Die zukünftige demographische Entwicklung und neue Technologien erfordern ein Überdenken der arbeitsmarktpolitischen Interventionen. Alle Potenziale müssen ausgeschöpft werden, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein – gerade in der IT-Branche. [...]
Zum Thema Disability lud die Online-Plattform Career Moves zum Gespräch mit Bundesminister Rudolf Hundstorfer, Josef Kytir der Statistik Austria, Johannes Kopf des AMS, Gregor Demblin von Career Moves und Generaldirektorin Gabriele Payr von den Wiener Stadtwerken, um mit ihnen über die Konsequenzen einer älter werdenden Bevölkerung für den Arbeitsmarkt zu diskutieren. Dabei wurde klargestellt, dass Österreich alle Leistungspotenziale ausschöpfen müsse, um 2050 Wohlstand und Lebensqualität zu sichern. Die Gruppe der Menschen mit Behinderung spiele dabei eine besondere Rolle.
Das bestätigen auch aktuelle Zahlen von Career Moves, die kürzlich für ihre Bewusstseinsarbeit mit dem Trigos-Award ausgezeichnet wurde. Die 2009 gestartete Initiative konnte bis heute 3.000 Jobs auf der Online-Plattform anbieten, im ersten Halbjahr 2012 gab es eine Steigerung um satte 500 Prozent. Vertreten sind dabei alle Wirtschaftsbereiche, zu den Anbietern zählen Unternehmen wie Ikea, Mcdonalds, Unicredit Bank Austria, Microsoft und viele andere. Auf Nachfrage der COMPUTERWELT zählt Wolfgang Kowatsch, Co-Gründer von Career Moves und Geschäftsführer von Careesma.at, jene Unternehmen aus dem IT-Bereich auf, die bisher auf Career Moves inseriert haben. Darunter sind neben Microsoft beispielsweise IBM, NTS New Technology Systems, Rubicon Informationstechnologie, runIT EDV-Dienstleistung oder Anexia.
IT-BRANCHE HAT VIEL POTENZIAL
„Regelmäßig gesucht werden PHP- bzw. Software Entwickler, Web-Designer und -Entwickler, SEO, IT-Sales, allgemeine Programmierer und so weiter. Die IT-Branche gehört zu den regelmäßig nachgefragten Sektoren mit viel Potential für Menschen mit Behinderung“, so Kowatsch. „Es gibt jede Menge Menschen mit Behinderung, die ganz Unglaubliches leisten. Wenn man sie lässt“, ergänzt Gregor Demblin, Co-Gründer von Career Moves und selbst Betroffener. Auch angesichts des zu erwarteten Arbeitskräfte-, vor allem aber Fachkräftemangels müsste klargestellt werden, dass Menschen mit Behinderung wertvolle Leistungsträger seien und Unternehmen alle Potenziale am Arbeitsmarkt bestmöglich nutzten. Eine „hautnahe“ Beschäftigung mit diesem Thema ende aber nicht bei den neuen Mitarbeitern. „Es geht auch um rasant wachsende Kundensegmente, in denen Disability eine wesentliche Rolle spielt“, sagt Demblin.
„LÄNGER IM ERWERBSLEBEN“
Eine hohe Erwerbsquote sei unverzichtbar für Lebensqualität und Wohlstand, stellte Sozialminister Hundstorfer fest. Das betreffe auch die Integration von Menschen mit Behinderung in alle Lebensbereiche. Dem Bundessozialamt komme dabei eine Drehscheibenfunktion zu. Hundstorfer unterstrich die Bedeutung des Netzwerkes Berufliche Integration, das sich in fünf Programmlinien um eine Verbesserung der Berufschancen von Jugendlichen, aber auch um die Förderung von Menschen mit Behinderung kümmert. Grundsätzlich gehe es angesichts der demografischen Entwicklung darum, dass die Menschen „länger gesund im Erwerbsleben bleiben“, so Hundstorfer. Darum gehe es auch bei der jetzt diskutierten Neugestaltung der Invaliditätspension. Denn Österreich könne es sich nicht leisten, „auf die Fähigkeiten von Menschen zu verzichten“, auch wenn sie durch eine Behinderung ihren angestammten Beruf nicht mehr ausüben können oder dürfen.
Dass diese Entwicklung unausweichlich ist, skizzierte Josef Kytir von der Statistik Austria. Bis 2050 sagen die Prognosen ein Wachsen der Bevölkerung von derzeit 8,4 auf 9,4 Millionen voraus – die Altersgruppe der über 64-Jährigen wächst extrem stark, während der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung sinkt. Das Arbeitskräftepotenzial müsse daher besonders beachtet und gefördert werden, so Kytir. Prävention am Arbeitsplatz, altersgerechte Gestaltung von Produktionsprozessen und die Flexibilisierung von Berufskarrieren seien notwendig. „Der Anteil älterer Erwerbspersonen wird von heute rund 800.000 auf 1,3 Millionen steigen“, rechnete der Statistikexperte vor. Folgen dieser dramatischen Verschiebung seien, dass es in den Betrieben auch mehr Menschen mit gesundheitsbedingten Problemen und Beeinträchtigungen geben wird. „Um erfolgreich zu sein, werden die Unternehmen diesem Trend Rechnung tragen müssen.“
Derzeit seien die heimischen Betriebe nur zum Teil darauf eingestellt, analysierte Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS). Während sich etwa in Deutschland schon jetzt Unternehmen intensiv mit dem Thema „ältere Arbeitskräfte“ befassen, hätten österreichische Betriebe vielfach noch Nachholbedarf. „Die demografische Entwicklung zwingt zum Handeln“, sagt Kopf. Der drohende Arbeitskräftemangel könne durch eine gesteuerte Zuwanderung, durch eine Hebung der Frauenbeschäftigungsquote und Verbesserungen im Bildungssystem aufgefangen werden. „Genauso wichtig ist es aber auch, vorhandene Potenziale im Bereich Menschen mit Behinderung zu nützen.“ Von derzeit knapp 63.000 Menschen mit einer staatlich anerkannten Behinderung im erwerbsfähigen Alter waren 2011 9,6 Prozent beim AMS als arbeitslos gemeldet. „Natürlich seien Förderungen in diesem Zusammenhang ein Thema, aber es geht auch um Informationen, eine Bewusstmachung und ein Überwinden von Ängsten und Tabus“, so Kopf.
Dass Menschen mit Behinderung „ernstgenommen“ werden müssen, war das Credo der Generaldirektorin der Wiener Stadtwerke Gabriele Payr. „Menschen mit Behinderung wollen nicht bedauert werden, sondern haben Anspruch auf entsprechende Dienstleistungen.“ Dazu zähle nicht nur eine Barrierefreiheit für das Mobilitätsverhalten, „das kommt auch älteren Personen oder Müttern mit Kinderwagen zugute“. Es gehe auch um entsprechende Services im Onlinebereich. Soziale Verantwortung rechne sich, stellt Payr klar – sowohl bei der Akzeptanz der Mitarbeiter als auch bei den Kunden, die Nutznießer dieser Strategie seien.
Abschließend verrät der Career Moves Co-Gründer Wolfgang Kowatsch im Gespräch mit der COMPUTERWELT auch, dass das Unternehmen „eine enge Zusammenarbeit“ mit Specialisterne anstrebt, einem dänischen Unternehmen, das Menschen mit dem Aspberger Syndrom in der IT-Branche vermittelt. (mi)
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