„Das Ökosystem ist einer der schwersten Teile des Geschäfts“

Amazon-Chef Jeff Bezos kam persönlich nach Europa, um ein neues Modell des E-Book-Lesegeräts Kindle und eine digitale Leihbücherei vorzustellen. Der Gründer des weltgrößten Online-Händlers sprach im Agentur-Interview über den Wettbewerb im Tablet-Geschäft und seine Einkaufsgewohnheiten. [...]

Wenn Sie Verkäufer wären, wie würden Sie uns überzeugen, als Tablet einen Kindle Fire HD kaufen?
Jeff Bezos Für uns ist es ein Service und kein rein technisches Gerät. Wir machen eine tolle Hardware mit einem schnellen Prozessor, es ist das erste Tablet mit gutem Stereo-Sound, das Display spiegelt kaum. Aber der wichtigste Punkt ist dass wir nicht versuchen, Geld mit dem Gerät selbst zu verdienen, sondern es praktisch zum Produktionspreis abgeben. Wir hoffen, das Geld mit der Zeit hereinzubekommen, wenn Kunden Bücher, Musik oder Apps kaufen. Wir haben auf dem amerikanischen Tablet-Markt einen Anteil von 22 Prozent – und der Kindle Fire ist erst seit elf Monaten auf dem Markt. Aus meiner Sicht ist es ein großer Markt mit Platz für mehrere Gewinner.

Wann haben Sie entschieden, ein Tablet auf den Markt zu bringen?
Das war vor ungefähr zwei Jahren. Unsere E-Book-Reader verkauften sich sehr gut und wir wollten den Kunden zusätzlich ein Gerät mit mehr Funktionen anbieten. Mit der schwerste Teil des Geschäfts ist, ein Ökosystem aufzubauen – das hatten wir da schon. Der Hauptgrund, warum Dutzende Android-Tablets am Markt gescheitert sind war, dass dahinter kein Ökosystem stand. Man kann zum Beispiel einfach kein Tablet ohne einen Musik-Shop anbieten. Dank dem Kindle hatten wir zudem acht Jahre Erfahrung, wie man ein Gerät baut.

Ein US-Magazin schrieb vom Tech-Krieg zwischen Amazon, Apple, Google und Facebook. Fühlen Sie sich im Krieg?
 Ich sehe das etwas anders. Viele betrachten das Geschäft als eine Art sportlichen Wettkampf, aber Business ist etwas ganz anderes. Beim Sport gibt es Sieger und Verlierer. In der Wirtschaft können Branchen Aufschwung oder Niedergang erleben und es ist selten, dass es nur einen Gewinner gibt. Vielleicht ist einer stärker in bestimmten Bereichen, oder hat mehr Marktanteil. Aber ich habe in meinen Jahren im Geschäft gelernt, dass es am Gefährlichsten ist, sich nicht zu unterscheiden. Man muss etwas Neues bieten, Nachahmer-Produkte funktionieren auf Dauer nicht. Wir wollen Sachen erfinden, die den Leuten anfangs ungewöhnlich vorkommen – aber einige Jahre später für alle normal sind. Das ist das größte Kompliment, das es für einen Erfinder geben kann.

Amazon hat zum Aufstieg der E-Books beigetragen, wie sehen Sie die Zukunft der gedruckten Bücher?
Wir sehen dass die Menschen, die sich ein Kindle-Lesegerät anschaffen, danach nicht nur mehr digitale Bücher kaufen, sondern auch mehr gedruckte. Sie lesen einfach mehr. Im Moment ist es kein entweder/oder. Ich weiß nicht, wie sich das entwickelt. Bei Musik ging der Umschwung zu Downloads sehr schnell, das scheint bei Büchern anders zu sein, auch wenn E-Books ein wichtiger Teil des Geschäfts sind. Inzwischen verkaufen wir etwa in Deutschland mehr digitale als Hardcover-Bücher.

Wie kompliziert waren die Verhandlungen für die Kindle-Leihbücherei?
Das war von Verlag zu Verlag unterschiedlich, aber ich denke, wir haben ein sehr gutes Angebot zusammenbekommen. Zumal das Geschäftsmodell anders als bei einer traditionellen Bibliothek ist – der Rechteinhaber wird jedes Mal bezahlt, wenn jemand ein Buch ausleiht. Das Angebot gilt nur für Kindle-Besitzer und Kunden von unserem Bezahldienst Amazon Prime. Es ist also ein Anreiz, in das Amazon-Ökosystem einzusteigen.

Wann können Sie nicht auf den traditionellen Handel verzichten?
Ich grille Hamburger am Wochenende, dafür kaufe ich im Laden ein. Aber ich bin bei sehr vielen Sachen zu Online-Käufen gewechselt. Ich kaufe inzwischen auch Schuhe im Internet. Wenn Sie mir vor fünf Jahren gesagt hätten, wie viele Schuhe Amazon jetzt verkaufen wird, hätte ich Sie für verrückt gehalten. Allerdings sind zum Beispiel Baustoffe so ein Bereich, den noch keiner so recht geknackt hat.

Jeff Bezos
Nach dem Technik-Studium in Princeton arbeitete Jeff Bezos zunächst beim taiwanesischen Mobilfunker FITEL, danach bei Bankers Trust und bei D. E. Shaw & Co. Dort entstand zusammen mit David Shaw die Idee eines elektronischen Buchgeschäfts. Im Jahr 1994 verließ er D. E. Shaw & Co., um die Idee allein weiter zu entwickeln, und gründete das Unternehmen Amazon.com. 1999 war er Mann des Jahres des Nachrichtenmagazins Time und 2000 gründete er das private Raumfahrtunternehmen Blue Origin. Sein Vermögen wird auf über 18 Milliarden US-Dollar geschätzt.


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