»Das Unbekannte wagen«

IoT, Industrie 4.0 und Big Data verändern die Privat- und Geschäftswelt rasant. Die Technologieentwicklung skaliert – Echtzeit- Anwendungen und damit auch Analysen sowie die Umsetzung in Prozesse erfolgen in kürzester Zeit über Startups oder Apps. [...]

Bevor die Digitalisierung für Unternehmen überhaupt greifbar wurde, hat sich die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe e.V. (DSAG) bereits mit den dazugehörigen Veränderungsprozessen beschäftigt und zunehmend das Business in den Vordergrund gestellt. Im Interview beschreibt DSAG-Vorstandsmitglied Otto Schell wie die digitale Zukunft für Unternehmen aussehen kann und welche Rolle Allianzen mit Softwareherstellern dabei spielen.
Die digitale Transformation ist längst kein Nice-to-have mehr, sondern ein Must. Unternehmen müssen aktiv bleiben oder werden. Aber was genau ist jetzt wichtig – und wie sehen die Rahmenbedingungen dazu aus?
Jedes Unternehmen, jede Branche ist gezwungen, Geschäftsprozesse durchgehend zu digitalisieren und zu automatisieren. Das bestätigt die jährlich durchgeführte DSAG-Investitionsumfrage. Über 60 Prozent der Budgets der befragten Mitglieder fließen in die Digitalisierung. Über 50 Prozent der Teilnehmer schätzen Investitionen in bestehende Geschäftsprozesse in Zusammenhang mit der digitalen Transformation als wichtig bis sehr wichtig ein. Etwas über 40 Prozent messen diesen Investitionen eine mittlere Bedeutung zu. Wenn es um Investitionen in neue Geschäftsmodelle im Zuge der digitalen Transformation geht, schwächt sich das Bild leicht ab. 36 Prozent der Befragten schätzen Investitionen in neue Geschäftsmodelle als wichtig bis sehr wichtig ein. Ein deutliches Zeichen. Wir sind schon mittendrin im technischen Wandel und erleben große und grundsätzliche Änderungen und im besten Fall treiben wir sie voran. Sei es Industrie 4.0 oder das übergeordnete Internet of Things (IoT), Big Data oder In-Memory-Computing, heute ist alles vernetzt. Angesichts all der Entwicklungen im Umfeld von IoT und Digitalisierung ergeben sich viele neue Berufsbilder und neue Chancen für Unternehmen. Unternehmen im DACH-Raum, die traditionell stark in der Forschung und im Maschinenbau tätig sind, profitieren von mehr Möglichkeiten, denkt man zum Beispiel an die Anbindung und Anpassung von Sensorik in die Backend-Systeme.
Das klingt an sich erst einmal positiv. Doch wo gibt es derzeit am meisten Handlungsbedarf?
Die Digitalisierung löst viele bekannte Rahmenbedingungen auf und die zusätzliche  Transparenz sorgt für mehr Druck. Nicht nur die Unternehmen selbst sehen ihr Geschäftsmodell, ihre Preise, Gewinnspannen und Potenziale klarer, sondern eben auch der Wettbewerb und die Kunden. Eine Folge daraus ist die Entstehung vieler neuer Wettbewerber. Sie verdrängen die Marktführer und machen digitalen Nachzüglern das Leben schwer. Trotzdem haben die meisten DSAG-Mitglieder ihre Installationen noch nicht auf den gewünschten, zukunftsfähigen Stand gebracht. Die Anwender sind immer noch zurückhaltend, denn für viele bleibt die Frage unbeantwortet, wie man das klassische On-Premise-ERP in Digitalisierungsdenken übersetzen kann.
Welche Rolle spielt die Softwareindustrie vor diesem Hintergrund?
Eine ganz wesentliche, denn alle Bereiche und Branchen werden von Software durchdrungen. Umso wichtiger ist es, dass die Strategie eines Softwareherstellers auch zu den Kunden-Roadmaps passt.
Was konkret empfehlen Sie Unternehmen, ganz egal, welche Stufe der Digitalisierung sie bisher erreicht haben?
Sie müssen das Unbekannte wagen. Sie müssen ihren Blick auf das gesamte Unternehmen richten, ein Digitalisierungskonzept entwickeln und eine neue IT-Architektur oder zumindest eine an die neuen Anforderungen angepasste IT-Architektur etablieren. Neue Profile und neues Denken erfordern, dass sich Unternehmen in gemeinsamen Gremien austauschen, die Zeiten eines Silo-Denkens sind vorbei. Den Digitalisierungs-Weg konsequent zu gehen, bedeutet, dass sich Unternehmen sehr schnell darüber klar werden müssen, wo sie sich im Moment tatsächlich befinden – und wo sie eigentlich hin möchten. Wichtig ist dabei vor allem, Bekanntes zu hinterfragen.
Inwiefern ist Disruption hier ein relevantes Stichwort?
Disruption ist hier das Stichwort schlechthin. Doch IoT bringt nicht nur Vorteile. Unternehmen müssen sich auch im Klaren darüber sein, dass damit eine Transparenz einhergeht, die sie bis heute nicht kannten. Bisher konnten sie sich, ihrer Geschäftsmodelle und ihres Erfolgs fast sicher wähnen. Das wird deutlich, wenn man sich zum Beispiel die meist noch konservativen Distributionskanäle ansieht, die derzeit von einer Omni-Channel-Welt überrannt werden. Die Möglichkeiten des IoT sind immens – der Handlungsbedarf in vielen Unternehmen im Moment aber leider auch noch.
Welche Rolle spielen ERP-Systeme künftig noch beim Thema Digitalisierung?
Der Name ERP ist überholt, das spiegelt sich auch im Motto des nächsten DSAG-Jahreskongresses im September wider: »Zwischen den Welten – ERP und digitale Plattform«. Um künftig noch eine Rolle zu spielen, muss sich das ERP öffnen.
Alle Prozesse und Transaktionen, die nicht zum Core gehören, werden schon jetzt über Cloud-Applikationen für Partner freigegeben. Für mich ist klar: Backend-Prozesse wie Abrechnung, Einkauf oder Reisekostenmanagement werden künftig in Networks erfolgen. Vielen SAP-Anwendern ist jedoch derzeit noch nicht ganz klar, weshalb sie auf diese neuen Technologien umsteigen sollten.
Wie könnte das ERP der Zukunft aussehen?
Ich gehe davon aus, dass Künstliche Intelligenz künftig eine wesentliche Rolle für ERP-Prozesse spielen wird und manuelle Transaktionen zunehmend durch Robotics und Process Mining ersetzt werden.
Was müsste man tun, um ein klassisches ERP-System in ein KI-System umzuwandeln?
Man müsste das ERP-System befähigen, transaktionelle Prozesse abzulösen. Aussehen könnte das dann zum Beispiel so, dass man KI-Algorithmen einsetzt. Diese könnten unter anderem Menschen ersetzen, die Reports lesen und manuell Maßnahmen anstoßen. Außerdem könnte KI die Zeiten beenden, in denen Daten aus dem ERP-System geholt und in Excel gegengerechnet oder weitergenutzt werden. Ich glaube jedoch nicht, dass es einen großen Hersteller gibt, der alles stemmen kann.
Das Interview in voller Länge finden Sie zum Nachlesen unter: www.itwelt.at


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