Chancen und Gefahren für Kommunen

Das neue Informationsfreiheitsgesetz (IFG) stärkt die Bürgerrechte, doch die Transparenz hat einen Preis: Erhöhte Betrugsgefahr. Im Interview mit ITWelt.at erklären Elisabeth Sardy-Rauter und Andreas Frohner von EY, welche neuen Risiken auf Kommunen zukommen und wie sie sich schützen können. [...]

Elisabeth Sardy-Rauter ist Director bei EY Österreich, Andreas Frohner ist Leiter Forensic & Integrity Services bei EY Österreich. (c) EY/Christina Häusler/Georg Wilke
Elisabeth Sardy-Rauter ist Director bei EY Österreich, Andreas Frohner ist Leiter Forensic & Integrity Services bei EY Österreich. (c) EY/Christina Häusler/Georg Wilke

Welche Veränderungen bringt das IFG für Städte und Gemeinden?

Elisabeth Sardy-Rauter: Mit dem Inkrafttreten des IFG wird das Amtsgeheimnis abgeschafft und durch ein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht auf Zugang zu Informationen ersetzt. Für Städte und Gemeinden bedeutet das einen grundlegenden Wandel in ihrer Verwaltungskultur und Arbeitsweise, denn ab nun gilt einerseits die proaktive Veröffentlichungspflicht für Gemeinden über 5.000 Einwohner und andererseits das Informationsbegehren, bei dem Bürger formlos Informationsanfragen stellen können.

Das IFG soll Bürgernähe und demokratische Teilhabe fördern – gleichzeitig steigt das Risiko für Betrugsfälle.

Andreas Frohner: Mit der neuen Offenlegungspflicht müssen aus unserer Sicht auch präventive Sicherheitsmaßnahmen in allen Gemeinden und Städten mitgedacht werden. Zahlungsprozesse und Rechnungsfreigaben sollten nur nach einem strengen Vier-Augen-Prinzip erfolgen. Bei der Änderung von Bankdaten ist besondere Vorsicht geboten. Hier ist das effektivste Mittel die Awareness – also das aktive Problembewusstsein – von Mitarbeitenden und das erreiche ich nur durch konsequente und regelmäßige Schulungen.

Inwiefern verändert das IFG die Angriffsvektoren für Cyberkriminelle?

Frohner: Betrüger könnten das formlose Informationsbegehren dazu missbrauchen, um Zuständigkeiten, Organigramme oder gar Entscheidungswege von Städten und Gemeinden zu erfragen. Social Engineers könnten diese Informationen nutzen, um gezielt Täuschungsversuche zu starten, etwa durch gefälschte E-Mails. Cyberkriminelle könnten diese Informationen dazu nutzen, um authentisch wirkende Rechnungen oder Mahnungen zu legen. Die Möglichkeiten zu betrügen sind nahezu grenzenlos und ohne entscheidende Antibetrugsmaßnahmen ist eine wirksame Risikominimierung nicht möglich.

Welche neuen Angriffsszenarien auf die digitale Verwaltung erwarten Sie?

Frohner: Durch die proaktive Veröffentlichungspflicht erhalten Angreifer leicht Zugang zu Daten, wie etwa Rechnungen oder Verträgen. Diese können wiederum für bekannte Betrugsmuster, beispielsweise für Phishing, CEO-Fraud oder die Ausstellung von Fake-Rechnungen genutzt werden. Über die letzten Monate und Jahre haben wir schon regelmäßig solche Fälle begleitet und da war das Amtsgeheimnis noch in Kraft – durch die Abschaffung des Amtsgeheimnisses können die Angreifer entsprechend ausgeklügelter vorgehen und die Erkennung wird zusätzlich erschwert.

Was macht kleine Kommunen besonders anfällig?

Sardy-Rauter: In kleinen Gemeinden gibt es oft wenige Mitarbeitende, die viele Aufgaben gleichzeitig übernehmen müssen. Dadurch fehlt häufig die Spezialisierung in Bereichen wie IT-Sicherheit, Vertragsprüfung oder das Fachwissen, wenn es um die Umsetzung von Bauvorhaben geht. Besonders bei Letzteren fehlt oft die Routine im Umgang mit größeren Bauvorhaben.

Welche konkreten IT- und Compliance-Maßnahmen empfehlen Sie Gemeinden?

Frohner: In erster Linie empfehle ich, unter den eigenen Mitarbeitenden ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen und die internen Prozesse auf Schwachstellen abzuklopfen. Weiters ist die IT-Sicherheit seit Jahren ein zentrales Thema, welche damit erneut in den Fokus rückt. Cyberangriffe werden immer ausgeklügelter und können Gemeinden und Unternehmen unterschiedlichster Größe treffen. Heutzutage empfehle ich jeder noch so kleinen Gemeinde, eine 24/7 Cyber Incident Response Nummer parat zu haben.


Mehr Artikel

News

Produktionsplanung 2026: Worauf es ankommt

Resilienz gilt als das neue Patentrezept, um aktuelle und kommende Krisen nicht nur zu meistern, sondern sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Doch Investitionen in die Krisenprävention können zu Lasten der Effizienz gehen. Ein Dilemma, das sich in den Griff bekommen lässt. […]

Maximilian Schirmer (rechts) übergibt zu Jahresende die Geschäftsführung von tarife.at an Michael Kreil. (c) tarife.at
News

tarife.at ab 2026 mit neuer Geschäftsführung

Beim österreichischen Vergleichsportal tarife.at kommt es mit Jahresbeginn zu einem planmäßigen Führungswechsel. Michael Kreil übernimmt mit 1. Jänner 2026 die Geschäftsführung. Maximilian Schirmer, der das Unternehmen gegründet hat, scheidet per 14. April 2026 aus der Gesellschaft aus. […]

News

Warum Unternehmen ihren Technologie-Stack und ihre Datenarchitektur überdenken sollten

Seit Jahren sehen sich Unternehmen mit einem grundlegenden Datenproblem konfrontiert: Systeme, die alltägliche Anwendungen ausführen (OLTP), und Analysesysteme, die Erkenntnisse liefern (OLAP). Diese Trennung entstand aufgrund traditioneller Beschränkungen der Infrastruktur, prägte aber auch die Arbeitsweise von Unternehmen.  Sie führte zu doppelt gepflegten Daten, isolierten Teams und langsameren Entscheidungsprozessen. […]

News

Windows 11 im Außendienst: Plattform für stabile Prozesse

Das Betriebssystem Windows 11 bildet im technischen Außendienst die zentrale Arbeitsumgebung für Service, Wartung und Inspektionen. Es verbindet robuste Geräte, klare Abläufe und schnelle Entscheidungswege mit einer einheitlichen Basis für Anwendungen. Sicherheitsfunktionen, Updates und Unternehmensrichtlinien greifen konsistent und schaffen eine vertrauenswürdige Plattform, auf der sowohl Management als auch Nutzer im Feld arbeiten können. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*