Cloud OS ist kein Produkt, sondern vielmehr eine Art zu denken. Welche Auswirkungen Microsofts neues Paradigma auf die Produktentwicklung und das Nutzerverhalten haben wird, hat die COMPUTERWELT direkt in der Konzernzentrale herausgefunden. [...]
Microsoft hat nun offiziell Windows Server 2012 R2 und System Center 2012 R2 angekündigt. Gemeinsam mit Visual Studio 2013 und .NET 4.5.1 werden die neuen Produkte voraussichtlich am 18. Oktober erscheinen. Die neuen Versionen bilden zusammen mit dem Windows Azure Pack für Service Provider die Grundlage für das, was die Redmonder Cloud OS nennen.
Die genannten Releases sollen im Zusammenspiel Unternehmen in die Lage versetzen „Rechenzentren ohne Grenzen“ aufzubauen. Ermöglichen sollen das unter anderem die Virtualisierungsmöglichkeiten des integrierten Hypervisors Hyper-V, neue Funktionen für High-Performance Storage sowie Software-Defined Networking.
Doch was ist Cloud OS überhaupt? Jeffrey Snover, Lead Architect der Windows Server Division und „Vater“ der Windows PowerShell, erklärt es in Microsofts Konzernzentrale in Redmond gegenüber der COMPUTERWELT folgendermaßen: „Viele Unternehmen behandeln die Cloud als etwas, dass an alte Technologien ‚angeflanscht‘ wird. Wir denken aber, Cloud ist eine fundamentale Sache des Betriebssystems. Cloud OS ist kein Produkt, Cloud OS ist vielmehr eine Art zu denken. Betriebssysteme haben zwei Aufgaben: Ressourcen für mehrere Nutzer zu abstrahieren und Services für Applikationen bereitstellen. Cloud OS implementiert das in den Rechenzentren.“
Snover unterscheidet dabei drei Arten von Clouds: Die Customer Cloud (oder Private Cloud), die Service Provider Cloud sowie die Azure Cloud. „Cloud OS verbindet diese drei Clouds. Über die Private Cloud habe ich die volle Kontrolle. Bei Azure kann ich so viele Server haben und wieder canceln, wie ich will – 1.000 Server für ein paar Tage etwa. Service Provider Clouds wollen Computing als Service bieten. Sie können Leuten helfen, die in die Cloud wollen, können Consulting bieten und Lösungen für ihre Kunden maßschneidern“, so Snover.
MICROSOFTS CLOUD-VISION
Diese drei Clouds sollen eine konsistente Plattform bilden. Dazu Microsoft Cloud-Chef Satya Nadella: „Unternehmen setzen auf ihrem Weg in die Cloud auf Hersteller, die führende Software als Service bieten, eine weltweite Public Cloud betreiben, die ein Ökosystem an Drittanbieter-Services unterstützt und Mulit-Cloud-Mobility auf Basis einer echten Hybrid-Lösung liefen. Sieht man sich am Markt um, dann erkennt man, dass nur Microsoft das alles unter einem Dach vereint.“
Jeff Woolsey, Principal Program Manager Lead for Windows Server Virtualization schlägt in die gleiche Kerbe: „Die anderen Anbieter sehen nur Teile der Cloud als ‚die Cloud‘ an, aber die Kunden sehen das anders.“ So könne Microsoft nun über alle Clouds hinweg eine konsistente Nutzererfahrung bieten. „Viele Kunden wollen Azure einfach als Erweiterung ihres eigenen Rechenzentrums behandeln und aus dem eigenen Rechenzentrum, aus der eigenen Private Cloud managen“, erklärt Woolsey.
Einer der Bausteine, die das ermöglichen sollen, ist Hyper-V, der mittlerweile sowohl in Windows Server als auch in Windows Azure identisch ist. So sollen sich die verschiedenen Clouds leichter zu Hybrid Clouds kombinieren lassen. Woolsey: „Der Hypervisor ist der gleiche in allen Clouds. Man kann VMs an eine andere Location oder in eine andere Cloud bewegen, etwa auch für die Datenspiegelung.“
Migriert man Daten zwischen verschiedenen Standorten oder Clouds kann das jedoch zu Lasten der Verfügbarkeit gehen – besonders wenn man die Bits&Bytes über die öffentliche Internetinfrastruktur befördert. Eine mögliche Lösung dieses Problems kündigte Microsoft ebenfalls an: So sollen testweise Kunden des Internet Business Exchange Providers Equinix in die Lage versetzt werden, ihre Server auf direktem Weg mit Windows Azure zu verbinden, um die Performance ihrer Hybrid-Cloud-Applikationen zu steigern. Einige Kunden wollen laut dem Equinix-Cloud-Chef Chris Sharp Azure nicht über das Internet anbinden: „Sie verlangen LAN-Konnektivität mit hohen Durchsatzraten.“ Dieser Service ist allerdings erst als Beta-Test zu sehen und auf ausgewählte Kunden beschränkt. Dennoch könnte es einen Einblick geben, wohin die Reise geht.
Zudem will Microsoft Windows Azure seinen Kunden mittels Preisnachlässen schmackhafter machen. Im Rahmen der R2-Releases soll es ab 1. November für Kunden mit Enterprise-Agreement-Lizenzen einen Rabatt auf Azure-Cloudservices in noch nicht bezifferter Höhe geben.
CLOUD FÜR DIE MASSEN
Drei Dinge sollen dafür sorgen, dass die Cloud aus Redmond massentauglich wird: Großartige Performance zu Cloud-Kosten, Trustworthy Computing – also garantierte Sicherheit, Verlässlichkeit und Verfügbarkeit von Daten und Rechenleistung – sowie Cloud-Plug&Play.
Wie sich das US-Unternehmen das vorstellt, illustriert Snover anhand eines Beispiels: „Ich hatte vor Jahren eines der ersten CD-ROM-Laufwerke. Es hat zwei Tage gedauert, es zum Laufen zu bringen. Heute kauft man ein externes Laufwerk, schließt es an und es funktioniert. Das wollen wir auch mit der Cloud machen.“
So soll es möglich werden, den PC, das Tablet oder ein Smartphone jederzeit und von überall „anzudocken“, um Zugriff auf Apps und Daten zu bekommen. Genauso einfach soll es werden, Windows- oder Linux-Applikationen in die Cloud zu befördern oder beispielsweise Server, Storage- oder Networking-Komponenten zur Rechenzentrums- bzw. Cloud-Infrastruktur hinzuzufügen.
KÜRZERE RELEASEZYKLEN
Was an den R2-Releases auffällt ist, dass Microsoft die Zyklen verkürzt hat. Zwischen der letzten Veröffentlichung liegt rund ein Jahr. Laut Microsoft unterscheiden sich die R2-Relases von den anderen dadurch, dass zwar Funktionen hinzugefügt werden, jedoch der Kernel selbst im Großen und Ganzen unangetastet bleibt. Wichtig war es den Mitarbeitern in Redmond auch zu betonen, dass sich die Verfahrensweise in der ganzen Software-Entwicklung verändert habe.
Die realen Probleme der Kunden würden jetzt direkt in die Entwicklung einfließen. „Das ganze Engineering System bringt den Entwickler zu dem Kundenproblem zurück. Das erste und letzte, was bei unserer Software-Entwicklung im Fokus steht, ist der Kunde und seine Ansprüche“, so Jeffrey Snover. (rnf/su)
Be the first to comment