»Bürger aktiv einbinden«

Die Standortagentur Tirol fährt seit 2017 eine umfassende Digitalisierungsoffensive, die den Standort moderner und attraktiver machen soll. Geschäftsführer Marcus Hofer spricht im Interview über die Aktivitäten und Erfolge der Offensive. [...]

Marcus Hofer, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol: »Digitalisierung ist für uns ein Metathema, das sich durch alle unsere Projekte und Schwerpunkte zieht." (c) Standortagentur Tirol

Das Land Tirol hat 2017 eine Digitalisierungsoffensive gestartet mit dem Ziel den Breitbandausbau zu beschleunigen, neue Förderungen zu lukrieren und die Aus- und Weiterbildung zu stärken. Welche Fortschritte gibt es hier?

Im Rahmen seiner Digitalisierungsoffensive stellt das Land Tirol von 2018 bis 2022 insgesamt 150 Millionen Euro bereit. Damit unterstützt das Land Tirol die Umsetzung des digitalen Lehrens und Lernens an Tirols Schulen ebenso wie innovative Geschäftsideen und Projekte von Unternehmen im Digitalbereich. Förderungen für ihre Digitalisierungsvorhaben erhalten Tirols Unternehmen über die drei Schienen Beratungs- und Digitalisierungsförderung und Leuchtturmprojekte. Anknüpfend an den Breitbandmasterplan 2013 – 2018 forciert das Land Tirol mit der Fortschreibung dieses Masterplans weiterhin die Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung mit zukunftsfähigen Breitbandnetzen und -diensten. Bereits über 170 Gemeinden und Planungsverbände realisieren derzeit mit Unterstützung des Landes Tirol ihr eigenes Glasfasernetz. 100 der 150 Millionen Euro aus der Digitalisierungsoffensive stehen insgesamt für den Breitbandausbau durch das Land Tirol bis 2023 zur Verfügung. Weitere Mittel für Gemeinden sind durch das Breitbandförderungsprogramm des Bundes ansprechbar.

Welche Ziele konnten im Bereich Digitalisierung bereits erreicht werden, wie viel Geld konnte bisher investiert werden und welche Investitionen bzw. Aktivitäten sind als nächstes geplant?

Mit dem Fokus auf einer allumfassenden Unterstützung in Sachen Digitalisierung stärkt die Beratungsförderung die Wettbewerbsfähigkeit der Tiroler Unternehmen. Externe Unternehmens-, Innovations- und Technologieberater stehen den Wirtschaftstreibenden mit ihrem Know-how zur Seite. Im Jahr 2018 wurden 33 Ansuchen im Bereich der Beratungsförderung eingebracht, die Bandbreite reicht hierbei von Erstberatungen bis hin zu konkreten Fragestellungen zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen, der entsprechende Fördertopf wurde komplett ausgeschöpft.

Die Digitalisierungsförderung unterstützt bei der Einführung modernster digitaler Technologien, deren Konzepterstellung und Detailplanung sowie die bei Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Mitarbeiter. Mit einer Summe von 3,7 Mio. Euro wurden 2018 28 von 74 eingereichten Vorhaben unterstützt, damit war auch hier das Jahresbudget ausgeschöpft. Darunter sind Projekte wie die Optimierung von Prozessen sowie die digitale Vernetzung und Erschließung neuer Marktsegmente oder die Digitalisierung eines traditionellen Handwerkbetriebs. Bereits in der ersten Jahreshälfte 2019 wurden weitere 5,2 Mio. Euro an Fördermitteln bewilligt, womit 37 von 55 eingereichten Projekten gefördert werden, auch hier sind die verfügbaren Fördermittel aufgebraucht.

Einmalige Vorhaben im Digitalbereich, die eine besondere Bedeutung für die unmittelbare Region haben oder einen überregionalen Anspruch aufweisen, werden als Leuchtturmprojekte gefördert. In Summe wurden in den Jahren 2018 und 2019 16 Projekte mit einer Förderung von insgesamt 3,2 Mio. Euro unterstützt. Besonders hervorzuheben ist die Vielfältigkeit der Vorhaben, die von Hochschulprojekten über Regionalentwicklungsthemen bis hin zu tourismusbezogenen Fragestellungen reicht.

Gibt es Änderungen im Fahrplan bzw. gibt es neue Themenbereiche, die im Rahmen der Offensive gefördert werden?

Im Rahmen der Initiative digital.tirol, die Teil der Digitalisierungsoffensive ist, setzen wir aktuell Schwerpunkte im Bereich der Aus-, Weiter- und Fortbildung über alle Altersstufen, von unseren Kindern und Jugendlichen bis hin zu älteren Arbeitnehmern. Das macht sich zudem bei unseren Bemühungen bezahlt, auf den steigenden Bedarf an Fachkräften zu reagieren und hier vorausschauend tätig zu sein.

Das im Jahr 2018 lancierte Online-Portal www.digital.tirol informiert umfassend zur Digitalisierung in Tirol, stellt Best Practices aus Wirtschaft, Forschung und Bildung vor und zeigt den Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Ebenso informiert das Portal zu Service-Angeboten der Kampagnen-Partner und über bevorstehende Events zum Thema Digitalisierung. Im Jahr 2018 zählte das Portal insgesamt 128.542 Besucher/innen und damit durchschnittlich 444 tägliche Besucher/innen sowie 1.403.387 Seitenaufrufe mit 4.856 durchschnittlichen Seitenaufrufen täglich bzw. 10,92 Seitenaufrufen im Durchschnitt pro Besucher/in.

Wie beurteilen Sie den Digitalisierungsgrad der Tiroler Unternehmen? Welche Themen stehen derzeit auf den To-Do-Listen?

Im klassischen Tiroler Kompetenzdreieck ist die Digitalisierung weit vorangeschritten, also im Tourismus, im Bereich der Gesundheit – Stichwort eHealth – und im technologischen Bereich. Dazu gibt es aus der Forschung spektakuläre Ergebnisse, die auch zu Spin-offs führen. Dazu zählt etwa die vor knapp zwei Jahren gegründete Alpine Quantum Technologies GmbH (AQT), die sich der Entwicklung und dem Vertrieb eines kommerziellen Quantencomputers verschrieben hat und einen kommerziellen Ionenfallen-Quantencomputer-Demonstrator im nächsten Jahr präsentieren und diesen bis 2022 zur Produktreife führen will.

Auf der anderen Seite wollen wir gerade KMUs dabei unterstützen, Digitalisierung nicht als rein technisches Thema anzugehen und auf die Aufrüstung der eigenen IT zu reduzieren. Das heißt, dass wir besonders bei der Entwicklung einer konkreten Digitalstrategie und bei der digitalen Transformation des Unternehmens als ganzes unterstützen, etwa durch Innovationsmanagement und – beratung. Dauerbrenner ist natürlich auch der Fachkräftebedarf, weshalb wir besonderes Augenmerk auf Aus-, Fort- und Weiterbildung legen.

Welche Projekte oder Unternehmen zum Thema Digitalisierung möchten Sie besonders hervorheben?

Wir stehen in Westösterreich in den Startlöchern zu einem von österreichweit drei Digital Innovation Hubs, mit dem der Know-how-Transfer rund um Digitalisierung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft vorangetrieben wird. Neben dem bereits angesprochenen AQT sorgen Initiativen wie das Schüler-Sommercamp Coding4Kids für einen möglichst frühen Einstieg in die digitale Welt. Im Schneezentrum Tirol entwickeln Tiroler Seilbahnen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeinsam innovative Produkte, Dienstleistungen und Verfahren, mit denen die Effizienz der Schneeproduktion und des Pistenmanagements gesteigert und zugleich der Ressourceneinsatz verringert werden können.

Und ein kurzer Blick allein in unseren DigitalReport, der in Kürze in seiner zweiten Auflage u.a. auf www.digital.tirol veröffentlicht wird, zeigt die Vielfalt an Tiroler Unternehmen, die erfolgreich Digitalisierung anwenden, umsetzen und vorantreiben.

Thema Fachkräftemangel: Wie sehen Sie die Situation in Tirol und was wird getan bzw. was könnte noch getan werden, um die Situation zu verbessern und wer ist Ihrer Meinung nach gefordert?

Sowohl in unseren Clustern als auch im Rahmen von digital.tirol setzen wir gezielt Maßnahmen, um die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern in Sachen Digitalisierung zu forcieren, ebenso wie wir in der Schul- und Lehrlingsausbildung unter anderem auf Bewusstseinsbildung setzen, um junge Menschen für technische und Digitalisierungsthemen und entsprechende Ausbildungen zu motivieren.

Das Projekt Coding4Kids habe ich bereits erwähnt. Das in Österreich einzigartige Projekt „Smart Factories – Connected Learning“ bildet zudem standortübergreifend Nachwuchskräfte und Erwachsene im Bereich Industrie 4.0 aus und weiter. Dafür wurden drei Produktionsräume – sogenannte Smart Factories – an der FH Kufstein, in der Fachberufsschule Kufstein-Rotholz und in der Firma STIHL Tirol installiert. Somit entwickeln nun Studierende der Fachhochschule Prototypen für Industrie 4.0 Lösungen, die in der Berufsschule in ein erstes praxisnahes Konzept überführt werden. Daraus entsteht eine industrielle Umsetzung für den Wirtschaftspartner. Dank innovativer Cloud- Lösungen sind alle drei Factories miteinander vernetzt und ermöglichen somit einen reibungslosen Austausch der Schnittstellen, ganz getreu einer modernen industriellen Produktion.

Gibt es weitere Initiativen rund um Digitalisierung von der Standortagentur Tirol?

Digitalisierung ist für uns ein Metathema, das sich durch alle unsere Projekte und Schwerpunkte zieht, und das nicht erst seit gestern. Mit dem EU-Projekt Sinfonia haben wir schon vor gut fünf Jahren Nord- und Südtiroler Wohnbauträger mit Energieversorgern vernetzt, um bei anstehenden Sanierungen die Reduktion des Energieverbrauchs und des CO2-Ausstoßes und den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energiequellen in der Strom-, Wärme- und Kälteversorgung zu forcieren – digitale Vernetzung, etwa durch Smart Grids und Smart Meter inbegriffen. Die Erfahrungen aus Sinfonia nutzen wir im Interreg-Projekt SmartVillages für den ländlichen Raum.

Neben technischen Innovationen und den Chancen, die Digitalisierung hier bietet, geht es ebenso darum, Bürgerinnen und Bürger in den Prozess der Digitalisierung aktiv einzubinden. Digitalisierung spielt für uns auch eine Rolle, wenn wir an die Zukunft der Arbeit denken: Mit CoworkationALPS wollen wir den alpinen Raum nachhaltig nutzen und das Potenzial neuer Arbeitswelten mit dem Freizeitwert und dem Flair der Alpen verbinden. In Zukunft werden viele kreative Hotspots im Alpenraum entstehen, an denen sogenannte Coworkationists einen Ort zum Arbeiten und Urlaub machen finden. Hier nutzen wir die Chancen der Digitalisierung, um entsprechende Angebote zu entwickeln und attraktiv zu machen.


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