Das Arsenal der Cyberwaffen wird größer

Stuxnet, Duqu und jetzt Flame: Im Nahen Osten im Allgemeinen und im Iran im Besonderen ist ein komplexer Computervirus aufgetaucht. Er könnte von einem Staat in Auftrag gegeben worden sein. Israelische Politiker halten ihn für legitim. [...]

Das Programm mit dem Namen Flame werde derzeit in mehreren Ländern aktiv als Cyberwaffe eingesetzt, warnte das russische Antivirus-Unternehmen Kaspersky Lab. »Die Komplexität und Funktionalität der neu entdeckten Schadsoftware übersteigt alle bislang bekannten Cyber-Bedrohungen.« Sein bisheriges Verbreitungsgebiet lässt sich vor allem auf den Iran (189 Fälle), Israel und die Westbank in Palästina (98), den Sudan (32), Syrien (30), den Libanon (18) und Saudi-Arabien (zehn) einschränken. Erste Infektionen konnten bis zum August 2010 zurückverfolgt werden. 
Anders als Stuxnet dient Flame nicht zur Störungen industrieller Steuerungssysteme, sondern der Spionage. »Flame lässt sich als eine der komplexesten Bedrohungen beschreiben, die je entdeckt wurden«, so Alexander Gostew von Kapersky Lab in Moskau, das den Virus entdeckt hatte. »Es ist sehr groß, unglaublich ausgeklügelt und stellt eine neue Dimension von Cyber-krieg und Cyber-Spionage dar«, fügte Gostew in seinem Blog hinzu. Flame sei nach seiner Analyse eine universelle, generische Attacke auf alle derzeit unterstützten Windows-Systeme. So haben die Kaspersky-Experten auch aktuelle Windows-7-Systeme gefunden, die mit der Malware infiziert waren. 
Der Virus bedient sich unter anderem der gleichen Drucker-Schwachstelle und USB-Methode, die auch Stuxnet nutzt. Dabei ist Flame etwa 20 Megabyte groß und hat etwa 20 Mal so viel Code wie Stuxnet. Die Programmierer verwendeten eine virtuelle Maschine, um die Skriptsprache Lua auszuführen, die normalerweise zum Schreiben von Skripten in Computerspielen verwendet wird. Dadurch können die Angreifer die Schadsoftware beliebig erweitern, indem sie weiteren Schadcode nachladen, ohne den ursprünglichen Code zu ersetzen. Nach bisherigen Analysen kann Flame das Mikrofon des Rechners einschalten und Gespräche belauschen, Bildschirminhalte und Tastatureingaben aufzeichnen sowie den Netzwerktraffic lokaler LAN belauschen.
CYBERWAFFE GEGEN WEICHE ZIELE
In den Augen Eugene Kasperskys könnte die Flame-Schadsoftware eine neue Phase im Cyberkrieg auslösen. »Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Cyberwaffen gegen jedes Land eingesetzt werden können. Und im Gegensatz zur konventionellen Kriegsführung sind vor allem die weiter entwickelten Länder am meisten anfällig.«
So hält beispielsweise Israel den Einsatz von Cyberwaffen wie den Flame-Virus für Angriffe auf den Iran für berechtigt, um Teheran von der Entwicklung von Atomwaffen abzuhalten. Für jedes Land, das sich durch die Atombestrebungen des Iran bedroht fühle, sei der Einsatz eines Virus »sinnvoll«, sagte Vize-Regierungschef Mosche Jaalon im israelischen Armee-Rundfunk. »Israel ist gesegnet, ein technologisch reiches Land zu sein«, ergänzte er. Viren wie Flame »eröffnen uns alle Möglichkeiten«.
Der Computerwurm Stuxnet wurde im Jahr 2011 zum Synonym für Angriffe auf große und wichtige Infrastrukturen wie Industrieanlagen oder Stromnetze. Der Malcode war auf eine bestimmte Konfiguration von Siemens-Industriesystemen zugeschnitten. Experten gehen nach wie vor davon aus, dass er geschrieben wurde, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. Da der Arbeitsaufwand für ein derartiges Programm immens hoch ist, vermuten viele Spezialisten Staaten oder zumindest eine staatlich unterstütze Gruppe hinter dem Angriff.
Der Trojaner Duqu wird von Experten als »der kleine Bruder von Stuxnet« bezeichnet. Er sammelt Daten von Computern und übermittelt sie an seine Entwickler. Die Software hat offenbar das Ziel, Industrieanlagen für weitere Angriffe auszuspionieren. Die erste Duqu-Attacke dürfte bereits im Dezember 2010 passiert sein. Den Namen Duqu bekam die Software, weil sie Dateien mit dem Namensteil »~DQ« anlegt. (el)

Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*