Der stete Wandel im Hightech-Vertrieb

Mit alten Tugenden neuen Herausforderungen begegnen: Wie man den idealen Verkäufer erkennt und was den perfekten Vertreter dieser Berufsgattung überhaupt ausmacht, verrät der Verkaufstrainer Dirk Heinrich im exklusiven Interview. [...]

Dirk Heinrich ist ehemaliger Vertriebsleiter und Country Manager internationaler Konzerne wie Nextra, Sony, ­Ditech sowie Acer und arbeitet nun als selbständiger Verkaufstrainer bei Sellingpower.at. Im Interview mit der COMPUTERWELT schildert er, was sich im Vertrieb der IT-Branche geändert hat und wie Unternehmen den neuen Herausforderungen begegnen können.

Computerwelt: Was hat sich in den Vertriebsabteilungen für Hightech-Produkte und -Lösungen in den letzten Jahren verändert?
Dirk Heinrich:
Es ist kein Geheimnis, dass speziell in der IT-Branche der Druck im und auf den Vertrieb neue Dimensionen angenommen hat. Die Häufigkeit der Line-up Wechsel, Preisänderungen, unzählige Konfigurationsmöglichkeiten, Wandel der Konsumentennachfrage im B2C-Bereich, Umsatzdruck dank gesunkener Produktpreise und anderes stellen Verkäufer und ihre Vertriebsleiter derzeit vor sehr herausfordernde Aufgaben.
Hinzu kommt, dass immer mehr lokale Kompetenz auch Vertriebsseitig in Nachbarländer abgezogen und zentralisiert wird. Als weiteren Punkt würde ich auch die Zunahme an Reporting-Aufgaben, Meetings, Forcastings, etc. sehen. Die Abnahme an effektiv zur Verfügung stehender Verkaufszeit stellt ein ernst zu nehmendes Bedrohungsszenario dar. Wir brauchen heute gute, ausgebildete und motivierte Verkäufer dringender als je ­zuvor. Der Marktteilnehmer, der diesen gordischen Knoten am ehesten durchschlägt, wird sich auf der Gewinnerseite wieder finden.

Worauf sollten Unternehmen achten, um im Vertrieb maximale Effizienz erreichen zu können?
Zum einen auf gut ausgebildete Verkäufer. Die wahre Bedeutung des Begriffs „Verkäufer“ ist leider mit Begriffen wie „Kundenbetreuer“ etwas falsch besetzt worden. Weiters mit der Entlastung bei internen Aufgaben wie Reporting, Meetings, etc. Zeit beim Kunden hat oberste Priorität. Marktanteilsgewinne, die durch Verdrängungswettbewerb generierbar sind, benötigen Qualität und Zeit.
Deshalb muss man die Stärken der Verkäufer weiter ausbauen, auch durch internen Wettbewerb und Training, zum Beispiel durch Bildung von Spitzenteams. Die Verkäufer müssen den idealen Mix finden aus „ich bin der Repräsentant meines Unternehmens“ und „ich bin auch der Anwalt meines Kunden“.

Wie unterstützt man Vertriebsmitarbeiter beim Verlassen der Komfortzone?
Die ideale Mischung besteht immer aus Vorgaben und unterstützenden Maßnahmen, also fordern und fördern. Das Fördern sollte individuell und teamorientiert funktionieren. Hier geht es zum Beispiel um die Vorbereitung der Verkäufer für preisaggressive Verhandlungen, Training on und in the Job, Wiederbeleben der eigenen und der Unternehmensstärken. Gemeinsam ist meist wirkungsvoller als einsam. Darüber hinaus ist die Vorbereitung und das Training des Auftritts bei Unternehmens-, Kunden- und Branchenmessen, die Verbreiterung meiner Kundenbreite oder die Best-Practice-Erarbeitung in Workshops zu nennen.

Wie lange dauern Intensiv-Trainings für die Vertriebsabteilung und mit welchen Kosten muss man rechnen?
Das ist pauschal schwer zu beantworten, weil sie natürlich von der kundenspezifischen Aufgabenstellung und der Ausgangsbasis abhängig sind. Die Frage ist wie gut ein Unternehmen schon aufgestellt ist und welche Ziele verfolgt werden – z.B. die Kundenbasis verbreitern, Preisdruck kontern, Argumentation verbessern, Kunden­selektion, Internetangebote parieren, Individualcoaching, Key-Accounter Optimierung, Messetraining, etc.
Die Kosten sind dementsprechend individuell angepasst. Als grobe Einschätzung liegt man bei einem Ein-Tages-Workshop mit dem Thema „Preisdruck! Na und“ sowie transferbegleitenden Maßnahmen wie Intervall-Telefonate oder -Mails, -SMS zwischen zwei und viertausend Euro. Investitionen in den Vertrieb rechnen sich allemal.

Sie haben einigen Background in der IT-Branche. Gibt es hier Unterschiede zu anderen Branchen, oder speziell benötigte Fähigkeiten von Verkäufern?
Der Branchenunterschied schlechthin ist sicherlich das Thema Geschwindigkeit hinsichtlich Änderungen, neuer Produkte, Marktentwicklungen und der damit verbundenen Prozesse, Reportings, Wissen um technische Spezifika, etc. Diese Verkäufer auf dem Arbeitsmarkt zu finden und zu entwickeln stellt die Vertriebsleitung und Human Resources vor ziemlich herausfordernde Aufgaben.

Wo findet man den idealen Hightech- Verkäufer und wie erkennt man ihn?
Die Frage nach dem „wo“ stellt sich meines Erachtens nach definitiv weniger als nach dem „wie“. Zum einen sind Empfehlungen nach wie vor extrem wichtig. Den „idealen“ Verkäufer erkennt man an Eigenschaften wie Auftreten, technisches und Branchen-Know-how, Kundenbezug, Stressresistenz, Wille zur Weiterentwicklung, Charakterstärke, Loyalität, Ausdrucksweise, Teamfähigkeit, der nötigen Egozentrik und dem richtigen „Schmäh“. Aus diesen Eigenschaften das Wichtige und Richtige rauszulesen und zu -hören erfordert auch auf der Seite des Gegenübers entsprechendes Wissen. Hier gibt es aber auf dem Markt entsprechende Unterstützung.

Gilt die alte Weisheit noch: Entweder man ist ein guter Verkäufer oder nicht?
Das war nie eine Weisheit und wird es auch nie sein. Ich habe ja auch selber mal dieses „Handwerk“ gelernt und doch schon viele Verkäufer entwickelt und geführt. Quintessenz ist, dass aus einem schlechten Grundmaterial niemals ein wirklich gutes Produkt wird, egal um welchen Bereich es geht.
Allerdings ist das Talent mit Menschen bzw. Kunden umgehen zu können und damit im besten Sinne des jeweiligen Unternehmens mit ihnen zu arbeiten, weiter verbreitet als so mancher glaubt. Die konsequente Weiterentwicklung, der Einsatz von Fordern und Fördern und alle weiteren Möglichkeiten der Verkäuferunterstützung haben noch immer ungeahnte Potenziale. Das spürt jede Organisation sofort.

Das Gespräch führte Roland Kissling.

*) Dirk Heinrich ist selbständiger Verkaufstrainer im Competence-Network Sellingpower.at. Als Verkäufer in jungen Studentenjahren gestartet, hat er alle Stufen bis hin zum Vertriebsleiter genommen, war Mitglied der Geschäftsleitung und schließlich Country Manager in internationalen Konzernen mit Verantwortung für 180 Vertriebsmitarbeiter. Zuletzt war er Country Manager von Acer Austria. Davor war Heinrich als Verkaufsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung bei
Ditech und Leiter des Partner-Vertriebs bei Sony Österreich beschäftigt.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*