory ist ein weiterer Meilenstein dabei«.

Ziel bürgerfreundliche Verwaltung

»Die Innovation Factory ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie die digitale Verwaltung noch näher an den Bürgern auszurichten und damit wieder einen Spitzenplatz in Europa einzunehmen. Das BMF war und ist immer einer der Vorreiter der digitalen Verwaltung gewesen«, so Löger weiter. Die Initiativen zur Automatisierung von Familienbeihilfe und Arbeitnehmerveranlagung seien europäische Referenzbeispiele. »Unser Ziel ist eine möglichst effiziente und dabei bürgerfreundliche Verwaltung.«

Ideengber der Verwaltung

»Die Innovation Factory ist nicht nur ein Raum, es ist auch eine Arbeitsweise«, erklärt Christine Sumper-Billinger, Geschäftsführerin des BRZ. Der Anspruch der Kunden an das BRZ habe sich in den letzten Jahren geändert, weg vom reinen Dienstleister: »Wir sind der Ideengeber der Verwaltung, wenn es um digitale Transformation geht.« Mit mehr als 1.200 Mitarbeitern ist das BRZ eines der größten IT-Unternehmen Österreichs, dementsprechend vielfältig sind die Aufgabenstellungen und Chancen für IT-Spezialisten. Partnerschaften mit der Privatwirtschaft, Hochschulen und internationalen Institutionen wie Euritas ermöglichen zudem eine enorme Projektvielfalt.

»Unsere Lehrlinge haben die Chance, mehrere Wochen im Ausland ein Praktikum zu absolvieren, unsere Trainees können nach der Ausbildungsphase in multinationalen Projekten mitarbeiten«, so Sumper-Billinger. Das BRZ wurde jüngst als drittbester Arbeitgeber Österreichs ausgezeichnet. »IT ist eine Wachstumsbranche und wir suchen derzeit einerseits Trainees und haben weitere 60 Stellen für Spezialisten ausgeschrieben. Die Chance, in der Innovation Factory arbeiten zu können ist also da«.

Virtuelle Gemeinde Kettenbruck

Auf die Frage nach weiteren konkreten Anwendungen bzw. Projektergebnissen aus der Innovation Factory vewies Markus Kaiser, Geschäftsführer des BRZ, auf die ebenfalls ganz neue Plattform kettenbruck.at. Dabei handelt es sich um eine virtuelle Gemeinde, die künftige Projekte sichtbar und erfahrbar machen soll. Aktuell wird etwa die Kooperation mit einem Startup beschrieben, das steuerliche Abgabepflichten aufgrund von Krypto-Währungen bzw. aus dem Handel mit ebendiesen verständlich machen will. Aber auch die Optimierung von Fahrtwegen für die Landwirtschaft oder die Mitsprache von Bürgern und Touristen bei Bauprojekten werde in der »Gemeinde Kettenbruck« erprobt. Der Name soll Assoziationen zur Blockchain (Kette) und zur Brücke zu Projektpartnern hervorrufen, erklärt der Innovation-Factory-Leiter Matthias Lichtenthaler. In Kettenbruck werden Projekte präsentiert und getestet, die das BRZ mit Partnern weiterentwickeln will.

Bewähren sich die Projekte in Kettenbruck, können sie später auch in realen Gemeinden oder sogar auf Bundesebene ausgerollt werden. Kettenbruck soll sozusagen das Schaufenster für die »Sandbox« sein, in der Startups und andere Partner Projekte entwickeln dürfen. »Ziel ist es, ein Web-Portal für Demo-Cases und Blockchain-Piloten, aber auch weitere relevante Showcases zur digitalen Transformation zu realisieren«, erklärt Kaiser.

Zu den ersten Startups, die in Kettenbruck Projekte testen gehört etwa Blockpit. Das Startup hat eine Plattform entwickelt, die die Steuerlast aus Kryptowährungseinkommen erfasst und automatisch an das Finanzministerium reporten soll. Das Startup Farmdok dockt mit einer Lösung zur digitalen Aufzeichnung aller Produktionsschritte in der Landwirtschaft an der öffentlichen Verwaltung an. Das System soll Bauern dabei helfen, die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten leichter zu erfüllen. Das BRZ selbst arbeitet gerade daran, die »E-Zustellung« auf die Blockchain zu heben, um die einzelnen Prozess-Schritte einfacher nachvollziehbar zu machen.

Idealer Weise, so Lichtenthaler, werden »reale Gemeinden« eine Partnerschaft mit dem virtuellen Ort eingehen. Dadurch könnten sie Zugang zu innovativen Technologien im Prototypen-Status bekommen, um die digitale Verwaltung der Zukunft hautnah zu erleben. Die nach Kettenbruck zurück gespielten Anwenderdaten wiederum helfen den jeweiligen Initiatoren aus der Wirtschaft und dem BRZ dabei, ihr Projekt weiter zu entwickeln.

Digitale Transformation bedeutet nicht nur, Prozesse digital abzubilden, sondern sie zu vereinfachen: »Unsere Aufgabe ist die Effizienzsteigerung der Abläufe für die Bürger, für die Unternehmen und die Verwaltung selbst«, so Kaiser, und: »Wir brauchen Digitalisierung, um auch in Zukunft die Leistungen der Verwaltung zu sichern.«


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