Der Mensch als zentrales Element

Unter der Leitung des Grazer VIRTUAL VEHICLE Research Center soll das EU-Forschungsprojekt FACTS4WORKERS Möglichkeiten aufzeigen, wie Arbeitsplätze in der Fabrik der Zukunft intelligent gestaltet werden können. [...]

Ein aktuelles europäisches Forschungsprojekt stellt den Menschen ins Zentrum zukunftsweisender Produktionskonzepte, um Fertigungsberufe deutlich attraktiver zu gestalten und Europa wettbewerbsfähiger zu machen. Seit 1. Dezember 2014 koordiniert das VIRTUAL VEHICLE Research Center in Graz das Projekt Worker Centric Workplaces in Smart Factories (kurz FACTS4WORKERS genannt). Das Unternehmen evolaris ist als einer von fünfzehn europäischen Forschungspartnern aus acht Ländern an einem eigens dafür gebildeten Konsortium beteiligt und bringt im Forschungsprojekt vor allem seine Expertise im Bereich der Entwicklung innovativer HMI-Frontends auf Wearables wie Datenbrillen oder Smartwatches ein.

Die vierjährige Forschungsinitiative mit einem Projektvolumen von 7,9 Mio. Euro wird im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizon 2020 gefördert. Die Ergebnisse sollen ein neues industrielles Zeitalter einläuten, das durch die „Smart Factory“ gekennzeichnet ist. Arbeiter werden dabei als „Smart Worker“ bestmöglich durch Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt, um flexibel, effizient und zuverlässig produzieren zu können.

SMART WORKER
In der Smart Factory steht der Mensch als flexibelstes Element der Produktionsabläufe im Zentrum der Aufmerksamkeit und wird als Produktions-Wissensarbeiter gedacht, der beim Bedienen von Maschinen durch optimierte Informations- und Kommunikationstechnologie, durch eine selbstlernende Arbeitsumgebung und durch in-situ-Lernen unterstützt wird.

Neben dem technischen Zugang führt diese Änderung der Arbeitsplatzsituation auch zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Rolle des Menschen als Schlüsselfaktor im Produktionsprozess. In diesem Zusammenhang spricht man von Wissensarbeit. Wissensarbeit hat nichts mehr mit den herkömmlichen automatisierten Routinetätigkeiten der Fabrikarbeit zu tun. Sie ist durch eine völlig neuartige, komplexe und autonome Arbeitsumgebung gekennzeichnet. Smart Worker entwickeln zudem selbst neue Möglichkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung von Wissensaustausch an ihrem Arbeitsplatz.

„Es gilt zu hinterfragen, wie Menschen arbeiten und lernen, wie sie mit neuen Technologien interagieren und wie sie an einem attraktiven und fordernden Produktionsarbeitsplatz einen Mehrwert für die Industrie erzeugen können“, erklärt Martin Wifling, Projektleiter von FACTS4WORKERS am VIRTUAL VEHICLE Research Center in Graz. Die Antworten auf diese Fragen sind der Schlüssel zu erfolgreichen und mensch-zentrierten Lösungen von Informations- und Kommunikationsstrategien in Produktionsprozessen. „Durch das Eingehen auf die Situation des Menschen im Produktionsablauf kann eine Erhöhung der Zufriedenheit und Motivation von Produktionsmitarbeitern erreicht werden, die eine Steigerung der Produktivität um bis zu zehn Prozent bewirken kann.“ Der Hauptfokus des Forschungsvorhabens liegt jedoch vorwiegend darin, „den Arbeitsplatz in der Produktion in Europa deutlich attraktiver zu gestalten, damit mehr Menschen sich gezielt für dieses fordernde und sich verändernde Berufsfeld entscheiden“, so Wifling.

VIER ANWENDUNGSFÄLLE
Assistierter Maschinenbediener: Durch die Individualisierung von Produkten schrumpfen die Losgrößen. Gleichzeitig steigt die Anzahl hoch spezieller und rasch wechselnder Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Die manuelle menschliche Tätigkeit ist jedoch weiterhin notwendig. Hier setzen innovative Interaktionsmechanismen ein, wie etwa Datenbrillen, die Produktionsinformationen im Sichtfeld des Maschinenbedieners während der Arbeit einblenden. Die nach wie vor gängigen Checklisten, Arbeitsbeschreibungen, Anleitungen und Aufträge, die aus MES- und ERP-Systemen auf Papier ausgedruckt werden, sollen nach und nach verschwinden.

Menschzentriertes Wissensmanagement: Den Smart Workern werden notwendige Informationen zum richtigen Zeitpunkt bereitgestellt, um eine Verbesserung der Produktionsabläufe zu erzielen. Außerdem wird dadurch auch eine Kultur etabliert, in der Wissen freiwillig und proaktiv geteilt wird. Hilfsmittel am Arbeitsplatz sollen intuitive Interaktionsmechanismen aufweisen und sprach-, touch- oder gestengesteuert sein, statt sich auf Texteingabe zu stützen, denn Erfahrungswissen kann durch grafische Animationen oder Videos besser vermittelt werden als in schriftlicher Form.

Selbstlernende Arbeitsplätze: Maschinen, Werkzeuge und andere Infrastrukturen gelten in Smart Factories als intelligente Dinge. Werden ihre Daten miteinander verknüpft, können auch kleine Losgrößen effizient produziert werden. Bereits jetzt entstehen in der Produktion mehr Daten als jemals zuvor und es gilt nun, diese intelligent zu vernetzen.

In-situ-Lernen in der Produktion: Beim in-situ-Lernen steht der Smart Worker als Lernender im Fokus. Mobile, personalisierte und situationsadaptive Lernsysteme unterstützen lebenslanges Lernen und die generationsübergreifende Weitergabe von Knowhow, insbesondere im Kontext des demographischen Wandels. Durch kontextbasiertes Lernen, Fabrikationslabor-Konzepte oder Simulation in Virtual-Reality-Umgebungen werden neue Mitarbeiter auf das Wissensniveau von Smart Workern gebracht. (pi/oli)


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