CDO mit Masterplan

VERBUND ist einer der größten Stromerzeuger aus Wasserkraft in Europa und betreibt über hundert Wasserkraftwerke in Österreich und Deutschland. Welchen Stellenwert hierbei das Thema Digitalisierung inne hat, erzählt Manuel Stecher, Leiter Digitalisierung und CDO, im Interview. [...]

Manuel Stecher, CDO VERBUND. (c) VERBUND

Wie hat sich die Rolle des CIOs in den letzten 5 bis 10 Jahren gewandelt? Wieviel Prozent machen die Bereiche Technik, Strategie, Compliance/Recht bei Ihrer Arbeit aus?

Ich denke, der Wandel des CIO war in den letzten Jahren stark individuell. Die digitale Transformation hat den CIO immer mehr in das Kerngeschäft gerückt und das Bild des neuen CIO als businessorientierten Innovator geprägt. Manche Unternehmen haben die Rolle des CDO geschaffen, um der Komplexität in diesem Spannungsfeld gerecht zu werden. Denn die Grundaufgaben des CIO bleiben bestehen und stellen sich heute technologisch noch herausfordernder dar.

Die Rolle des CDO bei VERBUND beinhaltet viele strategische Aspekte. Welche Bereiche sollen wie und wann transformiert werden? Welche technologischen Kernkompetenzen sollen etabliert werden? Welche Auswirkungen hat die Entwicklung auf die Personalstrategie im Digitalbereich? Wie können wir Brücken zwischen den Digitalisierern herstellen? Wieviel Veränderung verträgt das Unternehmen? Wieviel und welche Art der Digitalisierung ist rechtlich erlaubt? Diese und noch viele weitere Fragen beschäftigen mich im Alltag. Technologische Fragen sind zwar auch Bestandteil der Arbeit, jedoch in einem geringeren Ausmaß. Die technologische Grundstrategie ergibt sich meist aus den vorher erwähnten Fragen.

Wie gehen Sie an IT-Projekte heran und wie sieht Ihre Strategie aus?

Wir unterscheiden zwischen Digitalisierungs- und IT-Projekten. IT-Projekte haben meist den Zweck Systeme zu modernisieren, um die Basistechnologien für die Digitalisierungsprojekte zu schaffen. Digitalisierungsprojekte werden agiler angesetzt. Je nach Art der Transformation eines Geschäftsprozesses werden auch entsprechende Vorprojekte zur Analyse durchgeführt. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise für den Einsatz von AutoML zur Prognose von Ausgleichsenergiepreisen der generelle Nutzen und die Eignung der Technologie erhoben wurde. Ist ein derartiges Ergebnis positiv, folgen erst die mittels Spiralmodell oder Scrum organisierten Umsetzungsprojekte. Ist eine Technologie bereits im Unternehmen etabliert, fällt das Vorprojekt kürzer oder zur Gänze aus. Projekte der Digitalisierung werden in unserem Masterplan Digitalisierung abgebildet und IT-Projekte im Masterplan Informationstechnologie.

Diese bilden die Klammer über die Initiativen und ermöglichen den regelmäßigen Austausch der Projektleiter. Die Digital-Strategie ergibt sich aus unseren Reifegradmodellen. Wir legen damit fest, welches Digitalisierungsniveau wir in den jeweiligen Bereichen erreichen wollen. Der zugehörige Masterplan bildet dann die Roadmap dazu.

Wie reagieren Sie auf die »Schatten-IT«? Wird diese nach wie vor als Ärgernis gesehen oder wird sie zunehmend bewusst in die Unternehmens-IT eingebunden?

VERBUND ist aktuell aus Sicht der Informationstechnologie teilzentralisiert. Gewisse zentrale Services werden von der klassischen IT bereitgestellt. Es befinden sich jedoch auch IT-Kapazitäten in einzelnen Gesellschaften, um die jeweilige Geschäftsprozessnähe herzustellen. Der Bereich der Digitalisierung befindet sich in der VERBUND Holding. Die Kommunikation erfolgt direkt mit den jeweiligen Gesellschaften über die Ansprechpartner vor Ort.

Ich denke, dass man hier zwei Entwicklungen beobachten kann. Wenn gleiche Services in unterschiedlichen Unternehmensbereichen mehrfach abgebildet sind, sehe ich persönlich keine Sinnhaftigkeit darin. Dies würde ich als »Schatten-IT« bezeichnen. Wenn jedoch geschäftsnahe Digitalisierungskapazitäten, die als lokale Umsetzer agieren, vorhanden sind, kann dies einen starken Mehrwert für den Konzern bringen. Weiter geht der Trend zur Teildezentralisierung in den Bereichen Data Science und Softwareentwicklung durch die Etablierung von Citizen Data Scientists oder die Möglichkeit der No-Code/Low-Code Entwicklung. Digitalisierung wird dadurch immer mehr zum Breitensport. Wir fördern aktiv diesen Trend im Konzern.

Haben Sie im Unternehmen schon KI-Projekte umgesetzt?

Der Einsatz von KI und besonders Machine Learning erlebt seit dem Jahr 2020 eine großartige Entwicklung im VERBUND. Die ersten größeren Projekte wurden in diesem Themenfeld abgeschlossen. Der Fokus lag dabei auf dem Einsatz von Machine Learning zur Prognostizierung der Ausgleichsenergiepreise. Aktuell laufen weitere Projekte im Bereich des Energie-Tradings. Unsere Digital-Strategie ist sehr umfangreich und umfasst Stoßrichtungen in mehreren technologischen Bereichen. Der Schwerpunkt liegt aktuell neben Machine Learning und KI in den Feldern Big Data, Drohneneinsatz im Bereich der Gebäudewartung und des Enablements von Citizen Data Scientists sowie Citizen Developers. Wir sind gerade dabei, ein Technologieradar zu etablieren, welches auch Zeithorizonte bis zu zehn Jahren erfasst, um frühe Trends am Markt prüfen zu können.

Nach wie vor gibt es einen eklatanten Mangel an gut ausgebildeten IT-Fachkräften. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation und wie bzw. wo finden Sie gut ausgebildete Mitarbeiter? 

Der generelle Mangel an IT-Fachkräften betrifft uns schon, jedoch aktuell nicht unbedingt überall in einem sehr hohen Ausmaß. Es gibt klarerweise auch bei uns gewisse IT-Rollen, welche schwieriger am Markt zu finden sind. In den Tätigkeitsfeldern, welche stark der Digitalisierung und nicht der klassischen Informationstechnologie zuzuordnen sind wie etwa Data Science, Digital Architecture, Digital-Execution (Softwareentwicklung im kraftwerksnahen Bereich) und auch Digital-Innovation-Management konnten wir hochqualifizierte Teams etablieren und sehr gutes Personal rekrutieren. Es spielt dabei sicherlich die Marke VERBUND und unser Kerngeschäft eine Rolle, jedoch lege ich persönlich großen Wert auf die Auswahl der Art der Charaktere. Im Auswahlverfahren gibt es auch die Möglichkeit das jeweilige Team vorab kennen zu lernen. Die Chemie muss zwischen den Kollegen passen. Das zieht auch hoch qualifizierte neue Bewerber an. Weiter nutzen wir auch die Möglichkeit der Empfehlung. Unsere Mitarbeiter sind unser Aushängeschild und kennen natürlich auch qualifizierte Personen mit Veränderungswünschen. In den nächsten Jahren wird die Herausforderung im Recruiting sicherlich noch weiter steigen. Besonders beim Thema Home Office und Work-Life-Balance werden gut qualifizierte Bewerber keine Inflexibilität des Arbeitgebers dulden. Unternehmen werden an Gesamtangeboten feilen müssen, denn Geld allein wird zu wenig sein.

Haben Sie eine eigene »Digital Transformation«-Abteilung eingerichtet? Wie ist diese organisiert und wie ist die Zusammenarbeit mit der traditionellen IT-Abteilung definiert? 

VERBUND hat in der Holding im Bereich von Thomas Zapf die Themen Digitalisierung, Informationssicherheit und Informationstechnologie verankert. Als CDO der VERBUND AG ist meine Zuständigkeit die Digitalisierung. Die konzernweiten allgemeinen Governance-Regelungen werden von dieser Abteilung heraus erstellt. Die Zusammenarbeit mit den lokalen IT-Abteilungen und der zentralen IT erfolgt teilweise über definierte Prozesse, wie den IT-Demand-Prozess, aber meist im direkten Gespräch. Als Digitalisierer muss man bei allen Vorhaben auch ein Herz für die IT haben. Ich selbst war in der Vergangenheit auch IT-Leiter und weiß deshalb genau, was die Aufgabe einer stabilen und sicheren Betriebsführung in einem dynamischen Umfeld bedeutet. Echte Kooperation ist gefragt. Wir sitzen alle im selben Boot und wollen den Fortschritt.

Wie sehr ist Ihr Unternehmen von der Krise betroffen?

VERBUND hat als eines seiner strategischen Ziele, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dadurch sind wir auch auf außergewöhnliche Ereignisse vorbereitet. Das Ausmaß der Corona-Pandemie war aber zu Beginn auch für uns nicht absehbar, jedoch konnten wir mit der Situation sehr gut umgehen und unsere Geschäftsprozesse problemlos aufrechterhalten. Trotzdem sind wir Betroffene, da wir als Energieversorger von der Gesamtwirtschaft abhängig sind.


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