Nach der Digitalisierungsbeschleunigung während der Pandemie gilt es, den Status quo in Sachen Cloud-Reise zu bestimmen und Baustellen aufzulösen. Über Treiber und Bremser sowie die Frage, ob die Cloud ein Allheilmittel der digitalen Transformation ist. Der ITWelt.at Roundtable gab spannende Antworten. [...]
Die Cloud ist gekommen , um zu bleiben, wobei das Potenzial, das die Technologie bietet, noch lange nicht ausgeschöpft ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ITWelt.at Roundtable repräsentieren unterschiedliche Zugänge zum Thema Cloud – die Voraussetzung für eine spannende Diskussion. Der Gastgeber des Roundtable, Matthias Goetz, verantwortet in der Region DACH das Public Cloud-Geschäft der IBM. „Darunter verstehen wir die Erbringung und den Verkauf von IT-Dienstleistungen, die wir auf cloud.ibm.com aus unseren globalen Rechenzentren heraus anbieten. Dies reicht von Infrastruktur-Dienstleistungen über Plattform-Services bis hin zu Software-as-a-Service-Lösungen“. Heidrun Walker ist bei Nutanix für den Pre Sales-Bereich zuständig. „Wir konzipieren mit und für unsere Kunden Lösungen im Bereich Cloud, Cloud-Infrastruktur und Cloud-Plattform. Daneben sind wir auch Software-Lösungs-Hersteller. Wir selbst sind Teil einer Cloud Journey: Von einem HCI-Hersteller – reine Hyperconverged Plattform-Systeme mit der Kombination aus Storage, Netzwerk und Compute – hin zu einer Multi-cloud-Plattform-Lösung, die wir inklusive Beratung unseren Kunden bereitstellen.“
Alexander Penev ist Gründer und Geschäftsführer von ByteSource Technology Consulting, einer Consulting-Firma mit Hauptsitz in Wien und dem ersten zertifizierten AWS Advanced Consulting Partner in Österreich. „Wir haben eine lange Historie im Bereich Privat Cloud-Einsätzen. Seit 2015/2016 konzentrieren wir uns mehr auf die Public Cloud, weil die Innovation dort viel schneller passiert.“
Alexander Krauter ist bei proALPHA für die Themen Cloud und Cloud Services zuständig »mit der grundsätzlichen Fragestellung: Was ist das richtige Produkt für unsere Kunden? Wir kommen als ERP-Anbieter für den produzierenden Mittelstand aus einem sehr starken On-Premise-Geschäft mit einer über 30-jährigen Erfahrung.«
Last but not least Alexander Bruckner, Public Cloud Sales Expert bei T-Systems Austria: „Mit unseren Public-Cloud-Offerings haben wir bei T-Systems in diesem Bereich in den letzten fünf Jahren sehr intensive Partnerschaften mit allen wichtigen Hyperscalern, wie Microsoft, Amazon und Google aufgebaut, die wir auch für unsere Angebote im Bereich Managed Services nutzen. Die Partnerschaften gehen sehr tief: Wir entwickeln auch gemeinsam Produkte für den Markt.“
Status quo der Cloud Journey
Alexander Penev von ByteSource bestätigt, dass die Nachfrage in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist: „Früher waren es eher weniger Firmen, die immer mehr in der Cloud machen wollten, jetzt kommt die Masse. Besonders in Deutschland ist Cloud bereits Mainstream, fast ein Muss. Bei sehr großen Konzernen ist es faszinierend, ihre Journey zu beobachten. Vor fünf Jahren hieß es: Hände weg von der Cloud, weil zu gefährlich. Dann kamen die ersten erfolgreichen Projekten und plötzlich nach zwei Jahren hieß es: ‚Cloud first‘. Und nach weiteren zwei Jahren: ‚Cloud only‘!“
„Unabhängig von den Branchen ist es wichtig herauszuarbeiten, in welchen Bereichen Unternehmen für die Cloud offen sind“, sagt Matthias Goetz von IBM. „Wir sehen hier natürlich die Front-Office-Themen. Ein Web Conference-System wird niemand selbst programmieren, man nutzt es als Cloud Service. Bei den Mid- und Back-Office-Themen ist es ein wenig komplexer. Es hängt davon ab, wo die Wertschöpfung stattfindet. Wie differenziere ich mich vom Mitbewerb, um meinen Kunden ein besseres und angepassteres Portfolio anbieten zu können? Hier sind meiner Meinung nach die Firmen bei einem Wendepunkt aufgrund von Aspekten wie Marktbeschleunigung, Sicherheitsbedenken und Fachkräftemangel. Daher wird mehr und mehr auf die Public Cloud gesetzt – vorausgesetzt, die Regulatorik und Gesetzgebung lassen es zu.“
Was die Offenheit gegenüber der Cloud betrifft, sieht Alexander Krauter von proALPHA Branchen-basierte Unterschiede. „Es gibt Kunden, die sehr stark reguliert sind, die Automobil-Branche ist ein klassisches Beispiel. Es gibt hier wenig Spielraum für Individualität. Das macht es uns in der Cloud leicht, denn individuelle Anpassungen sind immer eine Herausforderung. Es gibt auch Kunden, die ihr ERP mit den Schwerpunkten Logistik, Produktionsplanung, Materialwirtschaft, die alle die Wertschöpfung reflektieren, weiterhin on-premise betreiben wollen. Im Front- oder Back-Office-Bereich werden hingegen Möglichkeiten gesehen, Dienstleistungen als Microservices aus der Cloud zu beziehen. Wir stellen auch fest, dass der Wunsch nach Mobilität heute ein ganz anderer ist. Die Cloud ist für unsere Kunden eine Art Stimulus, ihre Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen.“
Nutanix beobachtet, dass die Komplexität zunimmt. Heidrun Walker: „Kaum ein Unternehmen hat nur eine Cloud, einen Hyperscaler im Einsatz. Kleinere Firmen wissen oft gar nicht, dass sie bereits in der Public Cloud sind. Durch die Pandemie haben viele Unternehmen versucht, sehr schnell in die Cloud zu gehen. Bei großen Unternehmen findet gerade ein Umdenken statt: Applikationen oder Workloads per ‚Lift and Shift‘ in die Cloud zu heben, ist nicht trivial. Es kostet eventuell mehr als erwartet, doch Budget werden nicht größer. Auf der anderen Seite gibt es neue Anforderungen durch die Themen Sustainability und Energiekrise sowie neue Gesetze. Es entstehen auch neue Silos und Abhängigkeiten. Beispiel: Kubernetes in Azure ist nicht vergleichbar mit Kubernetes in der AWS-Umgebung. Die große Herausforderung, die sich dadurch stellt: Wie administriere diese Umgebungen?“
Alexander Bruckner vom T-Systems reagiert auf den oft formulierten Vorwurf, dass während der Pandemie Cloud im Schnellverfahren eingeführt worden ist, so: „Schnellschüsse reihe ich unter die positiven Aspekte, da die Pandemie gerade die Digitalisierung sehr stark vorangetrieben hat. So haben viele Unternehmen verstärkt ihre Prozesse digitalisiert. In diesem Zusammenhang hatten wir intensiven Kontakt mit Abteilungen aus dem Innovations- und Prozess-Management. Viele Unternehmen haben die Zeit genutzt, eine Cloud-Strategie zu entwickeln und die Voraussetzung geschaffen, um Transformation zu ermöglichen – sowohl technisch als auch organisatorisch. Das umfasst etwa den Umstieg auf eine agile Organisation. Jetzt gilt es, die Pläne sinnvoll umzusetzen. Die Cloud ist kein Selbstzweck oder Allheilmittel – sie soll das Geschäft unterstützen.“
Die Treiber der Reise
Als Haupttreiber werden Innovation und das Kostenthema genannt. Alexander Bruckner weist zudem auf das Image-Thema hin: „Was wir in den letzten Jahren von den Kunden überraschenderweise als Feedback bekommen haben, ist, dass sie mit Hilfe der Cloud für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv werden wollen. Gerade die IT-Abteilungen in den großen Industrieunternehmen haben oft ein Attraktivitätsproblem. Für junge Leute ist es spannender, zu einem Startup oder Digital-Native-Unternehmen zu gehen, als in einen Industriebetrieb. Diese möchten zeigen, dass auch sie innovativ sind. Parallel dazu gibt es Use Cases wie digitale Services, die rund um Industrieanlagen bzw. Produktionsanlagen entstanden sind. Hier kann die Cloud wesentliche Vorteile bieten.“ Hohe Flexibilität und Geschwindigkeit bei Innovationen sind zentrale Vorteile aus der Sicht von Alexander Krauter: „Wenn man früher ein ERP-System implementiert hat, dann war das eine gewaltige Investition. Wenn man im Bereich Cloud Services und Microservices unterwegs ist, dann erhält man eine komplett neue Kostenstruktur. Unsere Kunden kommen viel schneller und einfacher in den Genuss von Services – Stichwort ‚Pay as you go‘. Wo früher Entscheidungen über große Investitionen getroffen werden mussten und der CFO gefordert war, dort kann jetzt die IT-Abteilung entscheiden und schnell reagieren. Jene Produkte und Services, die Unternehmen schnell und einfach helfen, sind die erfolgreichen – denn unsere Kunden agieren heutzutage in sehr agilen Märkten und müssen auch flexibel auf Veränderungen reagieren können. Genau dabei wollen wir als zuverlässiger Partner auf Augenhöhe unterstützen.“ Für Matthias Goetz stehen dank der Cloud zahlreiche Innovationen vor der Tür, es sei aber oft nicht klar, welche Umsetzung überhaupt möglich ist. „Ein Beispiel ist das Thema ChatGPT, das derzeit überall diskutiert wird: Wie schaffe ich es, diese Funktionalitäten für mein Unternehmen nutzbar zu machen? Man erwartet, dass die IT-Abteilung darauf die Antwort hat. Dazu brauche ich aber eine klare Strategie, womit man beim Thema Spielregeln ist. Es muss immer klar sein, was im Zusammenhang mit der Cloud überhaupt möglich ist. Das ist ein Weg, den wir sehr stark verfolgen: Wenn der Kunde es wünscht, geben wir unseren Cloud Services immer ein Regulatorik-Framework mit. Ziel ist es, dass die Verantwortlichen der Pilotprojekte von Anfang wissen, was machbar ist – ohne die langwierigen Diskussionen, die kreative Geister oft bremsen.“
Alexander Penev bringt das Thema Nachhaltigkeit in Verbindung mit dem Hyperscaler in die Diskussion: „Ich kann als Kunde viel beeinflussen. Ich kann zum Beispiel Prozessor-Architektur mit viel weniger Power-Consumption nutzen, Stichwort Graviton in der AWS Cloud. Damit spart man 40 bis 60 Prozent Energie und auch Kosten. Es gibt seit kurzem ein Dashboard, wo man sehen kann, wie viel CO2 meine Consumption produziert. Es gibt sogar kostenlose Empfehlungen, wie man CO2, Strom und Kosten reduzieren kann. Im eigenen Data Center hat man nicht unendlich viele Möglichkeiten, um zu sparen. Die Hyperscaler versuchen sehr stark, nachhaltig zu werden. AWS hat versprochen, bis 2025 komplett auf erneuerbare Energie umzusteigen. Hoffentlich schaffen sie es.“
Auch bei proALPHA ist Nachhaltigkeit ein Thema mit schnell wachsender Bedeutung: „Die Fertigungsindustrie hat extrem hohe Energieverbräuche, was für den ein oder anderen sogar das wirtschaftliche Aus bedeuten könnte. Wir haben darauf reagiert und mit ENIT ein neues Unternehmen in die proALPHA Gruppe integriert. Damit können wir unseren Kunden jetzt integrierte Lösungen rund um die Themen Energiemanagement und CO2-Tracking bereitstellen. Es geht um Kostentransparenz und darum zu identifizieren, wo etwa unnötige Stromkosten anfallen. Das ist eine Cloud-Lösung, die unsere Kunden sehr schnell implementieren können und mit der sie innerhalb von 48 Stunden erste Messwerte haben. Die Nachfrage ist extrem groß.“
Cloud Center of Excellence
Ein Thema der Diskussion war die Verankerung des Cloud-Themas im Unternehmen – Stichwort Cloud Center of Excellence. „Es eigentlich ein Best Practice, das die Hyperscaler unterstützen“, sagt Alexander Penev. „Es gibt viele kostenlose oder verbilligte E-Learnings, Workshops – eine Mischungen aus theoretischem Wissen und Hands-on-Labs. Die IT-Abteilung ist der beste Kandidat für ein Cloud Center of Excellence. Das geht nicht von heute auf morgen, das wissen wir. Es ist aber ein Muss. Wenn man von Pferden auf Autos wechselt, muss man auch einen Führerschein machen, das ist eine ganz natürliche Sache.“
Matthias Goetz: „Man muss sich als IT-Abteilung auch der Verantwortung bewusst sein. Ist sie das Cloud Center of Excellence, dann muss sie auch exzellent sein. Es reicht nicht, einen Katalog von Services zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist, wie man die Services in die Corporate-IT einbindet. Es gibt nichts Schlimmeres als auf ein Backup zu vergessen, weil man fälschlicherweise glaubt, dass dieses beim Cloud Service dabei ist, weil man sich die SLAs nicht im Detail angeschaut hat. Mit Cloud ist eine große Verantwortung verbunden.“
„Die Nutzung der Cloud bedeutet eine Änderung im Betriebsmodell“, ist Heidrun Walker überzeugt. „Ich glaube, man braucht beides: Die Innovation aus den Cloud-Natives-Teams, die neue Ideen liefern. Aber auch die Betriebserfahrung der bestehenden IT-Teams, die wissen, wie man mit der Security umgeht oder was Data Compliance bedeutet. Letztere beschäftigen sich seit Jahren mit diesen Themen und kennen die Anforderungen genau.“
Alexander Bruckner sieht das Cloud Center über die IT-Abteilung hinausgehend: „Es ist im Unternehmen breit verankert. Dazu braucht es auch eine Security, Data Privacy sowie eine HR, um die organisatorischen Themen wie Upskilling und Prozessänderungen zu begleiten und zu unterstützen. Ich brauche externe Berater und Dienstleister, die mitarbeiten. Das Cloud Center ist dabei ein sehr agiles Setup, das sich über die Jahre sicherlich auch anpassen, verändern muss, je nach Reifegrad der Cloud Journey. Wichtig ist, das Thema nicht bei der IT abzulagern, sondern eine höheren Awareness im Unternehmen zu schaffen.“
Wie geht es weiter?
In der Abschlussrunde des ITWelt.at Roundtables ging es um die Fortführung der Cloud Journey. „Man kann nicht alles selbst lösen. Daher wird es zur Normalität, entsprechende Services zu konsumieren. Wir müssen an dem Bewusstseinsthema arbeiten, sowohl in Unternehmen als auch in der Gesellschaft: Wie gehen wir bewusst mit Daten um? Welche Services können wir nutzen?“, sagt Matthias Goetz von IBM. Alexander Penev von ByteSource: „Die Herausforderungen, mit denen wir derzeit konfrontiert sind, sehe ich als sehr positiv. Denn die Lösungen dafür sind nachhaltig. Das heißt: Wenn ich lerne, mit den Herausforderungen richtig umzugehen, dann gewinne ich etwas, das als Standard-Prozedere bleiben wird – etwa um die Daten als nachhaltige Lösung richtig zu schützen.“
„Die Cloud ist gekommen, um zu bleiben“, ergänzt Alexander Krauter von proALPHA. „Ob es Cloud-only sein wird, glaube ich nicht. Dafür gibt es zu viele kritische Anwendungsfälle bei unseren Kunden. Unsere Cloud Journey wird jedenfalls weitergehen – und wir werden die Kunden sukzessive mitnehmen.“
Auch Alexander Bruckner von T-Systems ist überzeugt, dass die Cloud zur Commodity wird. „Wir sehen, dass bereits eine gewisse Standardisierung der Services erfolgt ist. Meine Meinung ist, dass es auch vermehrt in Richtung regionaler Ausprägung der Cloud-Anbieter und -Services gehen wird.“
Heidrun Walker glaubt, dass bis zum Erreichen des Commodity-Levels vor allem das Multicloud-Management als Herausforderung zu bewältigen sei: „Wie administriere ich die unterschiedlichen Cloud-Ausprägungen, sei es Edge, Private Cloud oder Hyperscaler.? Wie schaffe ich eine Kostenkontrolle? Wie gestalte ich optimal die Datenmigration von einer Cloud in die andere? Das sind Herausforderungen, an denen wir arbeiten. Es wird jedenfalls eine spannende Reise.“
Alle Teilnehmer auf einen Blick (alphabetisch)
- Alexander Bruckner, Public Cloud Sales Expert bei T-Systems Austria
- Matthias Goetz, Technology Leader Public Cloud DACH bei IBM
- Alexander Krauter, Product Strategy Manager Cloud Services bei proALPHA
- Alexander Penev, Geschäftsführer von ByteSource Technology Consulting
- Heidrun Walker, Director System Engineering, Central Europe bei Nutanix
Moderation & Redaktion: Wolfgang Franz
Technik: Roland Kissling
Fotos: timeline/Rudi Handl
Den Überblick über alle bislang veranstalteten ITWELT.at-Roundtables finden Sie hier:
Die Expertenrunde zum Nachsehen finden Sie hier: www.facebook.com/itwelt.at/videos
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