Das Geschäft mit der Sprachtelefonie wird zum Auslaufmodell, die Zukunft liegt im Geschäft mit Daten. Doch das Flatrate-Modell könnte sich hier negativ auswirken. Experten schlagen als Alternative differenzierte Preismodelle vor. [...]
Die weltweiten Umsätze im Bereich der mobilen Sprachtelefonie gehen weiter zurück. In den nächsten drei Jahren werden sie um knapp fünf Prozent auf rund 628 Milliarden Dollar (483 Mrd. Euro) sinken. Dadurch falle die Sprachtelefonie eher kurz- als mittelfristig als Wachstumstreiber für Mobilfunkbetreiber aus. Im Gegenzug sollen die Übertragungsraten im Bereich der mobilen Daten explodieren – hier legt das übertragene Volumen pro Jahr bereits im Schnitt um satte 29 Prozent zu. Zu diesem Schluss kommt das Beratungsunternehmen Booz & Company im der Studie „Sprache ist tot – es leben die Daten“. Die globalen Erträge, die Telekommunikationsunternehmen beispielsweise mit der Übertragung von Bild, Video oder Musikdateien erwirtschaften, legen dagegen nur um vergleichsweise moderate neun Prozent pro Jahr zu. Trotz der noch teilweise offenen Frage, wie sich der enorme Datenzuwachs künftig im Geschäftsmodell der Telekommunikationsunternehmen positiv niederschlagen kann, zeigen die Analysen von Booz & Company, dass sich die Umsatzverluste aus dem schrumpfenden Geschäftsbereich Sprache langfristig überkompensieren lassen – vorausgesetzt, es werden die richtigen Maßnahmen ergriffen. Denn ein weiterer Umsatz- und Wachstumstreiber entsteht durch die (mobile) Digitalisierung des täglichen Lebens und aller Geschäftsprozesse.
NEUE WETTBEWERBER
Allerdings entfällt nach einer Verdopplung des Umsatzes für Apps und Internetangebote im mobilen Web in 2012 und geschätzten Umsätzen von 26 Mrd. Euro für 2013 der Großteil der Umsätze auf neue Wettbewerber wie Apple, Facebook oder Spielehersteller wie etwa Rovio. Zukünftig werden sich Telekommunikationsnetzbetreiber einen größeren Umsatzbeitrag aus dem Applikationsbereich sichern können, indem sie die Qualität und Zuverlässigkeit dieser Dienste garantieren und für diese Wertschöpfung entlohnt werden.
Der kommerzielle Erfolg von mobilen Internetanwendungen, -inhalten und -diensten geht bisher nicht nur weitgehend an den Netzbetreibern vorbei, sondern führt die Infrastruktur immer häufiger ans Limit. „Engpässe in der Verfügbarkeit von mobilen Datendiensten sind in Westeuropa spätestens in zwei Jahren – zumindest in Spitzenzeiten – aus heutiger Sicht unvermeidlich, da die bestehenden Netze technisch gesehen dann an der Belastungsgrenze sind. Das gilt es zu vermeiden, was aber auch bedeutet, dass die Netzbetreiber darauf angewiesen sind, signifikante Investitionssummen für den Bandbreitenausbau, etwa in LTE und Glasfaser, über entsprechende Umsätze zu finanzieren“, sagt Klaus Hölbling, Telekommunikationsexperte im Wiener Büro bei Booz & Company. In diesem Zusammenhang nennt Hölbling die Einführung der Datenflatrate einen „historischen Fehler“ der Netzbetreiber. Denn nur wenige User verursachten das Gros des Datenverkehrs: Konkret erzeugten im Schnitt fünf Prozent der stärksten Datennutzer rund 75 Prozent des gesamten Datenvolumens eines Anbieters.
KOMMT DAS ENDE DER FLATRATES?
„An der heutigen Schwelle zur neuen LTE-Technologie bietet sich für Netzbetreiber eine Chance, die Dominanz der Flatrate-Tarife aufzulösen und durch eine differenziertere Preispolitik, etwa mittels qualitätsabhängiger Modelle, zu ersetzen. So ist vorstellbar, dass Kunden einen Aufschlag für ein schnelles und sicheres Netz bezahlen und so in den Genuss von Bevorzugung bei Engpässen kommen. Aus den stark wachsenden Datenvolumina kann so von Telkos signifikantes Wachstum erzielt und die Infrastruktur-Investments gestemmt werden“, so Hölbling. So würden es Verizon und AT&T aus den USA den europäischen Anbietern bereits eindrücklich vormachen, wie sich mit Preisdifferenzierung je nach Gerät und Integration aller mobilen Verbindungen unter einem Vertrag die Wachstumsraten und die Profitabilität erheblich steigern lassen. Zudem würden die schnelleren Netze und der Boom mobiler Endgeräte den Betreibern neue Geschäftsfelder und Ertragsmöglichkeiten durch internetbasierende Dienstleistungen, im Privatkundenbereich beispielsweise durch E-Health- und E-Learning-Anwendungen oder im B2B-Bereich durch Smart Grid-, M2M- oder mobile Payment-Lösungen, ermöglichen. In Österreich rechnet man mit einer Versiebenfachung des generierten mobilen Datenvolumens bis 2015. Mittelfristig würde demnach auch die LTE-Technologie den mobilen Data-Boom weiter befeuern. (cb)
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