»Der Old Economy verhaftet«

Heimische CIO haben die Digitalisierung zwar ganz oben auf ihrer Agenda, neue Geschäftsmodelle kommen dabei aber noch zu selten heraus. Die COMPUTERWELT hat mit Cap Gemini Österreich-Geschäftsführer Bernd Bugelnig mögliche Ursachen erörtert. [...]

In diesem Jahr haben CIO im deutschsprachigen Raum weniger Geld für Innovationen ausgegeben: Nicht nur das Budget für Neugestaltung und Ersatz der IT ist von anteilig 20,9 Prozent auf jetzt 16,6 Prozent, gesunken, sondern auch die Ausgaben für die Evaluierung von Innovationen (2015: 9,1 Prozent, Budget 2016: 7,8 Prozent). Der Rückgang überrascht angesichts der Tatsache, dass 52,3 Prozent der CIO den Ausbau der Digitalisierung als eines ihrer wichtigsten Ziele in diesem Jahr bezeichnet haben. Sie setzen dabei im Moment aber offenbar weniger auf Innovationen, sondern gehen die Digitalisierung über die Vernetzung von Informationen und Prozessen sowie die Analyse ihrer Daten an. 
Mobile payment, Wearables und Gamification als Flops des Jahres
Die ersten Plätze auf der Liste der Top-Technologien des Jahres belegen Applikations-Portfolio-Rationalisierung, Privacy by Design, BYOx-Security, Security Automation und Cloud-Security. Obwohl vier der fünf Top-Themen mit Sicherheit zu tun haben, ist die Bedeutung der IT-Sicherheit 2016 insgesamt gefallen. Der extrem hohe Wert des vergangenen Jahres wurde nicht wieder erreicht, was sowohl mit der subjektiven Wahrnehmung der Bedrohungslage zusammenhängt als auch mit dem zunehmenden Reifegrad von Sicherheitslösungen. Die Flops des Jahres sind Mobile Payment, mobile Services für Fahrzeuge, Wearables, Robotic Process Automation und Gamification.Die Angaben wurden im Rahmen der jährlichen IT-Trends-Studie von Capgemini erhoben. Insgesamt nahmen 153 IT-Verantwortliche von Großunternehmen im deutschsprachigen Raum teil, darunter auch 36 aus Österreich. Die COMPUTERWELT hat mit Cap Gemini Österreich Geschäftsführer Bernd Bugelnig über diese Entwicklung und das CIO Advisory Board von Cap Gemini gesprochen, dass CIO bei der Digitalen Transformation unterstützen und begleiten soll. 
Haben heimische Unternehmen das Thema Digitalisierung weit oben auf Ihrer Agenda?
Durchaus. Viele sogar auf der ersten Stelle. Über 52 Prozent der Befragten haben angegeben, dass das ihr wichtigstes Thema ist. Was uns aber verwundert hat, ist, dass die CIO dabei weniger an Innovation und neue Geschäftsmodelle denken, sondern an den Ausbau und die Verbesserung der bestehenden Softwarelandschaft. Über Updates wird hier etwa sehr viel gehandelt, also die Software auf einen neueren und besseren Releasestand zu bringen. Das Innovationsthema ist in der Budgetverteilung etwas zurückgegangen. 
Woran liegt das?
Wir denken, dass die IT-Verantwortlichen sich einfach noch nicht sicher sind, in welche Richtung es gehen soll, und die IT-Umgebung in einem ersten Schritt fit machen wollen für das, was danach kommt. Das passt ganz gut mit dem Aspekt zusammen, dass die CIO in der Befragung die Rationalisierung des Anwendungsportfolios als sehr bedeutend einstufen. Das ist durch die Bank ein operatives Topthema. Inzwischen sprechen aber auch schon die CEO von Digitalisierung und nicht nur die CIO, und das ist natürlich ein eine wichtige Voraussetzung für neue Geschäftsmodelle und ein Umdenken auf höchster Unternehmensebene. Was noch fehlt, ist eine durchgängige Strategie, dass etwa die Fachbereiche sagen, in welche Richtung es gehen soll, und die IT dann die entsprechenden Lösungen zur Verfügung stellen kann. Momentan kommen sehr viele Vorschläge von der IT-Abteilung, ein wirkliches Top-down-Modell gibt es noch zu selten. Es wird noch zu viel auf der technischen Ebene ausprobiert mit Insellösungen und einzelnen Ansätzen, aber keine durchgängige Geschäftsstrategie. 
Kann eine einheitliche und durchgängige Digitalisierung aller Geschäftsprozesse nur in einem Top-down-Modell funktionieren?
Das Modell hat sicher sehr viele Vorteile, ob es nur so funktionieren kann, möchte ich nicht sagen. Es kann einfacher und besser funktionieren, viele Dinge können aber genauso gut umgekehrt als Bottom-up-Modell für Innovationen im Unternehmen sorgen. Manche Dinge müssen erst wachsen, bevor sie ganz oben in der richtigen Botschaft ankommen.
Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Begriff des CDO, des Chief Digital Officer. Gibt es diese Position in österreichischen Unternehmen überhaupt?
Ich glaube, dass es in vielen Unternehmen noch an der Vorstellungskraft fehlt, was man mit Digitalisierung auf der Geschäftsseite tatsächlich tun kann. Es werden eher bestehende Geschäftsmodelle verbessert und optimiert und eine schnellere Durchlaufzeit mithilfe der IT geschaffen, aber dafür braucht man keinen CDO. Revolutionäre Innovationen findet man daher in Österreich noch sehr selten. Da ist Österreich vielleicht noch etwas zu verhaftet in der Old Economy. Wir sehen in Deutschland da gewisse Entwicklungen. Da lassen sich die Unternehmen gerade bewusst sehr viel Zeit für das Thema Innovation und lassen sich hier auch gerade von außen beraten.
Wird die IT in Österreich noch zu stark als Kostenstelle wahrgenommen und nicht als große Möglichkeit, Umsatz und Gewinn mithilfe der IT zu steigern?
Ich denke, das ist auf jeden Fall so. Die IT wird noch nicht als Umsatzbringer wahrgenommen. Das zeigt sich auch in unseren Befragungen. Kosten zu reduzieren ist hier immer noch einer der wichtigsten Aspekte. Das liegt aber auch daran, dass viele CIO oder IT-Leute in Österreich genau daran gemessen werden und nicht an ihrem Beitrag zu neuen Geschäftsmodellen.
Cap Gemini bietet seit einiger Zeit CIO Advisory Services an. Was kann man sich darunter konkret vorstellen?
Das ist eine CIO-spezifische Beratungsleistung für den Prozess der Digitalisierung. Und beinhaltet etwa Themen wie Cloud oder Mobility. Große Unternehmen kommen immer mehr davon ab, ein Generalunternehmen als Consultant anzuheuern, und betreiben ein sogenanntes cherry picking, sprich, sie wollen sich die besten externen Partner für bestimmte Projekte ins Boot holen und mit der internen IT selbst umsetzen. Hier wollen und können wir sehr gut behilflich sein. Das geht bis hin zu einem „train the trainer“-Ansatz mit E-Learning-Komponenten und Unterstützung beim Recruiting. Das wird von den Unternehmen und vor allem den CIO sehr gut aufgenommen und wir verzeichnen eine starke Nachfrage bei diesen Advisory Services. Fehlendes internes Knowhow ist noch immer das größte Hindernis beim Digitalisierungsprozess. Beim Thema IT-Security geht es etwa mittlerweile zu einem großen Teil um die Steigerung der Awareness der Mitarbeiter, die in vielen Unternehmen ein erhebliches Bedrohungsszenario darstellen. 


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