„Der alte CIO kehrt nicht mehr zurück“

Interim CIO ersetzen den bestehenden IT-Leiter, um ein Projekt umzusetzen, eine Übergangsphase einzuleiten oder gleich das ganze Unternehmen umzukrempeln. Während diese Rolle in Deutschland gelebte Praxis ist, gibt es in Österreich noch zu viele Vorurteile. [...]

Gert Keuschnigg fungiert mit seinem Unternehmen Atlas schon länger als Unternehmensberater. Das in den Jahren gesammelte Know-how und die vielen umgesetzten Strategien helfen ihm nun in seiner Rolle als Interim CIO. Im Gespräch mit der COMPUTERWELT erklärt Keuschnigg die Aufgaben eines Interim CIO und warum so gut wie kein alter CIO nach der Interimstätigkeit ins das Unternehmen zurückkehrt.  

Wie wird man Interim CIO?
Gert Keuschnigg:
Wir beraten schon lange und haben viele Unternehmensstrategien und IT-Strategien für Unternehmen entwickelt. Dadurch sind wir immer weiter in das Thema Interimsmanagement hineingerutscht. Wir haben sehr viele IT-Projekte gemacht, wo wir gesehen haben, dass viele Randthemen in der IT nicht aufgegriffen werden, weil sie in der Organisation unliebsam sind und daher auf die lange Bank geschoben wurden. Irgendwann wollten wir dann auch bei der Umsetzung helfen und sind so zur Interimsrolle gekommen. Durch die Übernahme der ATMG (Austria Task Management,  Anm.) hat das Thema dann einen Höhepunkt in der internen Entwicklung erreicht. Ich habe selbst auch 2012 und 2013 Erfahrung als Interim CIO bei einem deutschen Dax30-Unternehmen sammeln können. Dabei haben wir Einheiten aus 25 Ländern zentralisiert und harmonisiert.

Ist es in Österreich bereits üblich externe CIO für einen bestimmten Zeitraum ins Boot zu holen?
In Deutschland ist das Thema Interim Management sehr viel ausgeprägter, der Markt ist um zehn Jahre weiter als in Österreich. Es ist dort Usus in allen Bereichen und Ebenen, Interimsmanager anzuheuern. Bei uns schwingen immer die Begriffe Sanierung oder Restrukturierung beim Thema Interimsmanagement mit, das muss aber nicht der Fall sein. Nicht jedes Unternehmen macht eine internationale Konsolidierung immer wieder, sondern das passiert im Idealfall einmal. Und dafür holt man sich dann jemand an Bord, der das schon gemacht hat.

Wie läuft es in der Regel ab, wenn sie von heute auf morgen einen CIO in einem Unternehmen ersetzen, und für welchen Zeitraum ersetzen sie die CIO?
Bei meinem letzten Projekt war ich zwei Jahre im Unternehmen, ein Jahr davon als Interim CIO. Es gibt aber auch Interim Manager, die für bestimmte Projekte, wie einen SAP-Rollout, ins Unternehmen kommen und nach dem Rollout wieder übergeben. Bei vielen Projekten gibt es auch Change Manager, um die eingefahrenen Strukturen im Unternehmen aufzubrechen und frischen Wind hineinzubringen. Viele Manager sind mit dem Tagesgeschäft auch völlig ausgelastet. Da gibt es keinen Freiraum für kreatives Denken. Der Unterschied zum reinen Consultant ist, dass der Interimsmanager sehr umsetzungsorientiert ist. Ein Consultant würde perfekte Powerpoint-Präsentation abgeben, ein Interimsmanager sieht den Mut zur Lücke und geht in die Umsetzung.

Die IT wird immer mehr zum Business Enabler, das verändert auch die Rolle des CIO drastisch. Kommt das Ihrem Geschäftsmodell zugute?
Ja absolut. Ich denke, dass IT und Business immer mehr verschmelzen. Die Technologie ist heute Teil des Geschäfts und das müssen die Unternehmen erkennen. Es hängt auch sehr stark von der Unternehmensgröße ab. Größere Unternehmen haben sehr starre Strukturen, die über viele Jahre gewachsen sind, kleine und jüngere Unternehmen versuchen gleich, einen digitalen Ansatz zu wählen. Es müssen sich aber alle Unternehmer überlegen, wie von innen heraus durch Technologie ein Innovationsschub entstehen kann.

Arbeiten Sie als Interim CIO mit den bestehenden CIO zusammen?
Wenn man die Rolle eines Interim CIO hat, dann ist man dieser, da kann es keine zwei Personen geben. Sehr wohl unterstützen wir aber in einigen Projekten auch den bestehenden CIO oder werden sogar vom CIO beauftragt. Es kommt immer sehr stark darauf an, wer der Auftraggeber ist und was die Ziele sind.

Kehrt der CIO nach Ihrer Tätigkeit dann wieder an seinen Arbeitsplatz zurück?
Diese Situation habe ich eigentlich noch nie erlebt. Wenn Unternehmen auf einen Interim CIO zurückgreifen, ist es oft so, dass der Vorgänger gar nicht mehr im Unternehmen oder gerade am Ausscheiden ist. Einen Rückweg gibt es da eigentlich nicht. Es geht zumeist um einen Übergang zwischen zwei CIO, der Interim CIO bildet dann die Schnittstelle. Wenn sich Unternehmen einen Interim CIO holen, um die digitale Transformation zu bewältigen oder das Unternehmen grundlegend umzubauen, ist das Unternehmen am Ende des Projekts so stark verändert, dass es ohnehin einen neuen CIO benötigen würde.

Im Rahmen der Digitalisierung heißt es immer wieder, dass die IT-Strategie tief in der Unternehmensstrategie verankert sein muss. Ist das so und passiert das in Österreich?
Das ist definitiv notwendig, und es ist ein grundlegender Erfolgsfaktor für Unternehmen, wenn es eine Strategie-Verzahnung gibt, von einer Hauptstrategie in die unterschiedlichen Teilstrategien. Ich erlebe das sehr unterschiedlich: Es gibt Unternehmen, die keine Strategie haben, sondern operativ tätig sind, da macht man sich nicht allzu viele Gedanken. Es gibt aber auch Unternehmen, wo es diese Verzahnung gibt, die sind aber sicher in der Minderheit. Man wünscht es sich, man spricht davon, es gibt aber dann doch immer wieder Unternehmenshürden, die davon abhalten. Eine davon ist, dass der CIO im Unternehmen nicht so wahrgenommen wird, wie es heutzutage sein sollte.

Das Gespräch führte Alex Wolschann.

Gert Keuschnigg:
Gert Keuschnigg war als Prokurist bei IBM Business Consulting Services Österreich tätig und hatte verschiedene Bereichsleitungs- und Managementrollen in Mittel- und Osteuropa und EMEA. Dabei hat er globale Unternehmen sowie eine Vielzahl an KMU betreut. Keuschnigg hat profunde Fachkompetenz in der Unternehmensberatung, im Interim Management sowie der Unternehmensführung.


Mehr Artikel

News

Große Sprachmodelle und Data Security: Sicherheitsfragen rund um LLMs

Bei der Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Datensicherheit in KI-Workloads ist es entscheidend, die Perspektive zu ändern und KI als eine Person zu betrachten, die anfällig für Social-Engineering-Angriffe ist. Diese Analogie kann Unternehmen helfen, die Schwachstellen und Bedrohungen, denen KI-Systeme ausgesetzt sind, besser zu verstehen und robustere Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*