Der CIO des Jahres in der Kategorie Mittelstand ist Martin Buresch von der Kwizda Holding GmbH. Er weiß, dass es bei erfolgreichen Digitalisierungsprojekten neben dem technischen Verständnis vor allem drauf ankommt, diese verständlich mit allen Bereichen des Unternehmens und auch den Kunden zu kommunizieren. [...]
Die Auszeichnung zum CIO des Jahres bedeutet Martin Buresch viel, ist sie doch »eine wertschätzende Anerkennung für die langjährige Arbeit an der Weiterentwicklung an der Organisation«. Buresch geht es bei der Digitalisierung in hohem Maße darum, neue Geschäftschancen auszumachen, Innovationen anzustoßen und umzusetzen – ein Ansatz, den er als CIO der Kwizda Gruppe erfolgreich verfolgt und der ihn für die Jury eindeutig zum CIO des Jahres qualifizierte. Offenbar gelingt ihm der – wie er es nennt – Spagat zwischen den formalisierten Prozessen und der Wahrung einer grundsätzlichen Agilität in seinem Team. Mit letzterem wird sichergestellt, dass die 31 Mitarbeiter von Buresch Projekte und Anliegen schnell und kundenorientiert umsetzen.
Das ist wichtig in einem Unternehmen, das sich seit 1853, als Franz Johann Kwizda die Kreisapotheke Korneuburg übernahm und als k.k. Hoflieferant veterinärmedizinischer Präparate erzeugte, stark gewandelt hat. Zwar ist das mittelständische Unternehmen mit internationaler Ausrichtung unter der Leitung von Richard Peter Kwizda und Johann Franz Kwizda nach wie vor im Familienbesitz. Heute umfasst die Kwizda Gruppe folgende sieben Bereiche: Pharma (OTC mit dem Kernprodukt Bronchostop), Pharmadistribution, Pharmahandel, Apotronik, Kosmetik, Agro und Büsscher & Hoffmann (Dach- und Abdichtungssysteme aus Bitumen und Polymerbitumen).
Im Bereich der Agilität spielt das Mindset, also die richtige Einstellung, eine große Rolle, weiß Martin Buresch. Dabei gehe es definitiv nicht um Abgrenzung. Zu sagen »Ich bin die IT, das ist der Fachbereich, und so lange der Fachbereich nicht A macht, mach ich als IT nicht B«, ist mit Sicherheit keine Basis für Agilität, gibt Buresch ein plakatives Beispiel. Sondern Agilität heiße, wissen zu wollen, was der Fachbereich wünscht, ohne hier ein technisch einwandfrei ausformuliertes Ansuchen zu erwarten, sondern vielmehr auf die Inhalte zu achten. »Es geht darum, nicht ständig den Ball hin und her zu spielen, sondern ihn aufzunehmen und zu schauen, was man tun kann, ohne aber die Verantwortung eines Fachbereiches oder der Abteilung jetzt komplett zu übernehmen«, erklärt Buresch. Dank der motivierten Kolleginnen und Kollegen und deren großer Leistungsbereitschaft sei man hier sehr gut unterwegs und habe sich in einem langjährigen Transformationsprozess von einer eher dienstleistenden IT-Abteilung zu einer starken, schlagkräftigen Kwizda-IT entwickelt. »Nur durch diesen tagtäglichen Einsatz meiner Mannschaft ist es auch möglich gewesen, den Freiraum zu schaffen für die Digitalisierungsinitiative, die wir letztes Jahr gestartet haben«, lobt Buresch sein Team, ohne das er die geplanten Digitalisierungsschritte und -maßnahmen nicht umsetzen könnte.
Eine große Bereicherung ist die hervorragende Zusammenarbeit mit dem CFO der Kwizda Gruppe. Dieser hat auch bereits 2011 die Erweiterung der IT-Abteilung um eine mit drei Mitarbeitern besetzte Ebene im IT-Management unterstützt, da er bemerkte, dass ohne diese Zwischenebene zwar die operative Umsetzung von Projekten klappe, aber die konzeptionelle Kraft zu kurz komme. Mit dieser Maßnahme wurde eine sehr gute und schlagkräftige Struktur geschaffen.
Der CIO muss strategische Themen vorantreiben
Die Zusammenarbeit mit dem CFO hilft Buresch auch dabei, wichtige Themen vorantreiben zu können. Dabei sei natürlich die Finanzierung ein wesentliches Element, letztlich gehe es auch darum, Themen kompetent zu kommunizieren. Bei den Management-Meetings, an denen Buresch teilnehme, sei er dafür verantwortlich, Verständnis zu erzeugen. Sei es ihm nicht möglich, dabei zu sein, könne er sich diesbezüglich auf den CFO verlassen, der hier das nötige Verständnis und die entsprechende Kommunikationsfähigkeit mitbringe.
Verständnis meint in diesem Zusammenhang, ein Verständnis für das zu bekommen, was die IT hinsichtlich der Digitalisierung leisten kann. Zudem sei es auch die Aufgabe des CIOs »handlungsweisende Themenstellungen zu konkretisieren, die auch wirklich einen Mehrwert im Unternehmen bilden«. Die auf der Erkenntnis um Bedeutung und Wichtigkeit der IT aufbauende gute Zusammenarbeit mit dem CFO habe schließlich zu einer strategischen Entscheidung für die SAP S/4 HANA-Plattform geführt, um diese als Plattform für die Zukunft zu positionieren.
Dass Kosten immer ein Thema sind, liegt in der Natur eines jeden Unternehmens. Wenn es aber heißt, die IT erzeuge nur Kosten, dann ist das für Buresch ein Zeichen für Kommunikationsbedarf. Bei der Kommunikation gehe es nicht darum zu erklären, dass man beispielsweise 70 Server betreibe und sicherheitstechnisch dieses oder jenes implementieren müsse, sondern es gehe immer darum, den Mehrwert für den Geschäftsprozess darzustellen; zu erklären, wer sich was wodurch erspart; oder welche neue Möglichkeiten dadurch geschaffen werden. Diese Erkenntnis gelte es bewusst zu machen. »Die Kosten sind immer ein Thema. Aber der CIO hat dafür zu sorgen, dass sie erst an zweiter, nicht an erster Stelle stehen«, setzt Buresch auf die Möglichkeiten neuer Geschäftschancen, die Digitalisierung und Automatisierung schaffen als auf die reine Kostenvermeidung.
Kundenorientierte Services
Die Rolle des CIO sieht Martin Buresch auch als die eines Kommunikators. »Es gilt, die Fachbereiche nicht zu verlieren«, deswegen versteht Buresch sich als Brücke zwischen IT und Fachbereich, zwei Abteilungen, die teilweise unterschiedliche Sprachen sprechen, wodurch Missverständnisse bzw. Unverständnis dabei vorprogrammiert seien. Zudem sind die IT-Anforderungen in den verschiedenen Bereichen der Kwizda Gruppe sehr unterschiedlich. »Der Großhandel kann seit fast 20 Jahren nicht mehr ohne IT ausliefern«, erklärt Buresch. Dieser Bereich sei mit Online-Portalen für den Kunden und einer elektronischen Bestellrate von über 90 Prozent hoch automatisiert. Doch es gelte im Rahmen der Digitalisierung neue Services informationslogistisch auszubauen. Die Herausforderung dabei ist, so der Kwizda-CIO, »bei sieben Bereichen einen starken harmonisierenden, gestalterischen Aspekt einzubringen, da es nicht sein kann, dass man für sieben Bereich sieben Lösungen entwickle. Wir brauchen hier technische Plattformen, die dann auf die unterschiedlichen Anforderungen hin ausgebaut werden.« Die Herausforderung dabei sei, mit der Technologie nicht so weit vorzupreschen, dass man die Fachbereiche nicht mehr erreiche. Denn auch wenn gegenwärtig generell eine Affinität der Menschen zur Technik hin festzustellen sei – Stichwort Smartphone, so schlage sich das nicht unbedingt in einem besseren Verständnis für die Unternehmens-IT nieder. Wichtig sei deswegen, die technischen Möglichkeiten mit realistischen Beispielen zu illustrieren, so der CIO. Und wie lange es brauche, bis technische Erneuerungen angenommen werden, sehe man ja in Österreich an der schleppenden Akzeptanz der Selbstbedienungskassen.
Im Handel hänge alles, was technisch in den Shops möglich ist, von der Akzeptanz der Kunden ab. »Nicht jeder will, dass sein Gesicht beim Betreten eines Geschäftslokals gescannt wird. Vielleicht ist das sogar ein Grund, nicht in das Geschäft zu gehen.« Deswegen müsse man auch bedacht mit dem Thema Technologie umgehen, ist Buresch überzeugt.
Ein Projekt, das Buresch und sein Team verwirklicht haben, ist der sogenannte Delivery Scan vom Großlager an die Apotheken. Diesbezüglich wurde zwar bisher schon von der Bestellung bis zum Warehouse-Management alles nachverfolgt, aber die letzte Meile habe gefehlt. Jetzt haben alle Apotheken einen Barcode erhalten und da man aufgrund der GPS-Ausstattung wisse, ob die Zustellfahrzeuge pünktlich liefern oder sich verspäten werden, kann man diese Information den Kunden, sprich Apotheken, rechtzeitig zukommen lassen. Solcherart wissen die Kunden die aktuelle Zustellzeit und müssen nicht wertvolle Zeit fürs Warten nutzen. Das habe natürlich eine positive Auswirkung auf die Kundenzufriedenheit, freut sich Buresch.
Communication is King
Kommunikation auf allen Ebenen ist für Buresch sehr wichtig, diese umfasse das Management genauso wie die Fachabteilungen und die Kunden. Im B2B-Vertrieb gebe es beispielsweise einen sehr stark beratenden Anteil. Hier will Buresch den Außendienst mit entsprechender Technologie unterstützen. Dazu braucht man Leute, die mit den Anwendungen arbeiten können, weswegen man seitens der Fachabteilungen auf das Konzept der Key-User setzt. Das sind spezielle Anwender, die sich sehr gut mit der Technik auskennen und die auch daran mitarbeiten, diese unterstützende Technik weiterzuentwickeln. Doch auch hier überlässt Buresch nichts dem Zufall: »Wir haben mit der HR-Abteilung gemeinsam ein Programm gestartet, wo wir den idealen Key-User definiert und zwölf Kompetenzfelder erarbeitet haben.« Dieses Programm reicht bis hin zu einem Key-User-Führerschein. Auch das ist eine Maßnahme, wie man eine Brücke zwischen IT und Fachabteilung erreichen könne.
Um die Fachabteilungen nicht zu verlieren, müsse man auch frühzeitig wissen, was diese benötigen beziehungsweise wünschen. Deswegen habe man einen IT-Projektportfolioprozess erarbeitet, um möglichst frühzeitig an die Themen heranzukommen. Buresch: »Uns war es im Rahmen der Digitalisierungsinitiative wichtig, eine gewisse Idee zu bekommen, in welche Technologierichtung es geht. Wir können uns als mittelständisches Unternehmen nicht mit jeder Technologie beschäftigen. Wir haben nur eine begrenzte Kapazität. Deswegen ist es wichtig zu wissen, geht es in Richtung KI, geht es in Richtung Big Data, sollen wir uns mit IoT weiter beschäftigen? Aus diesen Erkenntnissen machen wir Prototypen von technologischen Lösungen eben nur dort, wo wir eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit sehen.«
Überdies habe man auch ein Kommunikationskonzept erarbeitet, nach dem Motto »Erfolg braucht Orientierung.« Es geht dabei darum, in der schriftlichen Kommunikation vom Support Desk bis hin zu Ankündigungs-E-Mails eine verständliche Wortwahl zu finden, mit der man den Fachbereich erreiche. Das Ziel sei »weg von der formalisierten E-Mail-Kommunikation zu einer schnelleren, direkten Kommunikation«, so Buresch und diene dazu die Themen zu verbreiten aber auch, um das Feedback der Kunden zu bekommen.
Die Kwizda-IT hat einen vergleichsweise hohen Frauenanteil von 20 Prozent. Nicht nur, dass dieser überdurchschnittliche Wert an sich schon eine erfreuliche Sache sei, würden durch die Frauen auch die kommunikativen Kompetenzen der Abteilung nochmals erweitert, stellt Buresch erfreut fest.
Stark regulierte Pharmabranche
Für ein in der Pharmabranche tätiges Unternehmen gebe es einige Besonderheiten, auf die ein CIO achten muss, erklärt Buresch. Die Branche sei sehr stark reguliert und entsprechende Compliance-Vorschriften, wie die GxP-Compliance mit ihren Untergruppen GMP (Good Manufacturing Practices) im Herstellungsbereich oder GDP (Good Distribution Practice) im Liefer- und Logistikbereich, oder die neue Fälschungsrichtlinie seien zu erfüllen und einzuhalten, sagt Buresch und fügt hinzu: »Das führt natürlich dazu, dass Systeme nicht gerne geändert werden. Das geht sehr stark gegen die Agilität.« Hier gelte es einen Ausgleich zu finden zwischen einer automatisierten und einer manuellen Organisation, weil die Agilität im Pharmabereich noch nicht so hoch ist. Fragen danach, wo man in einem Mischbetrieb digitalisieren kann, wie man dort den enorm hohen Aufwand der Dokumentation in den Griff bekommt, sind eine der großen Herausforderungen.
Speziell das Thema Cloud ist im Pharmabereich vor allem hinsichtlich automatischer Updates kritisch zu sehen. Hier stünden die Sicherheitsbestimmungen dagegen, da man ja nachweisen muss, dass die Funktionen nach dem Update genauso funktionieren wie zuvor. »Im Regelfall erfolgt das in einem Testsystem, wenn aber automatisch im Produktivsystem das Update erfolgt, steht man vor großen Herausforderungen,« sagt Buresch und fügt erklärend hinzu: »Darum sind unsere Pharmabereiche, was Digitalisierung und den Automatisierungsgrad betrifft, nicht so weit wie die logistischen Einheiten oder die Einheiten, die nicht diesen Regulativen entsprechen müssen.« Deswegen, so das Resümee von Buresch, »sind wir im Regelfall immer ein bisschen mehr compliant. Einen Kompromiss einzugehen, können wir uns nicht leisten.«
Last but not least sieht Buresch die eigene Abteilung immer stärker in einer beratenden Rolle, wie IT einzusetzen sei. »Hier braucht man eine hervorragende Kommunikationsfähigkeit, sowie die Nähe zu allen Bereichen – einschließlich Fachbereiche, Geschäftsleitung, mittleres Management.« Außerdem müsse man der wiederaufkommenden Technikgläubigkeit à la »Technik kann alles« realistische Anwendungsszenarien entgegensetzen, bleibt Buresch durchaus auf dem Boden der technischen Wirklichkeit.
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