Capgemini hat sich in einer aktuellen Studie den Status quo der intelligenten Industrie angesehen. Smart Factories könnten die Weltwirtschaft bis 2023 um 1,5 Billionen US-Dollar ankurbeln, doch oft hakt es an Skalierbarkeit und fehlendem Knowhow. [...]
Für die Studie »Smart Factories @ Scale« wurden über tausend Führungskräfte von Industrieunternehmen in 13 Ländern befragt. Daraus ergaben sich zwei zentrale Herausforderungen bei der Skalierung von Pilotprojekten hin zur intelligenten Fabrik für die Industrie 4.0: Erstens die IT-OT-Konvergenz und zweitens die Bandbreite der Fähigkeiten, die erforderlich sind, um die Transformation voranzutreiben.
Die Studie geht außerdem darauf ein, wie disruptive Technologien zu einer intelligenten Industrie führen und wie Fertigungsunternehmen daraus neue Geschäftsfelder entwickeln, Betriebsabläufe optimieren und Innovationen für eine nachhaltige Zukunft umsetzen.
Capgemini versteht unter »intelligente Industrie« die Verschmelzung der physischen mit der digitalen Welt sowie die Konvergenz von informationstechnischen und betrieblichen Systemen. Dies führt zu technologie-basierten Disruptionen in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Engineering, Fertigung, Supply Chain, Betrieb und Services.
Jacqueline Wild, Principal Consultant bei Capgemini in Österreich, betont: »Hochentwickelte Produktionsstandorte können und müssen durch die Digitalisierung der Fertigungslinien ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Auch wenn wir als eines der drei führenden Länder bei der Einführung intelligenter Fabriken auf einem guten Weg sind, sehen wir viele Smart-Factory-Initiativen scheitern, wenn es um die Skalierung der Initiativen geht. Es fehlt häufig an einer zentralen, standortunabhängigen Steuerung der Industrie-4.0-Aktivitäten.«
Im Vergleich zu einer Studie von vor zwei Jahren schreiten heute mehr Unternehmen denn je mit ihren Smart-Factory-Initiativen voran. Seit 2017 wurde ein Drittel der Fabriken bereits in intelligente Anlagen umgewandelt. Produktionsunternehmen weltweit wollen in den nächsten fünf Jahren 40 Prozent mehr intelligente Fabriken aufbauen. Dazu planen sie in den kommenden drei Jahren durchschnittlich 3,2 Prozent ihres Umsatzes ein. Im Vergleich dazu sollen in Deutschland in den nächsten fünf Jahren 43 Prozent mehr Fabriken dieser Art entstehen, wobei hier durchschnittlich 3,5 Prozent des Umsatzes pro Jahr angedacht sind.
IT-OT-Konvergenz
Trotz dieser positiven Aussichten sind die Produktionsunternehmen der Meinung, dass der Erfolg nur schwer zu erreichen ist: Bloß 14 Prozent bezeichnen ihre bestehenden Initiativen als »erfolgreich« und fast 60 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie mit der Skalierung kämpfen.
Zu den größten Herausforderungen bei der Skalierung gehört laut der Studie die IT-OT-Konvergenz inklusive der Bereitstellung und Integration digitaler Plattformen, der Datenverfügbarkeit und der Cybersicherheit, die für die digitale Kontinuität sowie die Zusammenarbeit entscheidend sein wird. Zusätzlich zu der digitalen Affinität der Mitarbeiter sind eine Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich, um die Transformation intelligenter Fabriken voranzutreiben – einschließlich funktionsübergreifender Profile z.B. aus den Bereichen der Fertigungstechnik, der Produktionswartung sowie der Sicherheit und Gefahrenabwehr. Soft Skills, wie Problemlösungs- und Kooperationsfähigkeiten, sind laut Capgemini ebenfalls entscheidend.
Governance als Top-Anforderung
Die Studie »Smart Factories @ Scale« enthält einen Empfehlungskatalog darüber, wie produzierende Unternehmen die Transformation zur Smart Factory schnell und sicher realisieren können. Ganz oben auf der Agenda stehen die Etablierung einer starken Governance und Methoden zur Bewertung der Fortschritte. Dazu gehören laut Capgemini folgende Handlungsaufforderungen:
- Projekte an der Gesamtstrategie ausrichten, sodass die Piloten darauf ausgelegt sind.
- Verwalten der Plattform-Roadmap unter besonderer Berücksichtigung der Datenintegrität im Kontext der gesamten Unternehmensarchitektur.
- Zuweisen von Rollen und KPIs zu Transformationszielen.
- Methoden entwerfen, um den Erfolg der Initiativen zu verfolgen.
- Den Fortschritt überwachen und sicherstellen, dass das Programm nicht von seinen Hauptzielen abweicht.
Ein weiteres Handlungsfeld betrifft die Bereitstellung digitaler Plattformen über alle Produktionsabläufe hinweg. Um das gesamte Potenzial der zur Verfügung stehenden Technologien nutzen zu können, empfiehlt Capgemini, eine IT-OT-Strategie auf Gruppenebene zu entwerfen, anstatt den lokalen Teams zu ermöglichen, die Entwicklung voranzutreiben. Digitale Fertigungsplattformen bieten mehrere Vorteile: Sie verbinden die physische Welt mit dem IT-Universum, unterstützen die Entwicklung von Anwendungen und stellen Daten für das Mining und die Analyse zur Verfügung.
Ein weiterer Schwerpunkt sind Cloud-fähige Lösungen. Sie bieten Einblick in unternehmensweite Daten, die dabei helfen, fabrikübergreifende Effizienzsteigerung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu erreichen. Sie sind auch flexibler bzw. skalierbarer. Eine hybride Architektur ist zudem dann nützlich, wenn Unternehmen nicht für alle ihre Anforderungen auf Cloud-Lösungen setzen.
»Datadriven Operations«
Datensilos sind ein erhebliches Problem, da der Erfolg von intelligenten Fabriken davon abhängt, dass die richtigen Daten zur richtigen Zeit verfügbar sind. Die Praxis zeigt jedoch, dass nur wenige Organisationen einen vollständigen Überblick über die Datenflüsse in ihren Prozess- und IT-OT-Systemen haben. Mit der zunehmenden Anzahl an Sensoren innerhalb und außerhalb einer Fabrik wird außerdem das Datenvolumen immer größer. Unternehmen brauchen daher eine klar definierte Methode zur Bewältigung der Datenexplosion.
Data Lakes sind eine der Möglichkeiten, strukturierte und nichtstrukturierte Daten aus einer Vielzahl von Systemen wie IoT-Geräten zu speichern. Um eine datengetriebene Kultur und die permanente Verfügbarkeit von Daten zu etablieren, sollten sich Unternehmen auch darauf konzentrieren, Talente mit analytischen Stärken heranzuziehen, die die Tools wirksam einsetzen und die erforderlichen Entscheidungen treffen können.
Funktionsübergreifende Karrieren
Produktionssysteme werden immer komplexer. Gleichzeitig sind Unternehmen mit einem Mangel an Hybrid-, Soft- und auch digitalen Kompetenzen konfrontiert. Unternehmen sollten daher einen langfristigen Ansatz verfolgen, um diese tiefgreifende Kompetenzlücke in verschiedenen Bereichen zu schließen.
Capgemini empfiehlt unter anderem die Entwicklung von Schulungsprogrammen, mit denen Mitarbeiter berufswegübergreifend Karriere machen können. Dies soll beim Aufbau hybrider bzw. funktionsübergreifender Fähigkeiten helfen. Zudem sind Unternehmen beim Erstellen von Schulungsprogrammen gefordert, den Schwerpunkt auf Soft Skills, z. B. Zusammenarbeit, und das Digital-First-Mindset zu legen.
Last but not least beinhaltet der Weg zur Smart Factory eine umfassende und funktionsübergreifende Transformation, welche die Überwachung durch eine Führungskraft benötigt. Doch weniger als ein Drittel aller befragten Unternehmen besitzen eine entsprechende Funktion, so die Studie.
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