Walter Hölblinger ist dank seines innovativen Kommunikationsmodells C3 "Top CIO des Jahres 2019". Damit zeigt er unter anderem, wie wichtig es für CIOs ist, Technologie für alle verständlich und den Beitrag der IT an der Transformation deutlich zu machen. [...]
Im Jahr 1864 gründet der junge Industriepionier Josef Werndl mit seinem Bruder die „Josef und Franz Werndl & Company, Waffenfabrik und Sägemühle in Oberletten“, die zum Grundstein für eine Vielzahl bedeutender Hightech-Betriebe unserer Gegenwart wurde und zur Heimat zahlreicher bedeutender Innovationen. So beschäftigten sich die Gründer schon früh mit der Elektrotechnik, um die dauernd wechselnde Auftragslage im Waffengeschäft auszugleichen. Ein Nebeneffekt: Dank des Engagements war Steyr die erste europäische Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung.
Im Jahr 2000 stieß der gelernte Bürokaufmann Walter Hölblinger zum Unternehmen, zunächst als Schütze am Schießstand, danach durchwanderte er vom Einkauf bis zum Marketing diverse Abteilungen. Die Folge: Als er im Jahr 2011 zum CIO aufstieg, kannte er die Mitarbeiter und Geschäftsprozesse sehr genau – die ideale Voraussetzung, um das Unternehmen durch die digitale Transformation zu führen. „Bereits vor meiner Zeit als CIO stellte ich fest, dass ein Großteil der Informationen nicht richtig ankam beziehungsweise wahrgenommen wurde. Dies war die Grundlage vieler Missverständnisse und Probleme. Nach meiner Beförderung zum CIO analysierte ich diese Problematik noch intensiver und bemerkte dadurch erst, wie groß die Auswirkung einer solchen Fehlkommunikation wirklich sein kann“, so Hölblinger im Gespräch mit der COMPUTERWELT.
CIO Communnication Concept
Anstatt das Problem wie viele andere Firmen mit Hilfe von technischen Lösungen anzugehen und damit in der Regel zu scheitern, weil es nur die Symptome behandelt, entwickelte der Steyr Arms-CIO ein eigenes grundlegendes Kommunikationsmodell namens „CIO Communication Concept“ – oder kurz: „C3“. „Das Modell geht von der Annahme aus, dass das, was das Gegenüber sagt, nicht dem entspricht, was es sagen will. Ein gutes Beispiel ist Industrie 4.0: Jeder versteht etwas anderes darunter.“ Ein wesentliches Element sei die Fähigkeit, herauszuhören, was tatsächlich gemeint ist, wobei seine breitgefächerte Erfahrung mit spezifischen Geschäftsabläufen und menschlichen Befindlichkeiten wertvolle Dienste leistet. „Ich transformiere das Gesagte in die IT-Sprache und wieder zurück in die Sprache des Auftraggebers. Ich antworte damit dem CFO anders als dem CEO oder dem Mitarbeiter in der Fachabteilung. Dadurch erhalte ich einen wichtigen Mehrwert: Dank dieser Art der Kommunikation sind Menschen wesentlich offener und trauen sich, viel mehr zu sagen als in einer IT-Kommunikation, mit der sie nicht vertraut sind.“
Zusammenarbeit mit Unis
Der Hands-on-CIO ließ das von ihm in der Praxis entwickelte Kommunikationsmodell von einem Team der Johannes Kepler Universität in Linz analysieren und wissenschaftlich untermauern. Eines der Ergebnisse war, dass die C3-Methode tatsächlich so neu ist, dass sie nicht nur für den CIO Award des Hauses Confare eingereicht wurde, wo sie Walter Hölblinger den Titel „Top CIO des Jahres 2019“ einbrachte, sondern auch für eine Wissenschaftskonferenz.
Im beruflichen Alltag bei Steyr Arms beweist sich C3 als höchst praktikabel, um Innovationen im Unternehmen zu etablieren. So wird ein Input – etwa eine Idee oder ein Wunsch – transformiert und analysiert, ob er gegen die Unternehmens- oder IT-Strategie steht.
„Wenn das der Fall ist, der Input aber als gut erkannt wird, versuchen wir ihn, in die Strategie aufzunehmen. Der Input-Geber bekommt in jedem Fall ein qualifiziertes, nachvollziehbares Feedback. ‚Geht nicht, mach’ ma nicht‘ war früher einmal.“ Damit die Botschaft auch bei Kollegen richtig ankommt, die in der IT-Welt nicht zu Hause sind, nutzt Hölblinger meist Analogien aus anderen Bereichen, wobei er bewusst auf die Art des Denkens Rücksicht nimmt. „Ein Kollege, der gerne in Zahlen denkt, bekommt eine andere Antwort als jemand, der im sozialen Bereich zu Hause ist.“ Hier hilft wiederum seine langjährige Verbindung mit der Belegschaft. Zudem erweiterte der CIO sein theoretisches Fachwissen im Zuge seines MBA-Studiums in IT-Management – und das auch in betriebswirtschaftlichen Bereichen.
Sich den Partnern öffnen
Parallel zum neuen Markenauftritt zu Beginn des Jahres 2019 – das Unternehmen wurde in Steyr Arms umbenannt – wurden unter der Leitung von Walter Hölblinger nicht nur bestehende Bereiche wie Website, der Fanshop und die sogenannte Jagd-App von Grund auf neu erstellt, sondern auch ein digitales Ökosystem für Händler und Kunden aufgebaut. In beiden Projekten spielte das C3-Modell eine zentrale Rolle. Auf Basis des Inputs der Geschäftsleitung entwickelte die IT für Partner ein Service Center, das die traditionelle Lagerliste zu einem Teil der digitalen Transformation macht. „Auf dieser Plattform sehen die Händler nicht nur unsere Lagerstände, sondern können auch direkt daraus bestellen. Zusätzlich bekommen sie dort Infos über Neuaktionen oder Marketing-Material. Das ist auch für uns ein komplett neuer Weg, weil wir uns gegenüber den Partnern und Kunden öffnen. Das ist auch für die Partner ungewöhnlich, da es in der Waffenbranche nicht üblich ist, den Lagerstand zu kommunizieren.“
Das zweite große Projekt ist die neu gestaltete App mit zielgruppengenauer Kommunikation, was wiederum den Geist des C3-Modells widerspiegelt: Die Lösung spricht Behörden oder den Sportbereich anders an als die Welt der Jagd oder den amerikanischen Markt. „Wir sind gerade dabei, einen 3D-Konfigurator für unser Top-Modell MONOBLOC zu entwickeln, wobei die Automobilbranche mit ihren 360-Grad-Ansichten als Vorbild diente.“ Der MONOBLOC ist die erste Jagdwaffe, bei der Lauf und Gehäuse aus einem Stück gefertigt werden. „Der Kunde kann mit acht einfachen Schritten gemeinsam mit dem Büchsenmacher sein Wunschprodukt zusammenklicken“, beschreibt Hölblinger das innovative Funktionsprinzip.
Kostenneutrale Gap-Anlayse
Ein weiterer Wunsch der Geschäftsleitung betrifft das Thema Industrie 4.0. „Wir haben wie schon beim C3-Modell daraus ein Studentenprojekt gemeinsam mit der Kepler-Universität durchgeführt. Mein Ansatz war, dass Industrie 4.0 kein Produkt ist, das sich kaufen lässt, sondern ein Transformationsprojekt. Die Studenten waren handlungsfrei und herstellerneutral. Ziel war es, den aktuellen Wissensstand von Industrie 4.0 in der Fertigung und den Weg dorthin zu definieren. Der Output war kolossal: Wir erhielten eine kostenneutrale Gap-Analyse und dazu eine wunderbare Roadmap mit den wichtigsten Meilensteinen“, zeigt sich Hölblinger zufrieden. Neben der Universität, an der der CIO Gastvorträge im Bereich Wirtschaftsinformatik hält, arbeitet das Unternehmen mit Startups zusammen. Ein Projekt, das gerade läuft, ist, Content via Cloud zu den zertifizierten Steyr Arms-Partnern zu streamen. So können Inhalte zielgerichtet und zentral verwaltet zur Verfügung gestellt werden. Zudem erhält der Händler die Möglichkeit, eigenen Content ebenfalls über die Cloud auszurollen.
Der Teamplayer
„Die Zeiten sind vorbei, in denen man als Einzelkämpfer erfolgreich sein konnte“, resümiert Walter Hölblinger im Confare-Blog. „Heutzutage gilt es, mit anderen CIOs, Startups oder Universitäten gut vernetzt zu sein und in stetigem Erfahrungsaustausch zu stehen. Nur dadurch kann man schnell genug auf neue Anforderungen und Ideen reagieren.“ Unsere technische Welt drehe sich mittlerweile viel zu schnell, als dass man sich noch eine gewisse „Stillstands-Komfort-Zone“ leisten könne. „Als CIO betrachte ich es allerdings auch als zentrale Aufgabe, darauf zu achten, dass wir neue technische Lösungen nicht um ihrer selbst willen einführen. Neue Lösungen müssen verstanden werden und benutzbar sein. Das beste System ist nutzlos, wenn sich die Anwender aus der Not heraus eine Schatten-IT aufbauen. Mein persönliches Motto lautet deshalb immer, dass all unsere Technologie dem Menschen dienen muss, nicht umgekehrt.“
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