Unternehmen stellen langsam auf den neuen Standard IPv6 um. [...]
Am 6. Juni haben große Internetunternehmen wie Facebook, Google, Microsoft Bing und Yahoo ihre Webseiten vom Internetstandard IPv4 auf IPv6 umgestellt. Das wurde nötig, weil der Vorrat an festen IPv4-Adressen erschöpft ist. Im vergangenen Jahr hat die internationale Vergabestelle für IP-Adressen, IANA, das letzte Paket von einst mehr als vier Milliarden Adressen mit dem Standard IPv4 nach Asien vergeben. Mit dem neuen Standard IPv6 wird jetzt um ein Vielfaches mehr Raum geschaffen. Sind es bei IPv4 rund vier Milliarden IP-Adressen, bietet der Standard IPv6 rund 340 Sextillionen Adressen Platz. Und obwohl von Seiten der IKT-Branche und auch der Politik die Umstellung auf IPv6 immer wieder angesprochen wurde, ist bisher fast nichts passiert. Auch in Österreich wurde vor vielen Jahren eine IPv6-Taskforce ins Leben gerufen, um ein Bewusstsein bei den heimischen Unternehmen zu schaffen. Viel gehört hat man von der Einsatztruppe aber nicht.
EINE ADRESSE FÜR JEDES GERÄT
Jedes Gerät, das sich ins Internet einwählt, kann nun eine eigene Adresse bekommen, die es für seine komplette Lebensdauer behält und mit der es dauerhaft identifizierbar bleibt – eine Art Nummernschild fürs Netz, für PC, Smartphones und jedes andere mit dem Internet verbundene Gerät. Bislang werden IP-Adressen von den Providern vorwiegend dynamisch zugewiesen. Bei jeder Einwahl ins Internet erhält ein Gerät auf diese Weise eine neue IP-Adresse. Wird die Internetverbindung beendet, ist die Adresse frei für ein anderes Gerät. Knapp werden die Adressen jetzt, weil auch immer mehr Geräte wie Fernseher oder Kühlschränke mit einer eigenen IP-Adresse ausgestattet werden und diese daher »für immer« vergeben wird.
Die Internet Society, eine Nichtregierungsorganisation, die sich um die Pflege und Weiterentwicklung der Internet-Infrastruktur kümmert, will Unternehmen dazu ermuntern, das überholte IPv4-Verfahren durch seinen Nachfolger zu ersetzen. Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, hat sich die Internet Society die Unterstützung prominenter Internet Service Provider, Netzequipment-Hersteller und Web-Companies gesichert. Sie alle haben versprochen, ihre Produkte und Services ab sofort IPv6-fähig auszuliefern oder zu gestalten. Mit der Zeit sollen auch kleinere Firmen und Anbieter folgen und schrittweise IPv6 einführen.
IPv4 und IPv6 sind zwar nicht miteinander kompatibel, private Nutzer sollten trotzdem kaum Probleme bekommen. Moderne Betriebssysteme unterstützen den neuen Standard bereits. In seltenen Fällen könnte es dazu kommen, dass Verbindungen etwas langsamer sind – in vielen Fällen soll das Internet allerdings deutlich schneller werden. Um Fehlern zu entgehen, reicht es oft aus, ein aktuelles Betriebssystem zu verwenden. Manchmal muss auch eine Einstellung im Router für den Internetzugang verändert oder dessen Software aktualisiert werden.
BEDENKEN VON DATENSCHÜTZERN
Der Gedanke, mit IPv6 nun feste IP-Adressen zu vergeben, ruft aber auch Kritiker auf den Plan. Denn damit sind einzelne Nutzer auch viel leichter zu identifizieren. Abhilfe schaffen soll ein eigenes System. Die sogenannte Privacy-Extension verschlüsselt die zweite Hälfte der IP-Adresse, sodass sie nicht mehr zum jeweiligen User führt. Datenschützer fordern zudem, dass Internetanbieter ihre Kunden darüber aufklären und sie unterstützen und auch, dass sie Möglichkeiten für den Internetnutzer schaffen, seine Identifizierung im Netz durch Dritte zu erschweren oder zu verhindern, damit IPv6 verantwortungsvoll betrieben werden kann.
Suchmaschinen, Verkaufsportale oder Nachrichtenmedien könnten anhand von statischen IP-Adressen genau verfolgen, was ein Surfer auf ihrer Webseite tut, wonach er sucht und welche Inhalte er betrachtet und sie würden ihn beim nächsten Besuch wieder erkennen. So ließen sich zum Beispiel sehr präzise Nutzerprofile erstellen, die ideal für Werbe- und Marktforschungszwecke wären. Auch Strafverfolger könnten davon profitieren, über eine immer gleiche Gerätekennung lassen sich Spuren etwa auf besuchten Webseiten oder abgesendete E-Mails über Monate und Jahre einer Person zuordnen.
Unternehmen nehmen die Sache aber durchaus ernst. Laut einer Befragung von BT Diamond gaben 44 Prozent der befragten internationalen 876 Experten aus IT- und operativen Abteilungen an, dass sie IPv6 innerhalb der nächsten zwei Jahre einführen wollen. 55 Prozent der Befragten stimmen demnach darin überein, dass der »Einsatz von IPv6 in meinem gesamten Netzwerk notwendig ist«. Auch heimische Unternehmen bereiten sich auf die Umstellung vor. So hat die Telekom Austria Group ihre Unternehmenswebseite bereits für IPv6 geöffnet. »Vor allem unseren Großkunden bieten wir jetzt an, die Weichen für IPv6 zu stellen, und sich schrittweise auf die Umstellung vorzubereiten«, sagt Hans Pichler, Technikchef der Telekom Austria Group. (cb)
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