Cloud-ERP: Kleine haben größtes Interesse

Die Vorteile von ERP-Systemen aus der Cloud klingen verlockend und kommen dem Kostendruck vieler Unternehmen entgegen. Trotzdem hält sich die Begeisterung noch in Grenzen. Aber: Je kleiner und jünger eine Firma ist, desto größer ist das Interesse. [...]

Das Thema ERP als Software as a Service (SaaS) nimmt Fahrt auf. SAP beispielsweise baut mit seinem Cloud-Paket Business ByDesign schrittweise die globale Präsenz aus, der amerikanische Anbieter Plexonline offeriert eine rein im SaaS-Modell verfügbare Lösung für Fertigungsunternehmen und in Österreich sorgt das Wiener Startup Emasos seit knapp zwei Jahren mit einer von Grund auf für die Cloud konzipierten Lösung bei KMU für zufriedene Anwender.

Auch Microsoft bietet nicht nur über Partner SaaS-Angebote für Dynamics Nav an, sondern nutzt die Erfahrungen aus dem Betrieb der eigenen CRM-Lösung, um das Ende 2012 vorgestellte Nav 2013 selbst als On-Premise- und On-Demand-Version anzubieten. Diesen hybriden Weg gehen auch Anbieter wie Comarch, IFS, Sage oder Enventa, die ihre vorhandenen Lösungen in die Cloud gebracht haben und parallel weiter als klassische On-Premise-Version vertreiben.

KOSTENDRUCK
Insgesamt bewegt sich der Umsatzanteil der Cloud-Angebote an den ERP-Komplettlösungen derzeit allerdings noch im unteren Prozentbereich. Dabei sollte das SaaS-Modell der wirtschaftlichen Situation vieler IT-Leiter eigentlich entgegenkommen. Sie stehen vor Herausforderungen wie Reduzierung der Hardwarekosten, Reduzierung der Verwaltungskosten durch Konsolidierung der eingesetzten Anbieter, Erhöhung der Flexibilität und bessere Lastverteilung.

Aus Sicht der Anwender sollten sich die Einsatzbedingungen von SaaS-ERP-Angeboten wie folgt darstellen:

– Das System wird ohne Aufbau von Infrastruktur bezogen: Notwendig sind ein Rechner mit einem Internet-Browser und eine entsprechende Verbindung, eine Installation von Software ist nicht nötig. Zu klären sind Offline-Arbeitsmöglichkeiten und Zugriff für mobile Mitarbeiter.

– Die Applikation bietet hohe Standards mit entsprechender Zertifizierung in Bezug auf Datensicherheit, Performance und Verfügbarkeit: Entsprechende SLA und Zertifizierungen erreichen in der Regel eine sehr gute Verfügbarkeit und meist auch einen besseren Schutz-Level als Server, die bei KMU im Besenkammerl stehen. Zusätzlich garantiert der Anbieter Backup- und Recovery-Szenarien. Anwender müssen jedoch klären, welche gesetzlichen Grundlagen gegebenenfalls die Verwendung ihrer ERP- oder Kundendaten einschränken und auch welcher Gesetzgebung der jeweilige Anbieter unterliegt.

– Die Bezahlung erfolgt periodisch nach einem Pay-per-Use-Modell: In der Regel bestimmen die Faktoren Laufzeit, Nutzerzahl und Funktionsumfang den Preis. Anfangsinvestitionen sind nicht nötig.

– Das System lässt sich einfach, in der Regel ohne IT-Fachwissen oder Beratungs-Knowhow, konfigurieren: Dies hat allerdings den Nachteil, dass sich Anwender im Rahmen der Herstellervorgaben bewegen und so manche geliebte Eigenart ihrer Abläufe aufgeben müssen. Die Systemoberfläche sollte einfach und intuitiv sein und sich weitgehend ohne Schulung erlernen und bedienen lassen.

– Die Funktionalität kann durch eine weitgehend nicht reglementierte und unabhängig agierende Entwickler-Community erweitert werden: Erweiterungen gibt es in der Regel auf Marktplätzen. SAP zum Beispiel bietet mit entsprechenden Entwicklerwerkzeugen Partnern die Möglichkeit, Ergänzungen und Branchen-Templates nach einem Zertifizierungsprozess zur Verfügung zu stellen.

Unabhängig vom gewählten Bereitstellungsmodell (on Premise, SaaS oder hybrid) sollte ein ERP-System funktional zum Unternehmen passen. Dabei müssen gewisse Kriterien erfüllt werden – eine entsprechende Liste sollten Anwender aber übersichtlich gestalten und nicht mit einer Wunschliste verwechseln.

Funktional unterscheiden sich die führenden ERP-Systeme kaum noch. Allerdings gibt es technische Unterschiede, die Projekte teurer und komplexer machen können. Zu hoffen, dieses Problem durch Übergabe der technischen Verantwortung an den SaaS-Anbieter zu lösen, wäre allerdings zu kurz gegriffen. Die Herausforderung gerade in größeren Projekten ist nicht die Installation eines Programms auf einem Server, sondern die Konfiguration und die Festlegung der Geschäftsprozesse. Das gilt auch im SaaS-Betrieb. Aus Kostengründen empfiehlt sich ein hoher Stan­dardanteil von mindestens 80 Prozent und nur dort, wo es unumgänglich ist, eine möglichst Release-fähige Anpassung.

Wenn ein Anbieter ein sogenanntes hybrides Betriebsmodell offeriert, also die technische Basis für die On-Demand- und die On-Premise-Version identisch ist, können Anwender das System leichter nach ihren Bedürfnissen zusammenstellen. So bietet sich in der Zentrale die On-Premise-Variante an, die Anpassungen beispielsweise für die Produktion enthält. Für Tochtergesellschaften und Niederlassungen kann man auf die On-Demand-Variante zurückgreifen. Vorteil: Das ERP-System bleibt einheitlich, Finanzkonsolidierungen fallen leichter, und der Schulungsaufwand sinkt deutlich.

NOCH EIN WEITER WEG
Aus Sicht der Anwender haben ERP-SaaS-Angebote aber noch einen weiten Weg bis zur Marktreife. Angesichts der noch jungen Historie überrascht dies allerdings nicht. Während Händler und Dienstleister den SaaS-Lösungen bereits eine gut ausgeprägte Funktionalität attestieren, sehen Fertiger noch Handlungsbedarf. Auch die Firmengröße und das Firmenalter spielen bei der Cloud-Affinität eine Rolle: Je kleiner und jünger das Unternehmen, desto positiver werden die Lösungen eingeschätzt, was auch auf geringere funktionale Anforderungen zurückzuführen ist.

Den Vorteilen von SaaS-ERP wie kalkulierbare Kosten, Standardisierung, Security und Backup-Szenarien stehen aus Anwendersicht Nachteile wie eingeschränkte Anpassbarkeit, der Zwang zur permanenten Online-Verfügbarkeit der Nutzer, noch kaum vorhandene Branchen-Pakete und gegebenenfalls Datenschutzfragen gegenüber. Bei SaaS-Investitionen sollten Anwender auch die Punkte Datenrückgabe und Überlebensfähigkeit des Anbieters beachten. (idg/oli)


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