CIOs zu CEOs zu bestellen, ist noch kein Trend, aber die Beispiele werden von Tag zu Tag mehr. Kein Wunder, denn besonders die digitale Transformation verlangt von den IT-Leitern eine holistische Sicht auf das Unternehmen und das Eintauchen in die zentralen Geschäftsprozesse. Damit werden sie zu interessanten Kandidaten für den Chefsessel. [...]
Wer kennt nicht den Slogan des digitalen Zeitalters: „Jedes Unternehmen wird zu einem Technologieunternehmen“. Einige Unternehmen und Organisationen gehen einen Schritt weiter und stellen CIOs als CEOs ein.
Ein Beispiel aus Österreich ist Werner Leodolter, derzeit Leiter Informations- und Prozessmanagement der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (KAGes) in Graz. Der ehemalige Informationsmanager des Hauses stieg 2008 zum Vorstandsvorsitzenden der KAGes auf. In dieser Funktion führte er das Unternehmen bis 2013 durch eine Reorganisationsphase, in der eine komplette Managementebene herausgenommen wurde. Zudem hat Leodolter seit 2014 die Professur für angewandte Unternehmensführung im Gesundheitswesen am Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship der Karl Franzens-Universität inne, was wiederum die enge Verknüpfung zwischen seinen beiden Rollen – CIO und CEO – unterstreicht.
Typisch ist dieser Werdegang jedoch nicht. „IT-Führungskräfte als Firmenchefs zu positionieren, ist noch kein Trend“, sagt Khalid Kark, Geschäftsführer des CIO-Bereichs von Deloitte. „Aber Unternehmen könnten CIOs als CEOs aufstellen, wenn sie in kurzer Zeit massive Änderungen durch führen müssen.“ Digital-orientierte CIOs sind möglicherweise die einzigen Führungskräfte mit Erfahrung im Management der Änderungsgeschwindigkeit, die erforderlich ist, damit ein Unternehmen Unterbrechungen vermeiden oder sich davon erholen kann. „Mit dem richtigen Kontext und Hintergrund sind sie keine schlechten Kandidaten, um die höchste Führungsposition innerhalb der Firma zu erreichen“, so Kark.
CIOs, die aufsteigen möchten, müssen außerdem nachweisen, dass sie operative Themen, Verkauf, Marketing und, vielleicht am wichtigsten, Geschäftsstrategien verstehen und managen können. „Sie müssen Multi-Tasker sein“, sagt Greg Carmichael, der 2015 CEO und Präsident der Fifth Third Bank wurde, nachdem er in der CIO- und COO-Rolle des Unternehmens gearbeitet hatte.
Zwei CEOs, Mike Capone und Brian McHale, haben ebenfalls den Sprung vom CIO zum CEO geschafft. Sie haben ihre Erfahrungen gesammelt, die sie als Tipps zur Verfügung stellen.
Zwei CIOs auf dem Weg nach oben
Mike Capone übernahm im Jänner die Leitung des BI-Unternehmens Qlik, nach drei Jahren als COO von Medidata Solutions, einem Hersteller von Software für klinische Studien. Das Unternehmen wuchs während seiner Wirkungszeit von 260 Millionen Dollar Umsatz auf 550 Millionen Dollar. Capone war mit Qlik gut vertraut. Er war Qlik-Kunde bei ADP, wo er als CIO arbeitete, bevor er zu Medidata wechselte. Er war fasziniert von dem Potenzial, Qlik in Hybrid-Cloud-Umgebungen einzusetzen.
Capone hat sich mit Führungspersönlichkeiten bei Thoma Bravo getroffen, der Private-Equity-Firma, die Qlik 2016 erworben hat, sowie bei Qlik-Kunden, bevor er den Sprung gewagt hat. „Ein CEO zu werden, war schon lange mein Wunsch“, sagt Capone.
Capone-Tipps für Aufsteiger
Zusätzliche Verantwortung übernehmen: Führungsgremien sehen bei potenziellen Kandidaten gerne Umsetzungsorientierung und die Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen, was Capone bei ADP und Medidata demonstrierte, wo er Sales zu seinem Bereich hinzufügte. „Die zwei Jahre haben mich auf die Rolle als CEO vorbereitet“, sagt Capone. „Du musst aus deiner Komfortzone raus und bereit sein, neue Verantwortung zu übernehmen.“
Partner der Fachabteilungen werden: Bei ADP arbeitete Capone mit sechs verschiedenen operativen Einheiten zusammen und etablierte lebendige Partnerschaften mit den Abteilungsleitern. CIOs können so ihre eigenen Projekte besser in den Griff bekommen und erhalten dadurch Einblicke in die Geschäftsstrategien.
Sich den Platz am Tisch verdienen: Capone ist der Überzeugung, dass der CIO dem CEO berichten muss, um effektiv zu sein, was er bei ADP auch tat. Das mag zu einer Zeit, in der die meisten CIOs ihren CFOs, COOs oder gar CDOs berichteten, eine Nummer zu groß erschienen sein. Aber für Capone ist dies ein absolutes Muss. „Auch wenn Sie nicht direkt an den CEO berichten, müssen Sie einen Weg finden, in die entscheidenden Meetings und Strategie-Sitzungen zu kommen“, sagt Capone in Richtung CIOs, die ihre Karriere voranbringen wollen.
Geschäftsstrategie erfassen: „In High-Level-Meetings zu sitzen, hilft einem CIO, die Strategie zu verstehen“, ist Capone überzeugt. Jener CIO, der dieses Verständnis auch nutzt, wird seine Marktchancen verbessern. „Die Welt verändert sich. Und Menschen, die die Technologie im Griff haben und wissen, wie sie das Geschäft verändern können, werden unglaublich wertvoll sein“, sagt Capone. „CIOs müssen zeigen, dass sie strategisch denken können.“
Digitale Fähigkeiten beherrschen: Die meisten Strategien sind digital, und digitale Fähigkeiten übertreffen traditionelle Skills. „Leute, die wissen, wie man ein Unternehmen von einem älteren zu einem neueren Geschäftsmodell transformiert und ein Unternehmen fit für das digitale Zeitalter macht, sind schwer zu finden“, sagt Capone abschließend.
Vom IT-Management zur Leitung des Business
Brian McHale war CIO bei American Apparel und CBS Radio, bevor Colleen Brown, seine ehemalige Chefin bei Fisher Communications, ihn anrief, um Marca Global zu leiten. Marca Global ist ein Unternehmen für Online Reputation Management, das sie 2015 gegründet hatte. Brown wollte McHale, der es gewohnt war, „IT-Brände zu löschen“ und sich den anderen Herausforderungen seiner 25-jährigen IT-Karriere zu stellen. Bei Marca Global sollte er Unternehmen bei der Bewältigung digitaler Krisen unterstützen.
Zuerst war McHale nicht sicher, ob er die CEO-Rolle annehmen sollte, aber Brown überzeugte ihn, dass er der Richtige sei. „Sie sagte: ‚Ich habe eine Technologiefirma und ich brauche einen Technologen, um es zu führen‘“, erzählt McHale. Sich seiner Sache noch nicht sicher, diente McHale zunächst sechs Monate lang als Berater, bevor er offiziell das Ruder im Jänner übernahm. Heute trifft sich McHale mit Risikokapitalgebern über eine mögliche Finanzierungsrunde.
Laut McHale bringen CIOs gute Voraussetzungen mit, um CEOs zu werden – zum Teil aufgrund ihrer Erfahrung Kosten zu managen oder Budgetpläne zu erstellen und des gewohnten Umgangs mit Lieferanten für die unterschiedlichsten Geschäftsbereiche. „All diese Dinge erfordern, dass man mit dem Business vertraut ist“, sagt McHale. „Und in Kombination mit der digitalen Transformation und den Technologien, die sich so schnell verändern, wird aus dem Ganzen eine runde Sache.“
Tipps von McHale
Ins Business eintauchen: Ganz gleich, ob CIOs eine Restrukturierung ermöglichen oder ihrer Organisation helfen, sich für Akquisitionen zu positionieren, indem sie sich in Geschäftsprozesse auf hoher Ebene einbringen: Sie erhalten in jedem Fall großartige Einblicke in die Voraussetzungen für die Führung eines Unternehmens. Zum Beispiel half McHale American Apparel bei der Insolvenz, und bei CBS Radio unterstützte er das Management, das Unternehmen auf den Börsengang vorzubereiten, bevor beschlossen wurde, mit Intercom zu fusionieren. „Mit jeder Rolle habe ich versucht, so viel wie möglich in die Unternehmen einzutauchen“, sagt McHale. „Wir werden auf die Rolle des CEO auf natürliche Weise vorbereitet, da wir uns mit allen Aspekten des Business beschäftigen müssen.“
Einen Geschäftsbereich leiten: McHale sagt, dass das Betreiben von E-Commerce-Plattformen für B2B- und B2C-Kunden bei American Apparel ihm dabei geholfen habe, Business-Luft zu schnuppern. Diese Erfahrung sei entscheidend für die Erfüllung seiner derzeitigen CEO-Rolle gewesen, wo er Chancen für den Einsatz von modernen Technologien sieht. Dazu gehören künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Roboter-Prozessautomatisierung. Diese Innovationen sollen Marca Global dabei helfen, Kosten zu senken und Umsätze mit Technologie zu erzielen.
Teams so strukturieren, dass sie das Business unterstützen können: CIOs haben in der Vergangenheit Teams zum Aufbau von Infrastruktur – einschließlich Computing, Networking und Sicherheit – aufgestellt. Die Cloud ermöglicht es CIOs, sich auf strategischere Aktivitäten zu konzentrieren. Das heißt, dass IT-Leiter ihre Teams auf ein neues Betriebsmodell ausrichten müssen, um das Geschäft zu unterstützen. „Ich freue mich jeden Monat einen Scheck für Cloud-Services auszustellen, wenn dies bedeutet, dass mein Team einen Mehrwert für das Unternehmen schafft“, sagt McHale. „Eine erfolgreiche Neuausrichtung, die mit einer umfassenden Geschäftsstrategie einhergeht, wird den CIOs in hohem Maße zugute kommen, wenn sie die Karriereleiter hochklettern wollen.“
Zahlt sich der Schritt überhaupt aus?
Wenn der eingangs zitierte Slogan „Jedes Unternehmen wird zu einem Technologieunternehmen“ tatsächlich stimmt und der Begriff „Gestaltungsmöglichkeiten“ ganz oben auf der Job-Wunschliste steht, sollten sich CIOs den Schritt zum CEO gut überlegen. Denn gerade was die digitale Transformation betrifft, befindet sich die Bedeutung der CEOs im Sinkflug, während die Rollen CIO, Strategiechef und CDO massiv hinzugewinnen, so die aktuelle Studie „Digital Value 2018“ von Horváth & Partners.
Während 2016 noch jedes dritte Unternehmen überzeugt war, dass Digitalisierung Chefsache sei, sind es heute nur mehr acht Prozent. Haben sich CEO und CIO die Digitalverantwortung 2016 mit jeweils 37 Prozent und 34 Prozent noch mehr oder weniger untereinander aufgeteilt, steht der IT-Leiter mit 35 Prozent jetzt an erster Stelle, gefolgt von neuen Protagonisten: dem Strategiechef (CSO) mit 19 Prozent und dem Digitalchef (CDO) mit elf Prozent.
Mit anderen Worten und überspitzt formuliert: Mit der schnell wachsenden Bedeutung der Technologie für den Unternehmenserfolg scheint es nur mehr eine Frage der Zeit zu sein, bis der CEO an den CIO berichtet.
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