Mit der Digitalisierung müssen sich auch die ERP-Systeme verändern. Während die Anbieter mit Hochdruck an neuen Lösungen arbeiten, werden sie durch Übernahmen, Fusionen und den Einstieg von Investoren auf Trab gehalten. [...]
Und er bewegt sich doch – der Markt für Enterprice Resource Planning (ERP). Lange Zeit schienen Anwendungen für Finanzbuchhaltung, Auftragsbearbeitung, Produktionsplanung und Materialwirtschaft immun gegen die Auswirkungen der Digitalisierung. Während die Cloud und neue Technologien die Flanken der IT-Infrastrukturen aufwirbelten, residierten die ERP-Monolithen fest verankert im Backend-Kern vieler Unternehmen, scheinbar unantastbar, das Fundament eines stabilen und sicheren IT-Betriebs.
Doch das scheint sich nun zu wandeln.“Die ERP-Landschaft wird sich deutlich verändern“, sagt Frank Termer, Bereichsleiter Software beim Bitkom.“ERP-Systeme als der digitale Prozess- und Datenhub in Unternehmen werden immer stärker mit KI-Technologien angereichert.“ Durch die Einbindung von IoT-Plattformen werde sich der ERP-Markt zudem weiter öffnen. Termer sieht KI als Schlüsseltechnologie für die zweite Welle der Digitalisierung in den Anwenderunternehmen.
Das dürfte die ERP-Geschäfte weiter am Laufen halten. 2018 war der globale ERP-Markt knapp 35 Milliarden Dollar schwer, berichtete Gartner Anfang Juli. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Wachstum von zehn Prozent. 2017 hatte der Markt um elf Prozent auf gut 31 Milliarden Dollar zulegen können. Die Gartner-Analysten sprechen angesichts dieser Zahlen von einer soliden Entwicklung im globalen ERP-Geschäft.
ERP-Markt bleibt fragmentiert
Insgesamt präsentiert sich der weltweite ERP-Markt allerdings als sehr fragmentiert. Die drei führenden Anbieter SAP, Oracle und Workday vereinnahmen etwa 40 Prozent des Marktes für sich, die Top five mit Sage und Infor kommen auf gut die Hälfte. Damit hat sich an den Kräfteverhältnissen seit Jahren kaum etwas geändert. Auch 2013 kamen die fünf führenden Anbieter SAP, Oracle, Sage, Infor und Microsoft ebenfalls auf einen Marktanteil von etwas mehr als der Hälfte.
Auch wenn die Marktverhältnisse fest zementiert scheinen und ein eher statisches Bild vermitteln, verändert sich die Art und Weise, wie ERP angeboten und konsumiert wird:“Die Ära des Enterprise Resource Planning ist vorbei“, sagte kürzlich Duncan Jones, Vice President und Principal Analyst von Forrester Research. Die Idee einer einzelnen integrierten Suite, die sämtliche Prozesse in einem Unternehmen über alle Fachabteilungen hinweg abdeckt, trägt nicht mehr. Heute sei mehr Agilität und Flexibilität gefragt. Die Verantwortlichen für Application Development & Delivery (AD&D) würden nach offenen und smarten SaaS-Plattformen Ausschau halten.
Innerhalb dieser Plattformen gebe es verschiedene Ausprägungen und Stärken, berichtet der Forrester-Analyst. Einige Provider würden sich beispielsweise darauf konzentrieren, Zusatzfunktionen für künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation (RPA) anzubieten. Andere hätten sich darauf verlegt, vertikale Branchenausprägungen auszubauen, beispielsweise für das produzierende Gewerbe, Service-Anbieter oder den Handel.
Offene Plattformen statt ERP-Monolithen
Die kommenden SaaS-Plattformen sind Jones zufolge offener als die alten ERP-Monolithen. Microservice-Architekturen sowie vorkonfigurierte Standardschnittstellen zu anderen Plattformen erleichterten die Integration verschiedener Services. Darüber hinaus würden sich rund um diese Plattformen Ökosysteme herausbilden, aus denen Anwender Zusatzservices wie zum Beispiel Analytics-Funktionen oder industriespezifische Anwendungen in ihre Softwareinfrastrukturen einklinken könnten.
Diese Plattform-orientierten Ansätze bringen die Herstellerlandschaft in Bewegung.“Anbieter modernisieren ihre Produkte in Richtung Cloud-Fähigkeit“, sagt Frank Niemann, Vice President Enterprise Apps & Related Services bei teknowlogy PAC. Neben der Cloud-Unterstützung gehe es um Aspekte wie Integrationstechnik, moderne Programmierumgebungen, Datenanalyse und künstliche Intelligenz sowie eine fokussiertere Branchenunterstützung und neue Einführungsmethoden für eine raschere Implementierung auch mit Hilfe agiler Methoden.
Zusammenschluss von ERP-Anbietern
Übernahmen, Fusionen und der Einstieg von Investoren halten Niemann zufolge die Anbieter auf Trab. Sie wollen die eigenen Produkte weiterentwickeln und damit das nationale wie internationale Wachstum ankurbeln. Im Februar 2019 führten die vier mittelständischen Softwarehersteller cimdata Software, Logis, oxaion und Syncos ihre Angebote rund um ERP, Manufacturing Execution Systems (MES) und Computer-aided Quality (CAQ) unter der Dachmarke Modula zusammen.“Gemeinsam haben wir mehr Ressourcen und ein weitaus höheres Entwicklungsbudget, so dass wir zukünftig auf Technologietrends viel schneller reagieren können“, sagte Marcel Schober, Geschäftsführer Produkt und Technologie bei Modula. Man wolle die digitale Transformation mittelstandsgerecht verwirklichen, so Modula-Geschäftsführer Volker Schindel.
»Wir entwickeln mit dem Mittelstand Digitalisierungskonzepte, die sonst den Global Playern vorbehalten blieben.“ Das Portfolio gehe weit über das klassische ERP hinaus und umfasse mittlerweile über 40 Module, darunter Funktionen für einen Enterprise Digital Workplace und Big Data Analytics. Cloud-native Technologien, Microservices auf Basis des Open-Source-Systems Kubernetes sowie KI-Funktionen und ein integriertes Business Process Management (BPM) sollen künftig Bestandteile der orchestrierten Lösungen sein.
Auch die abas Software AG hat Konsequenzen gezogen und ist bei Forterra untergeschlüpft. Zu Forterra gehören unter anderem die schwedischen ERP-Hersteller Jeeves und Garp, die französischen Anbieter Sylob, Clipper und Helios sowie BPSC aus Polen und die schweizerische Proconcept. Der Zusammenschluss verschiedener ERP-Firmen wird von Battery Ventures unterstützt. Für die Forterra-Verantwortlichen geht es allerdings nicht darum, ein gemeinsames ERP-Portfolio zu schmieden. Im Gegenteil: Das Unternehmen ist kein internationaler Softwareanbieter, der Produkte miteinander verschmilzt oder eine einzige Flaggschifflösung propagiert, heißt es auf der Website. Im Gegenteil. Man setze sich für eine breite Palette von Lösungen für eine Vielzahl von Märkten ein. Die abas-Verantwortlichen hoffen, unter dem Dach von Fonterra den bereits begonnenen Ausbau ihres Cloud-Portfolios schneller vorantreiben zu können.
*Martin Bayer ist stellvertretender Chefredakteur bei der COMPUTERWOCHE. Den gesamten Artikel finden Sie zum Nachlesen unter www.computerwoche.de.
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