Der Status quo von GenAI am Arbeitsplatz

Dass Österreich und Deutschland nicht die schnellsten sind, wenn es darum geht, neue Technologien einzuführen und gewinnbringend zu nutzen, ist keine Überraschung, sondern Ausdruck Jahrhunderte lang gepflegter Tradition. Verblüffend hingegen ist eine aktuelle Studie, die zeigt, dass die Einführung von KI-Tools zu Produktivitätsverlusten führen kann. [...]

Rudolf Krickl ist CEO von PwC Österreich. (c) PwC Österreich
Rudolf Krickl ist CEO von PwC Österreich. (c) PwC Österreich

KI ist auch in der österreichischen Arbeitswelt angekommen. 52 Prozent der Arbeitnehmer und -nehmerinnen verwenden generative KI-Tools wie ChatGPT oder Dall-E. Das gilt insbesondere für die  Gen Z, von der 67 Prozent KI in den letzten zwölf Monaten beruflich benutzt haben, davon sechs Prozent täglich. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse der „Hopes and Fears Global Workforce Survey 2024“ von PwC. 

Die repräsentativen Umfrageergebnisse zeigen, dass die österreichischen Arbeitnehmer optimistisch eingestellt sind – besonders jene, die KI bereits regelmäßig anwenden. Die große Mehrheit der täglichen KI-Nutzer und -Nutzerinnen glaubt, dass KI die Qualität ihrer Arbeit in den nächsten zwölf Monaten verbessern wird. Im Gegensatz dazu sind nur 36 Prozent der Nicht-Nutzer dieser Meinung. Auch hinsichtlich der Ideengenerierung und -entwicklung gibt es viel Potenzial: 90 Prozent der täglichen User stimmen zu, dass KI ihre Kreativität erhöhen und ihre Arbeit effizienter gestalten wird. 

Revolution am Arbeitsmarkt

Immer mehr sehen das Potenzial von KI darin, die Produktivität zu steigern und damit auch die Löhne und Gehälter zu verbessern. Knapp die Hälfte der Arbeitnehmenden teilt diese Einsicht. Bei den Nutzern von KI ist die Erwartung einer Lohnsteigerung sogar doppelt so hoch, nämlich 81 Prozent.

»KI revolutioniert den globalen Arbeitsmarkt. Während sie der Weltwirtschaft großes Potenzial eröffnet, stehen heimische Betriebe vor einem starken Transformationsdruck. Vielen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen fehlt derzeit noch das Verständnis von KI. Jetzt sind starke Führungskräfte gefragt, um die Chancen der KI optimal zu nutzen und die Belegschaft erfolgreich durch diesen Wandel zu führen«, erklärt Rudolf Krickl, CEO bei PwC Österreich. 

Kompetenzentwicklung im Fokus 

Über drei Viertel der heimischen Arbeitnehmer fühlen sich bereit, sich auf neue Arbeitsweisen anzupassen. 65 Prozent sind davon überzeugt, dass KI ihnen helfen wird, neue Fähigkeiten zu erlernen. Gleichzeitig schafft KI mehr Zeit, sich mit strategischen Aufgaben zu beschäftigen, indem administrative Tätigkeiten automatisiert oder auslagert werden. Dazu gibt es viel Potenzial, denn im Durchschnitt werden nur 51 Prozent der Verwaltungstätigkeiten als effizient wahrgenommen. 

Fast die Hälfte hat KI beruflich noch nie eingesetzt. Die Gründe sind vielfältig. Für 35 Prozent fehlt es an Möglichkeiten, bei 22 Prozent mangelt es an Wissen, wie man die Tools benutzt und 22 Prozent sind schlichtweg nicht davon überzeugt, dass damit ein Mehrwert entsteht. Es gibt zudem auch allgemeine Bedenken: 43 Prozent befürchten, dass KI die Voreingenommenheit in der Organisation verstärken und sich negativ auf Mitarbeitende auswirken könnte. Die Hälfte hat Angst vor Fehlinformationen. Wenige sehen die Schuld, dass sie KI beruflich nicht anwenden, bei ihren Vorgesetzten: Nur bei 17 Prozent ist es der Arbeitgeber, der keinen Zugang zu KI-Tools gibt bzw. bei 12 Prozent die Nutzung von KI gar nicht erlaubt. 

Netskope hat mit dem Cloud- und Bedrohungsbericht „AI Apps in the Enterprise“ eine neue Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass mehr als ein Drittel der sensiblen Daten, die mit generativen KI-Tools ausgetauscht werden, regulierte Daten sind – also Daten, zu deren Schutz Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind. Dies stellt für Unternehmen ein potenzielles Risiko für kostspielige Datenschutzverletzungen dar.

Durchschnittlich 80 Apps

Aus der Netskope-Studie „AI Apps in the Enterprise“ geht zudem hervor, dass weltweit bereits 96 Prozent aller Unternehmen GenAI-Tools einsetzen (PwC: 61 Prozent) – eine Zahl, die sich in den letzten 12 Monaten verdreifacht hat. Im Durchschnitt nutzen Unternehmen jetzt fast zehn GenAI-Apps – im letzten Jahr waren es noch drei. Die Top-1-Prozent der Unternehmen, die auf die innovativen Werkzeuge setzen, nutzen jetzt durchschnittlich 80 Apps – eine deutliche Steigerung von zuvor 14. 

ChatGPT bleibt das beliebteste Tool: Es wird von mehr als 80 Prozent der Unternehmen genutzt. Microsoft Copilot verzeichnet mit 57 Prozent den stärksten Anstieg der Nutzung seit seiner Einführung im Januar 2024. Interessant: 19 Prozent der Unternehmen haben ein generelles Verbot von GitHub CoPilot erhoben.

Generell ist es laut Netskope-Studie so, dass drei Viertel der befragten Unternehmen mindestens eine GenAI-App vollständig blockieren. Dies spiegelt den Wunsch der Technologieverantwortlichen in Unternehmen wider, das Risiko der Verbreitung sensibler Daten zu begrenzen. Da jedoch weniger als die Hälfte der Unternehmen datenbezogene Kontrollen anwenden, um zu verhindern, dass sensible Informationen weitergegeben werden, sind die meisten Unternehmen im Rückstand bei der Einführung fortschrittlicher Lösungen für Data Loss Prevention (DLP). Diese sind für die sichere Nutzung der intelligenten Werkzeuge jedoch erforderlich.

„Die Absicherung von GenAI bedarf weiterer Investitionen und größerer Aufmerksamkeit, da sich die Nutzung der Tools in Unternehmen durchsetzt und es keine Anzeichen dafür gibt, dass sich diese Entwicklung bald verlangsamen wird“, sagt James Robinson, Chief Information Security Officer bei Netskope. »Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, dass GenAI-Outputs ungewollt sensible Informationen preisgeben, Fehlinformationen verbreiten oder sogar bösartige Inhalte einschleusen können. Das erfordert einen starken Risikomanagement-Ansatz, um Daten, Ruf und Geschäftskontinuität zu schützen.«

„KI ist auf dem besten Weg, das maßgeblichste Business-Tool aller Zeiten zu werden“, kommentiert Christian Pedersen, Chief Product Officer bei IFS, die Ergebnisse der Studie „Industrial AI“. (c) IFS

Nachbar hinkt ebenfalls nach

Die Studie „Industrial AI: the new frontier for productivity, innovation and competitiveness“ von IFS zeigt, dass nicht nur Österreich bei der Einführung von KI der globalen Entwicklung hinterherhinkt. Gemeint ist Deutschland. So führt etwa der Fachkräftemangel dazu, dass viele Unternehmen des Nachbarlandes schon in der Vorbereitung steckenbleiben. Über die Hälfte der Befragten haben lediglich Angebote eingeholt und strukturierte Pilotprojekte gestartet, anstatt über eine klare Strategie zu verfügen und greifbare Ergebnisse vorweisen zu können (28 Prozent). 14 Prozent befinden sich in der Forschungsphase, in der unkontrollierte Tests durchgeführt werden und weitere vier Prozent verfügen noch über keinen koordinierten Ansatz. Trotz dieser Herausforderungen überwiegt der Optimismus: Die Hälfte glaubt, dass KI in ein bis zwei Jahren einen signifikanten Unterschied für ihr Unternehmen machen könnte. Rund ein Viertel  geht davon aus, dass eine deutliche Entwicklung bereits innerhalb eines Jahres zu beobachten ist.

Rätsel Produktivitätssteigerung

Eine aktuelle Umfrage des Forschungsinstituts der Plattform Upwork ist insofern interessant, als dass sie anderen Studien zu diesem Thema diametral widerspricht. Die Grundaussage lautet: Drei Viertel der Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass die Einführung von KI bisher eher zu Produktivitätsverlusten führt, weil sie unter anderem mehr Zeit mit der Überprüfung und Moderation von KI-generierten Inhalten verbringen.

Was sich Unternehmen vom Einsatz entsprechender Tools erwarten, liegt auf der Hand. KI soll Routineaufgaben automatisieren, Mitarbeiter von sich wiederholenden Tätigkeiten entlasten, die Effizienz bei der Datenverarbeitung und -analyse erhöhen sowie innovative Lösungsansätze ermöglichen. Mehr als drei von vier Arbeitnehmern finden jedoch, dass KI-Tools ihre Produktivität eingeschränkt und ihre Arbeitsbelastung erhöht haben. Im Detail: 

  • 39 Prozent der Mitarbeiter verbringen mehr Zeit mit der Überprüfung und Moderation von KI-generierten Inhalten.
  • 23 Prozent investieren zusätzliche Arbeitszeit in das Erlernen der Bedienung von KI-Tools.
  • 21 Prozent erhalten als direkte Folge des KI-Einsatzes mehr Arbeit zugewiesen.

Diese Zahlen zeigen, dass die bloße Implementierung von KI-Lösungen nicht automatisch zu einem Produktivitätsgewinn führt. Stattdessen müssen Unternehmen begleitende Maßnahmen ergreifen, um die neue Technologie erfolgreich in die Arbeitsabläufe ihrer Mitarbeiter zu integrieren.

85 Prozent der Unternehmensleiter drängen ihre Mitarbeiter laut Befragung dazu, KI-Tools zu nutzen. Jedoch fühlen sich viele Mitarbeiter von der zusätzlichen Arbeitsbelastung und Komplexität überfordert. In den letzten zwei Jahren haben Unternehmen unter Berufung auf die Vorteile der neuen Technologie sogar Einstellungsstopps verhängt oder Mitarbeiter entlassen.

Rund 39 Prozent der von Upwork befragten Unternehmen haben den Einsatz von KI-Tools bereits verbindlich vorgeschrieben. Aber fast die Hälfte der Arbeitnehmer, die KI einsetzen, gaben an, keine Ahnung zu haben, wie sie die von ihren Arbeitgebern erwarteten Produktivitätssteigerungen erreichen können. Tools wie ChatGPT können Arbeitnehmern zwar helfen, Aufgaben schneller zu lösen, aber die KI kann ebenso falsche Tatsachenbehauptungen aufstellen, die Mitarbeitern Ärger einbringen können, so die Studie abschließend.


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