Nora Lawender hat mit 1. April die Position der Geschäftsführung bei NTT Österreich übernommen. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen, denen sich die Unternehmen derzeit stellen müssen und Chancen, die sie nutzen sollten. Aus Krisenzeiten müsse man eben auch lernen. [...]
Sie haben Anfang April die Geschäftsführung von NTT Österreich übernommen, also mitten im ersten Lockdown. Wie ist der Start verlaufen?
Ich bevorzuge eigentlich persönliche Treffen mit den Mitarbeitern, da spürt man die Emotion und Energie unmittelbar. Da das in dieser Phase des Lockdowns nicht möglich war, haben wir verstärkt auf moderne Collaboration Tools gesetzt und das hat gut funktioniert. Aber natürlich erfordert das, gerade in einer solchen Phase, mehr Aufmerksamkeit und die Spontanität geht in gewisser Weise verloren. Ein Vorteil war sicher, dass ich schon seit 2002 im Unternehmen tätig bin und mich viele Mitarbeiter bereits gut gekannt haben. Aber seine Vision auf dem rein virtuellen Weg zu vermitteln ist natürlich schwieriger.
Sie waren mit der Aufgabe konfrontiert, das Unternehmen auf Home Office umzustellen.
Im Großen und Ganzen mussten wir nicht sehr viel ändern, da unsere Mitarbeiter schon mit den notwendigen Endgeräten und Collaboration Tools ausgestattet und vertraut waren. Es kam uns hier sicher zugute, dass wir schon vor der Krise das mobile Arbeiten praktiziert haben. Deshalb konnten wir auch rasch beschließen, gänzlich auf mobiles Arbeiten umzustellen.
Wie hat sich die Krise auf ihr Geschäft ausgewirkt?
Wir haben schon gesehen, dass die Unternehmen vorsichtiger geworden sind und große Investitionen zurückgegangen sind. Am Anfang der Krise gab es einen kurzen Hype, weil Kunden, die nicht auf diese Situation vorbereitet waren, verstärkt und rasch in Hard- und Software investieren mussten. Im Sommer haben wir dann eine gewisse Vorsicht gespürt, aber im September und Oktober ist der Mut zu Investitionen wieder zurückgekommen. Vielen Unternehmen ist mit der Krise die Notwendigkeit der Digitalisierung und ihr Aufholbedarf bewusst geworden.
Der zweite Bereich, in dem Unternehmen teilweise schmerzhafte Erfahrungen machen mussten, ist der Bereich Security. Probleme wurden bisher oft nur im kleinen Maße und adhoc bekämpft, aber es gab keine Gesamtstrategie bei Security. So eine Strategie ist natürlich ungleich wichtiger, wenn die Mitarbeiter mobil arbeiten und sich über unterschiedliche Kanäle in das Unternehmensnetzwerk einwählen. Hier wurde oftmals leider vor der Krise nur das Notwendigste gemacht.
Auch hier war die Krise ein Beschleuniger der Digitalisierung. Security muss von Anfang an im Digitalisierungskonzept mitbedacht werden, denn es ist immer schwieriger eine Lösung erst im Nachhinein zu integrieren. Die Unternehmen sehen jetzt, dass Digitalisierung ein großes Gesamtpaket ist.
Wie digital schätzen Sie die heimischen Unternehmen ein?
Österreich ist vielleicht weniger mutig als andere Länder, gleichzeitig sind heimische Unternehmen in manchen Bereichen auch sehr fortschrittlich. Eine große Schwierigkeit ist derzeit zu verstehen, dass Digitalisierung längst zum Vorstandsthema geworden ist. Früher war es so, dass es einen Verantwortlichen für die technische Infrastruktur gab, der auch für die Telefonanlage zuständig war und dann gab es noch den IT-Leiter. Dieses Zusammenwachsen und dieses Verstehen was Digitalisierung bedeutet und für ein Unternehmen bringen kann, passiert derzeit.
Ich denke, da sind wir im europäischen Vergleich sehr gut unterwegs. Es gibt viele Initiativen und Investitionen werden gefördert. Es ist aber noch nicht in allen Köpfen angekommen. Es gibt auch noch die Unternehmen, die lediglich Hardware ausschreiben und sich dann die Angebote anschauen. Aber die meisten Unternehmen suchen inzwischen Partner, mit denen sie Projekte gemeinsam umsetzen können.
Wie gehen Sie an Kunden heran?
Direkt. Wichtig ist, dass wir gemeinsam mit den Kunden unsere Lösungen entwickeln. Mit einem beratenden Ansatz versuchen wir, die Geschäftsprozesse zu verstehen und dann zu analysieren, wo man das Geschäftsmodell der Kunden besser machen und wie man durch Digitalisierung Prozesse optimieren kann.
In Österreich sehen wir ein großes Know-how und Unternehmen setzen bereits auf Digitalisierung, vor allem im Industriebereich. Hier kann man gut gemeinsam an Lösungen arbeiten und diese entwickeln. NTT ist international aufgestellt und deshalb haben wir eine breite Expertise mit den unterschiedlichsten Use Cases und darauf aufbauend können wir für den Kunden spezielle Lösungen entwickeln.
Das ist natürlich fast nie 1:1 umsetzbar. Hier ist es unsere Aufgabe, die spezifischen Anforderungen für den Kunden zu realisieren. Deshalb ist es auch so wichtig, die Prozesse des Kunden genau zu verstehen. Im Zentrum muss dabei immer die Frage stehen, wie der jeweilige Use Case das Unternehmen weiterbringen kann. Die Antwort darauf kann verschieden lauten: Es kann beispielsweise Innovationskraft und Kreativität freigesetzt werden, es können Kosten eingespart werden oder Unternehmen können mit Technologie ihren eigenen Kunden innovativere Produkte anbieten.
NTT hat kürzlich einen Report zum Thema „Intelligent Workplace“ veröffentlicht. Demnach wollen 87 Prozent der Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie ihre Arbeitsplatzstrategie überprüfen. Wie können Unternehmen ihren Mitarbeitern während einer Krise helfen?
Ich bin davon überzeugt, dass ein Unternehmen auch für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter mitverantwortlich ist. Technologie kann dabei unterstützen empowered zu arbeiten, also gemeinsam intelligent zusammenzuarbeiten. Dieses Vertrauen und den Mut zu haben, den Mitarbeitern etwas zuzutrauen, damit sie ihre Motivation daraus holen, dass sie entscheiden und eigenständig arbeiten dürfen, ist sehr wichtig – egal auf welcher Management-Ebene. Denn was unterscheidet den Mitarbeiter von einer Maschine? Er trifft Entscheidungen. Um Entscheidungen treffen zu können brauche ich Vertrauen – vom Unternehmen, vom Vorgesetzten. Kreativität und Mut zur Innovation sind in einem Unternehmen sehr wichtig und das muss man bei den Mitarbeitern fördern. Ich denke aber, dass dieser Wandel bereits stattfindet, auch dank Technologie, weil sie dabei hilft, eine datenbasierte Entscheidung zu treffen. Unternehmen brauchen Leute, die eigenständig, kreativ, innovativ denken und Sachen umsetzen können.
Können Unternehmen aus der Krise etwas lernen?
Ich fürchte, wir werden uns an Ausnahmesituationen gewöhnen müssen. Aber durch Technologie hat man die Möglichkeit, rasch und flexibel Entscheidungen zu treffen. Das Bewusstsein dazu ist da und es wird sich weiterentwickeln. Ich sehe auch, dass die Vorsicht vom Anfang des ersten Lockdowns nun nicht mehr so stark ist. Man hat gelernt und man muss darauf achten, dass Kapazitäten vorhanden sind.
Die Krise wird zweifelsohne auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation haben, aber ich denke, dass wir lernen besser damit zu leben. Die Zeiten, in denen man Entscheidungen treffen konnte, die endgültig waren, sind vorbei. Man muss strategische Pläne flexibel und rasch anpassen können, um in solchen Situationen schnell reagieren zu können.
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